Politik

Mauel zwei Jahre nach der Flut: „Missmanagement der Wesertalsperre verschärfte die Katastrophe“

Die volle Eupener Wesertalsperre vor der verheerenden Flut von Juli 2021. Foto: OD

An diesem Freitag, dem 14. Juli, jährt sich zum zweiten Mal die Flutkatastrophe, die 39 Menschen im Wesertal das Leben kostete, schwerste Verwüstungen anrichtete (siehe Fotogalerie unten) und zahlreiche Existenzen zerstörte.

Auch nach zwei Jahren sind die Menschen in der Region überzeugt, dass ihnen nicht die ganze Wahrheit über die Ursachen der Hochwasser-Katastrophe mitgeteilt wurde. Die regionale Abgeordnete Christine Mauel (PFF-MR) verweist insbesondere auf das Missmanagement der Eupener Wesertalsperre.

„Nach den ersten Aufräumarbeiten und Analysen wurde schnell klar, dass nicht nur die tagelangen Regenfälle nach einem regenreichen Frühjahr für die katastrophalen Überflutungen verantwortlich waren“, so Mauel.

„Während die ununterbrochenen Regenfälle Hill und Weser mit Unmengen an Wasser füllten, die zu Überschwemmungen entlang des gesamten Weserbeckens führten, konnte die Wesertalsperre ihre Rolle zur Flutregulierung nicht spielen. Im Gegenteil: Zum schlimmsten Zeitpunkt der Katastrophe musste die Talsperre Eupen Millionen Liter ablassen, um das Bauwerk nicht in Gefahr zu bringen. Diese Entwicklung war vorhersehbar, wurde aber nicht erkannt und schon gar nicht kommuniziert“, kritisiert die aus Hauset stammende Regionalabgeordnete.

Die ostbelgische Regionalabgeordnete im Wallonischen Parlament, Christine Mauel (PFF-MR).

Die Wesertalsperre hat eine doppelte Funktion als Wasserspeicher und zur Regulierung der Weser. Mauel: „Die vom Stromanbieter Engie-Electrabel geführten Talsperren von Bütgenbach und Robertville hatten durch massives Ablassen von Wasser über die Stromturbinen rechtzeitig genügend Reserve geschaffen, um die großen Regenmengen Mitte Juli 2021 aufzunehmen: Malmedy blieb so eine Überflutung erspart. Missmanagement, falsche Einschätzung der meteorologischen Lage, ein viel zu hoher Wasserstand in der Wesertalsperre zum Zeitpunkt der Katastrophe, Pannen an den Schleusen und vor allem eine unzureichende und sogar irreführende Kommunikation seitens des zuständigen Ministeriums und anderer Behörden führten dazu, dass in manchen Gemeinden manche Gefahrenzonen unzureichend evakuiert wurden.“

Ein Untersuchungsausschuss im Wallonischen Parlament wurde eingesetzt, dem auch Christine Mauel als Abgeordnete der MR/PFF angehörte. „In zahlreichen Fragen und Interventionen habe ich versucht zu verstehen, was man besser hätte machen können und welche Fehler vermeidbar waren. Obschon zahlreiche Missstände aufgedeckt wurden, die ich auch im Ausschuss deutlich angesprochen habe, war das oberste Ziel des Untersuchungsausschusses, Lehren aus den tragischen Ereignissen von Mitte Juli 2021 für die Zukunft zu ziehen.“

„Vieles wurde in zwei Jahren verbessert“, sagt Mauel. In der Zwischenzeit sei vieles geschehen.

Diese Dekoration an einem Baum im Temsepark erinnert an die verheerende Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 in der Eupener Unterstadt. Foto: OD

„Die dringendsten Wiederherstellungsarbeiten an den Flussläufen wurden erledigt, Straßen und Brücken sind in großem Umfang wiederhergestellt. Viele Menschen haben ihre Wohnungen und Häuser wieder hergerichtet. Auch viele Unternehmen, z.B in Eupen das Kabelwerk und die Druckerei Kliemo, aber auch Geschäfte und Läden z.B. in der Eupener Unterstadt sind wieder geöffnet oder haben ihren Betrieb wieder aufgenommen. Die Wallonische Region hat Milliarden hierfür zur Verfügung gestellt“, stellt Mauel fest.

Nun sind praktisch zwei Jahre vergangen. Obschon in vielen der über 160 Empfehlungen des Untersuchungsausschusses Fortschritte gemacht wurden, sind offenbar manche der Empfehlungen der Untersuchungskommission noch nicht oder ungenügend umgesetzt worden. Mauel nutzte die Gelegenheit, um den zuständigen Minister Philippe Henry (Ecolo) zum Stand der Aufarbeitung der Empfehlungen zu befragen.

