Politik

Vivant an Antoniadis: Noch Sprachbarrieren für deutschsprachige Belgier beim Notrufsystem 112

Die Leitstelle einer Notrufzentrale. Foto: Marc Müller/dpa

Die Vivant-Fraktion sieht nach wie vor Handlungsbedarf bei der Respektierung der deutschen Sprache im Notrufsystem 112. Michael Balter, Alain Mertes und Diana Stiel berichten über einen „besorgniserregenden Vorfall“.

Folgendes hat sich laut Vivant zugetragen: „Eine Bürgerin aus der Eifel schilderte uns, wie sie in einer Notsituation die Notrufnummer 112 wählte, nachdem sie in ihrem eigenen Haus überfallen wurde. Nach Auswahl der deutschen Sprache im Menü erhielt sie sonderbarerweise nicht nur eine automatische Ansage in Französisch „restez en ligne“ (Deutsch: Bleiben Sie in der Leitung), nein, der folgende Ansprechpartner sprach ausschließlich Französisch. Die Frage nach einem deutschsprachigen Mitarbeiter wurde verneint, da gerade niemand im Haus sei. Dies führte zu Verständigungsschwierigkeiten.“

Orts- und Straßennamen mussten buchstabiert werden mussten, weil frankophone Mitarbeiter diese oft nicht verstehen. Das Telefonat dauerte insgesamt 5 Minuten und 9 Sekunden, was für das Opfer eines Überfalls unendlich lang erscheint und in Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, laut Vivant „absolut inakzeptabel ist“.

Notruf 112: Jede Minute zählt. Foto: Shutterstock

Daraus ergeben sich für die drei Abgeordneten Balter, Mertes und Stiel Fragen an den zuständigen DG-Minister Antonios Antoniadis (SP), der noch im März 2020 im Rahmen der Regierungskontrolle erklärt hatte, bis dato sei scheinbar kein signifikantes Feedback aus der Bevölkerung bezüglich Sprachproblemen in Verbindung mit dem Gebrauch der deutschen Sprache beim Notrufsystem 112 gemeldet worden. Vivant fragt Antoniadis:

– Wurde der 112-Dienst im Hinblick auf die Verwendung der deutschen Sprache weiter evaluiert? Wenn ja, was sind die Ergebnisse? Wenn nein, warum nicht?

– Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um eine reibungslose Kommunikation in der bevorzugten Sprache in Notsituationen zu gewährleisten?

„Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unser Notrufsystem so gestaltet ist, dass es in jeder Landessprache effektiv funktioniert und den Bedürfnissen unserer Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Wir erwarten, dass Minister Antoniadis die erforderlichen Schritte unternimmt, um die Situation zu verbessern und sich für die Achtung der sprachlichen Vielfalt in unserem Land einsetzt“, so Balter, Mertes und Stiel.

Die Vivant-Fraktion: Diana Stiel, Alain Mertes und Michael Balter (v.l.n.r.). Foto: Gerd Comouth

Weiter heißt es in der Pressemitteilung von Vivant: „Die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien sieht sich, auch nach 50 Jahren Autonomie, mit einem wachsenden Problem konfrontiert: Viele Dienstleister in Belgien bieten ihren Service nicht in deutscher Sprache an und verfügen nicht über deutschsprachiges Personal. Dies betrifft unterschiedliche Bereiche, Energieversorger, Banken, Telefon- und Internetanbieter sowie das Gesundheitswesen. Die zuständigen Minister inszenieren ihre diesbezüglichen Forderungen zwar öffentlichkeitswirksam, aber es bleibt noch einiges im Argen.“

Sehr besorgniserregend ist laut Vivant, dass selbst die Notrufnummer in Belgien nicht ständig mit deutschsprachigen Mitarbeitern besetzt ist. „Leider fehlt es oft an deutschsprachigem Personal, das Notrufe entgegennehmen kann. Im Notfall ist es jedoch essenziell, dass professionelle Helfer wie Rettungsdienste, Feuerwehr oder Polizei schnell alarmiert werden können. Die deutschsprachigen Belgier haben, genau wie alle anderen Bürger dieses Landes das Recht, in der eigenen Muttersprache bedient zu werden.“

Die drei Vivant-Abgeordneten bitten die politisch Verantwortlichen, alle Anbieter aufzufordern, ihren Service in deutscher Sprache anzubieten und sicherzustellen, dass die Notrufnummer rund um die Uhr mit deutschsprachigem Personal besetzt ist.

