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40 Jahre „Amoco Cadiz“: „Eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß“

16.03.1978, Brest: Der unter liberianischer Flagge fahrende Großtanker "Amoco Cadiz" ist auf Grund gelaufen und auseinandergebrochen. Foto: -/Lehtikuva Oy/dpa

Der 16. März 1978 bleibt bis heute ein schwarzer Tag für die Bretagne. Der Supertanker „Amoco Cadiz“ läuft auf Grund. Rohöl verseucht die Küste auf einer Länge von 360 Kilometern.

Über die Bretagne fegt ein Nordweststurm der Stärke 10 hinweg, auf dem Meer türmen sich Wellen bis zu 15 Meter hoch. Der unter liberianischer Billigflagge fahrende Supertanker „Amoco Cadiz“ schlägt auf den Felsen Men Gaulven unweit des Fischerdorfes Portsall, etwa 30 Kilometer nordwestlich der Hafenstadt Brest.

01.04.1978, Frankreich, Portsall: Der unter liberianischer Flagge fahrende Grofltanker „Amoco Cadiz“ ist auf Grund gelaufen und auseinandergebrochen. Foto: Jean-Pierre Prevel/AFP/dpa

Dramatische Rettungsversuche waren zuvor erfolglos geblieben. Der deutsche Hochseeschlepper „Pacific“ war zur Hilfe gekommen. Doch eine Stahltrosse riss. Hubschrauber bargen die Besatzung des Tankers, bevor er auseinanderbrach.

Nach der Havarie am 16. März 1978 folgte ein Umwelt-Desaster, die folgenschwerste Ölkatastrophe in Europa. Mehr als 223.000 Tonnen leichtes Rohöl verpesteten Strände und Felsen auf einer Länge von 360 Kilometern. Der Ölteppich war knapp so groß wie das Saarland, unter anderem starben Vögel, Fische und Muscheln. „Eine Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß“ – so und ähnlich lauteten damals die Schlagzeilen.

Die Bretagne in der Nordwestecke Frankreichs hatte damals Glück im Unglück. Eine günstige Strömung, hohe Wellen und milde Temperaturen trugen dazu bei, dass sich das Rohöl im Wasser schnell abbaute.

Doku-Film „Die Jahrhundert-Ölpest“

An Land arbeiteten Tausende Helfer daran, Felsen und Strände vom klebrigem Öl zu befreien. Bereits ein gutes Jahr später waren die Strände der Region zumindest oberflächlich wieder so sauber, dass sie Touristen anlockten.

Der Rechtsstreit um den Schadenersatz endete erst 14 Jahre nach der Katastrophe. Im Januar 1992 wurde der US-Ölkonzern Amoco dazu verurteilt, insgesamt 195 Millionen Euro an die betroffenen Gemeinden und den französischen Staat zu zahlen.

Kann sich eine Katastrophe à la „Amoco Cadiz“ 40 Jahre später wiederholen? Nein, antwortet der für den Atlantik zuständige Vertreter des französischen Staates, Emmanuel de Oliveira. Mittlerweile gebe es einen eigenen Hochseeschlepper, außerdem habe man die Entscheidungsabläufe zwischen zivilen und militärischen Stellen vereinfacht, sagte der Seeoffizier der Nachrichtenagentur AFP.

März 1978: Freiwillige Helfer bei Aufräumarbeiten am Strand nach der Havarie des unter liberianischer Flagge fahrenden Großtankers „Amoco Cadiz“. Foto: –/Lehtikuva Oy/dpa

„Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich das betroffene Gebiet von den Folgen der ‚Amoco-Cadiz‘-Katastrophe inzwischen erholt hat“, resümiert Jörg Feddern, Meeresbiologe bei Greenpeace Deutschland. „In den meisten Fällen haben die Tankerkatastrophen verheerende Auswirkungen auf die betroffenen Ökosysteme. Sichtbarste Zeichen sind die mit Öl verschmierten Vögel, denen in den allermeisten Fällen ein qualvoller Tod droht.“

Aber auch im Wasser oder auf dem Meeresboden richte Öl schwere Schäden an. Es dauere Jahre bis Jahrzehnte, bis sich diese Ökosysteme von dem Giftstoff wieder erholten, so der Experte.