Minister Henry erläuterte im Ausschuss noch einmal eine Reihe von Maßnahmen, die in der Zwischenzeit ergriffen wurden, um eine Katastrophe wie die vom Juli 2021 in Zukunft zu verhindern. So verfügt die Wesertalsperre (wie die Gileppe) über einen abgeänderten Plan zur Speicherung von Wasser. Mittlerweile verfügt jeder der Distrikte (West und Ost) der Wallonie über je einen entscheidungsbefugten Beamten, der im Notfall außerdem auf eine verbesserte Unterstützung zurückgreifen kann.

Der Minister erwähnte auch einen abgeänderten internen Notfallplan der Talsperren, einen Dekretentwurf zur Festlegung der Sicherheitsnormen für die als Wassereservoir vorgesehenen Talsperren, also auch die Wesertalsperre. Dieser befinde sich zur Zeit in der Abstimmung. Es seien auch an den beiden Sperren von Weser und Gileppe Übungen mit den Streitkräften durchgeführt worden, ein Interventionsplan im Notfall sei durch die Provinz genehmigt worden und mittlerweile Teil des Katastrophenplans der Provinz Lüttich.

Der wallonische Regionalminister Philippe Henry (Ecolo). Foto: OD

Schließlich würden Weiterbildungen zur Überwachung der Talsperren und zur Verbesserung einer Sicherheitskultur in Absprache mit mehreren Nachbarländern durchgeführt. Eine Konvention zum dynamischeren Management der Wasserreserven der Talsperren zwischen dem zuständigen Ministerium und der Wallonischen Wassergesellschaft sei in Arbeit. Man habe auch an den wichtigen Wasserläufen Präventionsmaßnahmen zur Bewältigung von Fluten eingerichtet.

Auf Mauels präzise Befragung zur Umsetzung der Empfehlung 86 des Katalogs aus dem Untersuchungsausschuss, die den Minister auffordert, dringend eine Ausschreibung nach EU-Regeln eines Auftrags zur externen Kontrolle der wallonischen Talsperren zu machen, musste Minister Henry zugeben, dass diese Ausschreibung erst vor rund einem Monat erfolgt ist. Man erwarte Angebote im Laufe des Monats August.

„Ich verstehe nicht, warum der Minister diese wichtige Maßnahme zur Erhöhung der Sicherheit der Talsperren, vor allem der Wesertalsperre, so lange zurückgehalten hat. Der Minister hätte diese Ausschreibung unmittelbar nach der Veröffentlichung der Arbeiten des Ausschusses und der rund 160 Empfehlungen in Auftrag geben können. Eine dekretale Grundlage ist nicht erforderlich.“

Im Herbst wird das Ergebnis der Untersuchungen des Untersuchungsrichters erwartet, der nach der Katastrophe von der Staatsanwaltschaft Lüttich zur Untersuchung der Umstände der Katastrophe eingesetzt worden war. „Diese wird möglicherweise mehr Licht in die immer noch zum Teil ungeklärten Fragen bringen, die auch zwei Jahre nach der Katastrophe viele Menschen im Wesertal beschäftigen“, so Mauel. „Ich hoffe, dass diese Untersuchung Antworten auf all diese Fragen liefert.“ (cre)

Nachfolgend eine FOTOGALERIE mit Bildern von den Schäden in der Eupener Unterstadt nach der Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 und den Initiativen an den Tagen danach (Zum Vergrößern Bild anklicken):

17 Antworten auf “Mauel zwei Jahre nach der Flut: „Missmanagement der Wesertalsperre verschärfte die Katastrophe“”

  1. HEINZ P.

    Es war eine schlimme Nacht und ein schlimmer Tag
    Ich hatte auch eine Werkstatt in der Hass
    Alles weg !!!!!
    Ich möchte den Bericht zum Anlass nehmen mich nochmals
    bei allen Helfer und die die Spenden (Getränke , Brötchen , Süßes , USW )
    zu Verfügung gestellt haben noch mal Herzlich zu Bedanken
    Ich war Samstags Morgen Überwältigt wie viele Helfer da waren .
    Und Sonntag auch !
    Bei mir gab es nix zu Retten , aber Sonntagmittag war aller aufgeräumt
    und Sauber
    DANKE DANKE DANKE
    Heinz Pitz

  2. Erwin Haep

    Es gibt kein wenn und aber. Als die Talsperre geflutet wurde, nahm man Menschenleben in kauf. Diese Verantwortung trägt politisch der Minister Philippe Henry. Er steht für den Homicide.