„Die Sicherheit und das Wohlergehen der deutschsprachigen Bürger in Belgien dürfen nicht vernachlässigt werden. Minister Antoniadis selbst hat dies in den letzten Jahren immer wieder betont. Die Vivant-Fraktion hofft auf positive Reaktionen seitens der Anbieter und der Politik, um dieses Problem schnell anzugehen und zu lösen“, heißt es abschließend. (cre)

43 Antworten auf “Vivant an Antoniadis: Noch Sprachbarrieren für deutschsprachige Belgier beim Notrufsystem 112”

  1. Eifel_er

    Never Ending Story würde ich mal sagen.
    Und das ganze wird sich nie klären, weil unsere Politiker null „Sagen“ haben.
    Es wird immer mitgeschwommen, aber auf dem Tisch kann keiner von denen klopfen.
    Peinlich, einfach nur peinlich

  2. Als man den Leuten in der Eifel die Kohle aus den Taschen gezogen hat, spielte die Sprache auch keine Rolle! Übrigens ist jetzt rausgekommen, das eine Reihe von Vivant Politikern daran beteiligt waren!

  3. Antonnix Zustännix

    Wir haben soviel Gesundheitsminister, da wissen die leider selbst nicht mehr, wer dafür zuständig ist. Und falls es einer wissen sollte, dass er selbst dafür zuständig ist, wird er es wohl auf einen anderen schieben.

  4. Subjektiv

    Ist mir vor ungefähr einem Jahr auch passiert. Wollte am Wochenende den Krankenwagen rufen und wurde dann nur auf französisch befragt. War jetzt kein Problem weil ich auch französisch spreche, wenn man aber bedenkt wie stolz unsere Politiker immer wieder darauf hinweisen was Sie alles schon für uns erreicht haben in Bezug auf unserer deutschen Sprache. Einfach nur jämmerlich!

  5. Deutschlehrer

    VIVANT ist kein deutsches Wort. Vivant ist Französisch und heißt „lebend“. In Wirklichkeit ist der Name für Vivant allerdings ein Akronym in Flämisch und bedeutet: Voor Individuele Vrijheid en Arbeid in een Nieuwe Toekomst (Für individuelle Freiheit und Arbeit in einer neuen Zukunft). Eine Partei in Ostbelgien mit einem französischen Namen, bestehend aus flämischen Abkürzungen. Wie beim Dienst 112. Deutsch scheint nebensächlich.

  6. Goodbye Belgien

    Dann probiert einfach einmal auf einem Konto von BPOST mit der deutschen Sprache weiterzukommen ! Viel Spaß! Und das ist schon ein Unternehmen des belgischen Staates.Da müsste man eigentlich wissen daß es in Belgien DREI Landessprachen gibt !! Aber zum Glück werden die Bankgeschäfte von BPOST ja bald von BNP PARIBAS übernommen. Deshalb kann man ja weiter hoffen !!

  7. Eigene Erfahrung: ist noch nicht mal lange her, Notfall bei mir zu Hause : 112 – keiner konnte deutsch, “ pas de collègue disponible ! Glücklicherweise kann ich französisch. Der Krankenwagen kam aus Welkenraedt, dauerte fast15 Minuten. bei einem ganz schweren Notfall sowieso viel zu spät. Die Sanitäter waren freundlich und kompetent aber sprachen kein Wort deutsch. Ich musste alles übersetzen. Herr Anton sie grinsender Kobold ????? Sie erzählen nur Geschichten aber sie bekommen nichts auf die Reihe …….

  8. Das Problem ist nicht bei der Politik alleine zu suchen.
    Es gibt einfach nicht genug deutschsprachige, die diesen Job machen wollen.
    Höchstwahrscheinlich schlecht bezahlt, Schichtdienst, Wochenenddienst.
    Jeder der etwas besseres findet, als bei der Notrufzentral zu arbeiten, fängt doch erst gar nicht dort an.
    Will man das Problem definitiv lösen, dann geht das nur über eine seriöses Gehalt und Extra Zuschüsse.
    So ist die Marktwirtschaft nun mal.
    Es gibt noch genug andere Beispiel, wo Betrieb, Behörden usw. keine deutschsprachigen Mitarbeiter finden.

    • Barbara Eupen

      Auszug aus dem Königlichen Erlass vom 17. Oktober 2011,
      Artikel 1 – Es gibt ein 112-Zentrum pro Provinz und im Verwaltungsbezirk Brüssel-Hauptstadt, vorbehaltlich einer anders lautenden gemeinsamen Entscheidung des Ministers des Innern und des Ministers der Volksgesundheit nach Stellungnahme der Agentur 112.

      ​Arbeitsweise und tägliche Geschäftsführung der 112-Zentren fallen in die Zuständigkeit des Ministers des Innern, der den Minister der Volksgesundheit nach den Regeln, die sie gemeinsam festlegen, an der Verwaltung des Calltakings und der Einsatzleitung hinsichtlich der Anrufe für die dringende medizinische Hilfe und an der Verwaltung des betreffenden Personals beteiligt.

    • 9102Anoroc

      @ – Walter Keutgen 13:43

      Sind die Örtlichen Feuerwehrzentralen denn auch immer besetzt ?
      bzw , befindet sich z.B auch nachts vor Ort jemand?
      Eupens Polizei wäre ja noch eine Alternative.