Beim Tourismus in der Bretagne spielt inzwischen auch das Wrack der „Amoco Cadiz“ eine Rolle. Denn es zieht Tauchbegeisterte an. Ludovic Granier, Inhaber der Tauchschule „Aber Wrac’h Plongée“, führt nach eigenen Angaben jährlich etwa 500 Taucher zu dem 334 Meter langen Wrack, das ihn und seine Kunden besonders wegen seiner Größe beeindruckt. Vom Öl sei nichts mehr zu sehen, meint er.

Die Gemeinde Ploudalmézeau, zu der Portsall zählt, plant am Vorabend des Jahrestages eine Gedenkfeier. Auf dem Programm steht auch die Vorführung eines Dokumentarfilms über das Unglück: „Amoco Cadiz: Die Jahrhundert-Ölpest“.

Schwere Ölkatastrophen im Meer

Das Unglück des Tankers „Amoco Cadiz“ gilt als folgenschwerste Ölkatastrophe in Europa. Doch auch andere Havarien haben die Umwelt massiv verseucht:

  • „Deepwater Horizon“: Die Explosion der vom BP-Konzern geleasten Bohrinsel löst im April 2010 die bislang größte Umweltkatastrophe dieser Art aus. Aus einem Leck sprudelt Erdöl in den Golf von Mexiko – Schätzungen reichen bis 700.000 Tonnen. Erst nach fünf Monaten gilt die Quelle offiziell als verschlossen. Mehr als 1.000 Kilometer Küste werden verschmutzt. Hunderttausende Tiere wie Meeressäuger, Fische, Vögel und Schildkröten sterben. BP einigt sich mit der US-Regierung und mehreren US-Staaten auf Zahlung von fast 21 Milliarden Dollar.
  • „Ixtoc I“: Im Juni 1979 kommt es auf der Bohrinsel des Konzerns Pemex zu einem Ölausbruch, samt Explosion und anschließendem Brand. Knapp 300 Tage lang fließen nach Schätzungen mindestens eine halbe Million Tonnen Öl in den Golf von Mexiko vor der Halbinsel Yucatán. Ein geringer Teil erreicht die Küsten. Besonders leiden Fischerei und Garnelenzucht.
  • „Atlantic Empress“: Im Juli 1979 kollidieren vor der Karibik-Insel Tobago zwei Öltanker und geraten in Brand. Das Feuer auf der „Aegean Captain“ wird, die brennende „Atlantic Empress“ wird aufs offene Meer gezogen. Nach einer Explosion treten 287.000 Tonnen Rohöl aus. Küsten bleiben weitgehend verschont.
  • „Prestige“: Der Tanker havariert im November 2002 vor der spanischen Küste und sinkt Tage später. Rund 63.000 Tonnen Schweröl gelangen ins Meer, die Atlantikküste wird über Hunderte Kilometer mit giftigem Ölschlamm verseucht. Bis zu 230.000 Seevögel verenden. 15 Jahre später werden Spanien, Frankreich und der Region Galicien insgesamt 1,6 Milliarden Euro Entschädigung zugesprochen.
  • „Exxon Valdez“: Der Supertanker läuft im März 1989 vor der Südküste von Alaska auf ein Riff. Rund 37.000 Tonnen Rohöl schädigen mehr als 2.000 Kilometer Küste. Hunderttausende Seevögel sterben, auch Otter, Robben und Wale. Nach langem Rechtsstreit muss der Ölmulti Exxon mehr als vier Milliarden Dollar für Säuberungen, Schadenersatz und Geldbußen zahlen.
  • „Pallas“: Ende Oktober 1998 strandet der brennende Holzfrachter vor der Nordseeinsel Amrum und verursacht die bisher schwerste Ölpest an der deutschen Küste. Knapp 100 Tonnen Schweröl gelangen ins Wattenmeer. Rund 16.000 Seevögel verenden. (dpa)

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