  3. Beobachter

    Die Flutkatastrophe war eine Naturkatastrophe, die sich laut SWR sehr schnell über einen länglichen Streifen vom Wesertal bis zum Ahrtal hinzog.
    Bereits direkt den Weserquellen wurde ein Holzbrücke mitgerissen. Etwa 500 m weiter am Zusammenfluss des Stein- und Fischbachs wurde eine Eisenbrücke, auf schweren Betonsäulen aufgebaut, allesamt weggeschwemmt. Die Eisenbrücke war total verbogen. Dies um die Kraft des Wassers bereits hinter den Quellen zu verdeutlichen.
    Diese Katastrophe war nicht voraus zu sehen und viele wurden in ihrer Unerfahrenheit und in ihrer Verantwortung von ihr überrascht.
    Es waren viele Entscheidungen in kürzester Zeit zu treffen ohne genau zu wissen, wie die Katastrophe ausartet. Im Nachhinein lässt sich sehr leicht kritisieren. Verantwortung übernehmen ist weitaus schwieriger.
    Unbekannt ist auch, was wäre in der Unterstadt geschehen, wenn andere Entscheidungen getroffen worden wären.
    Eine Studie hat ergeben, dass die Hill mehr Schaden angerichtet hat, als die Weser. Die Hill hat keine Talsperre. Auch im Ahrtal sind m.W. keine Talsperren.
    Hinzu kam ja noch, dass der trockene Boden damals kein Wasser aufnahm.

    • 9102Anoroc

      @ – Beobachter 12:36

      Ihr Versuch war nicht schlecht , aber teils misslungen.
      Denn , die eigentliche Katastrophe ist dadurch entstanden , dass man alle Wettervorhersagen ignoriert hatte und als es zu spät war , den Bau
      – Talsperre – selbst, schützen musste !
      Da blieb eben nichts mehr anderes übrig , als die Unterstadt zu überfluten .
      Das war natürlich immer noch besser , als einen Bruch des Damms zu riskieren.
      Die Hill hat auch dazu beigetragen , 1+1 ist eben immer noch zwei.
      Das Ganze hätte aber verhindert werden können , Wenn man Wetterdaten nicht einfach ignoriert hätte.
      Und wenn sich zu viele Köche um eine Sache kümmern , die sich nicht einig werden und so den Brei verdorben haben , dann kann man sich hinterher noch so bemühen , der Brei wird Ihnen trotzdem nicht schmecken.
      Das komische an der ganzen Geschichte ist doch, dass ich sogar als Laie , persönlich gedacht habe, dass diese Wetterdaten , Tage zuvor wohl fehlerhaft sind.
      Also Betreiber oder verantwortlicher einer Talsperre, müssen aber bei den betreffenden Verantwortlichen alle Alarmglocken läuten und Rücksprachen halten, mit Leuten die den Medien diese Wetterdaten zur Verfügung gestellt hatten.
      In Deutschland ist auch von den Meteorologen beklagt worden , dass man von politischer Seite , jegliche Warnungen ignoriert hatte.
      Bei uns wird das wohl auch nicht anders gewesen sein und mittlerweile warnte man ja vor jedem Wölkchen , was es früher nie gegeben hatte , um nachträglich das schlechte Gewissen zu beruhigen.

      • Tatsache!

        @Beobachter!, in einigem haben Sie Recht, jedoch lange nicht in allem. Dass z Bspl der Boden hart war, dass wusste jedes Kind, selbst das musste einem Minister auch klar sein, jedoch die Sache mit dem Wasser ablassen, eine der wichtigsten Taten, dass war dem guten Mann sicher nicht klar, denen in Robertville und Bütgenbach aber sehr wohl, von wegen Halbvoll!? Und auch die vielen Warnungen im Vorfeld mussten dem Herrn nicht entgangen sein?! Vieles kommt einem irgendwie „bekannt“ vor, nämlich Schludderei.

  4. Wenn soviele Milliarden für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt worden? Haben Sie Herr Pitz Ihren Betrieb davon wiederaufbauen können? Warum gibt es nicht einen ostbelgischen Solidaritätsfond, wovon die Opfer entschädigt werden?
    Von Mitgefühl hat niemand etwas.

    • meinemeinungdazu

      Das, was Frau Kelleter an Details wohlweislich verschweigt, erfahren wir von Frau Mauel. Sie enttarnt Frau Kelleter und eifrigen Beschützer von Minister Henry.
      Allerdings hätte ich mir gewünscht, Frau Mauel hätte im Wallonischen Parlament den Rücktritt vom Minister gefordert. Aber alleine auf die Weitsicht und moralische Verpflichtung des Ministers zu hoffen war falsch. Dieser Ecolo-Minister muss schon ganz heftig getreten werden ansonsten bleibt der trotz Lügen, an seinem Ministersessel „kleben“.

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