      Aber bei jeder Umleitung von Gesprächen , geht natürlich auch wieder wertvolle Zeit verloren.
      Vermutlich hat @ – Ike recht .
      Zusammengefasst könnte man es auch vielleicht so beschreiben.
      Wie so oft und auch in anderen Bereichen , gibt es keinen Personalmangel , sondern lediglich ;
      zahlungsmangel.

  9. der heilige josef

    Auch die Einschränkung beim Izom Verfahren seit 2017 benachteiligt ganz massiv die deutschsprachigen Belgier, hier geht es auch um Leben und Tod, gerade bei komplizierten Krankheitsbildern. Die freie Arztwahl ist eigentlich ein Grundrecht vor allem in einem gemeinsamen Europa. Die Bürger hätten sich ganz massiv mit der örtlichen Politik wehren sollen, schließlich will man eine EU für Alle und nicht nur für Banken und Konzerne.

  10. Krisenmanagement

    Es ist ein Armutszeugnis für den Belgischen Staat . Es gibt 9 Gesundheitsminister, aber einen Notruf absetzen in der eigenen anerkannten Sprache funktioniert nicht. Was sagt das über die Effektivität des Belgischen Systems aus? Ausserdem scheinen unsere unsere gut bezahlten Minister ihren Pflichten nicht nach zu kommen. Warum wird nicht in Eupen ein Ausbildungslehrgang eingerichtet wird für Sprachbegabte Mitbürger, die in den Notrufzentralen arbeiten wollen. Vielleicht sollte die Initiative aus den Ministerien in Eupen kommen? Aber was können wir von Antonjanix, Paasch, Weykmans, Klinkenberg überhaupt erwarten? Die Erfahrung bei den Anrufen in der Notrufzentralen sind doch immer die gleichen . Deutschsprachige Mitarbeiter sind nicht in den Notrufzentralen.

  11. Hallo
    so was von war 🙏🏼.
    damit ist Belgien nicht ein Schritt voraus, sondern 5 Generationen zurück gegangen…..
    Bitte Bitte Bitte versuchen doch wieder auf EU Ergebnisse von Izom zu kommen.
    denn für verschiedene Krankheiten muss man sowieso nach Deutschland oder Niederlande.
    Entbindung Station gibt es auch nicht mehr in Eupen…. oder wohl wieder….?
    viele Grüße und bleibt gesund !

  12. Peter Müller

    Die Unfähigkeit spiegelt sich schon wieder in der Sperrung der Innenstadt wieder. Nur noch Klötzerbahn gesperrt, warum? Marktplatz nicht mehr. Hat man sich dem Druck vom Eismann gebeugt, dem angeblich 30% Einnahmen dadurch durch die Lappen ging. ? Entweder alles oder nichts.

  13. In der DG spricht man kein DEUTSCH, sondern OSTBELGISCH.

    Und im Notrufsystem hatte ich noch nie Probleme wegen der deutschen Sprache.

    Probleme gibt es mit der Sprache, bei Ores, Dienst für Selbstbestimmtes Leben, Justiz, Minister und Gemeinde UND Krankenhaus.

    Ärzte die weder der Deutschen, noch der Französischen oder der Flämischen Sprache mächtig sind, behandeln Menschen und können den Patienten nicht aufklären oder erklären was los ist. Soetwas nennt man FAHRLÄSSIG !

    Und Sorry, Minister die selbst der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, meckern darüber !

  14. Die Notrufzentralen 112 und 101 werden vom Innenministerium verwaltet. Dort wurden in den letzten Jahren einige deutschsprachige Mitarbeiter eingestellt. Sie würden noch mehr Leute einstellen, wenn sich denn deutschsprachige Mitarbeiter bewerben würden. Dabei ist zu sagen dass diese Mitarbeiter perfekt zweisprachig sein müssen da sie auch Anrufe in französischer Sprache annehmen müssen. Da sitzen pro Schicht keine 100 Mann wenn es hoch kommt (in guten Zeiten) dann sitzt da eine Hand voll Personal, die alle immer nur einen Anruf gleichzeitig annehmen können. Leider verstehen auch manche Bürger nicht was NOTRUFNUMMER bedeutet, die rufen dort an um irgendwelche belanglosen Informationen zu erhalten, wobei es sich keineswegs um einen Notruf geht. Noch besser sind die, die dort anrufen weil sich z.B. über ein Protokoll geärgert haben und dann die dort diensttuenden Mitarbeiter zu beleidigen. Wenn dann jemand anruft wegen eines Notfalls ist der deutschsprachige Mitarbeiter gerade damit beschäftigt Informationen, belangloser Art, zu erteilen. Im Notfall können auch Gespräche für die Polizei an den Posten in Eupen durchgestellt werden. Dann schimpfen die Anrufer dass Ihnen Fragen gestellt werden und es deshalb zu lange dauern würde. Auch dass ist falsch, die Rettungskräfte werden unmittelbar benachrichtigt und sind schon unterwegs wenn der Zentralist ihnen noch Fragen stellt. Manche schauen ein bisschen zu viel Fernsehen.

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