Gesellschaft

Vor 30 Jahren starb König Baudouin – Für die einen war er ein „Heiliger“, für andere ein „Verweigerer“

Königin Fabiola und ihr Mann König Baudouin I. im Mai 1971 im Nationaltheater in München während ihres Deutschland-Besuchs. Vor 30 Jahren, am 31.7.1993, starb der belgische König Baudouin I. in seiner spanischen Sommerresidenz Motril an Herzversagen. Foto: pictures alliance / dpa

Viele Belgier bekamen die Nachricht in ihrem Ferienort mit: Vor 30 Jahren, am 31. Juli 1993, starb König Baudouin an seinem Urlaubsdomizil Motril in Spanien an Herzversagen. Das plötzliche Ableben des Monarchen, der beliebt war wie kein anderer König zuvor und auch danach, stürzte Belgien in eine tiefe Trauer.

Auch viele Ostbelgier sind in jenen Tagen des Sommers 1993 nach Brüssel gefahren und haben dort Stunden in der sengenden Hitze gewartet, um persönlich vom Staatsoberhaupt Abschied zu nehmen. Es waren Augenblicke großer Emotion, denn sehr viele Belgier hatten bis dahin keinen anderen König gekannt. Baudouin I. war demnach ein Teil ihres bisherigen Lebens.

31.07.2021, Spanien, Motril: Das Denkmal zu Ehren des belgischen Königs Baudouin vor der Villa Astrida in Motril, wo der Monarch am 31. Juli 1993 verstarb. Foto: Belga

Mehr als 40 Jahre dauerte die Regentschaft Baudouins. Am 17. Juli 1951 hatte er als Nachfolger seines im Zuge der sogenannten „Königsfrage“ abgetretenen Vaters Leopold III. seinen Eid auf die Verfassung geleistet und war der 5. König der Belgier geworden.

Baudouin war sehr religiös, deshalb weigerte er sich 1990, ein Gesetz zur Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes zu unterzeichnen. Diese Unterzeichnung ist notwendig, damit ein Gesetz rechtskräftig werden kann. Die Regierung erklärte Baudouin deshalb am 4. April 1990 für regierungsunfähig. Für diesen Fall sieht die belgische Verfassung vor, dass die gesamte Regierung die Funktion des Staatsoberhauptes übernimmt. Nachdem alle Regierungsmitglieder das Gesetz unterzeichnet hatten, erklärte die Regierung am nächsten Tag, dem 5. April 1990, Baudouin wieder für regierungsfähig.

Seit Mai 2000 steht zu Ehren von König Baudouin vor dem ehemaligen Schwesternheim am Rotenberg in Eupen diese bronzene Büste, die vom Künstler Gregor Hoffmann entworfen und in Anwesenheit von Königin Fabiola eingeweiht wurde. Foto: OD

Baudouins Weigerung löste damals zahlreiche Diskussionen aus. Für die einen wurde der Monarch dadurch erst recht ein Idol, wenn nicht sogar „ein Heiliger“. Bei anderen hingegen hat sich der König viele Sympathien verscherzt. Für sie war er von da an „ein Verweigerer“.

Ein unrühmliches Kapitel in den 42 Jahren als Staatsoberhaupt stellt die Kongo-Krise dar. Eine im Jahre 2002 einberufene Fachkommission des Parlaments untersuchte die Ereignisse um die Ermordung des ersten kongolesischen Ministerpräsidenten Patrice E. Lumumba im Januar 1961. Die Demokratische Republik Kongo war am 30. Juni 1960 in die Unabhängigkeit entlassen worden.

In ihrem Schlussbericht kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass König Baudouin von den Plänen zur Ermordung Lumumbas wusste. Fest steht, dass die Regierung in Brüssel die Lumumba feindlich gesinnten Kräfte im Kongo logistisch, finanziell und militärisch unterstützte. Ein Großteil der Schuld wird unmittelbar König Baudouin zugeschrieben, der unter Umgehung der politischen Instanzen seine eigene postkoloniale Politik betrieben haben soll.

König Baudouin heiratete am 15. Dezember 1960 Doña Fabiola Fernanda María de las Victorias Antonia Adelaida de Mora y Aragón (geboren am 11. Juni 1928 in Spanien). Die Ehe mit Königin Fabiola blieb kinderlos, weswegen nach Baudouins Ableben 1993 sein Bruder Albert König wurde. Prinz Philippe hielt man damals offenbar noch für zu jung, um Staatsoberhaupt zu werden. (cre)

19 Antworten auf “Vor 30 Jahren starb König Baudouin – Für die einen war er ein „Heiliger“, für andere ein „Verweigerer“”

  1. Freddy Derwahl

    König Baudouin war kein Verweigerer sondern ein Ehrenmann, der sich mutig seinem Gewissen nicht verweigerte. Er hat diesem kleinlich zerstrittenen Land seine Würde zurückgegeben. „Heilige“ Monarchen gab es nur im Mittelalter. Mit dem Schwert statt mit dem Kreuz. König Baudouin war jedoch vor allem ein verborgener Beter. Demütig und gütig. Einsam jedoch den Menschen nahe. Hunderttausende haben es ihm nach seinem plötzlichen Tod gedankt. Auch Andersdenkende und der Kirche Fernstehende. Unvergesslich beim Requiem das weisse Kleid der Königin und der Sozialist François Mitterand hinter seinem Sarg. Grosse Gesten und starke Symbole in einer abstürzenden Welt.

    • Einstein

      Lesen Sie eigentlich den Artikel bevor Sie hier sowas schreibem?
      Oben steht, dass eine Kommission nachgewiesen hat, dass er zumindest Mitwisser eines politischen Mordes war, und Sie reden von einem Ehrenmann?

  2. Kevin Giebels

    Die Aktion, Baudouin einen Tag für Regierungsunfähig zu erklären um das Gesetz durchzuwinken ist ja später für Verfassungswidrig erklärt worden.
    Eigentlich eine Schweinerei, dass das Gesetz nicht aufgehoben wurde.
    In Frieden soll er ruhen, der gute Mann.

  3. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Gut, dass Boudouins Rolle in die Ermordung Lumumbas erwähnt wird. Für mich ist es widersprüchlich, daß er die Ermordung irgendwie unterstützt hat und andererseits das Abtreibungsgesetz nicht unterschrieben hat.

    • Einstein

      Ungeborene belgische Kinder waren ihm eben wertvoller oder schützenswerter als ein kongolesischer Politiker. So rassistisch war er aber nicht alleine, das war damals leider noch viel üblicher als heute.

      • Der damals gerade mal 31-Jährige hat wohl kaum etwas gegen die das Land führenden Politiker unternehmen können. Ihm dann 10 Jahre nach seinem Tod etwas in die Schuhe zu schieben, war natürlich einfach…

        • Marcel Scholzen eimerscheid

          Gibt es Hinweise oder gar Beweise, die den parlamentarischen Bericht widerlegen ?

          Man sollte bedenken, der belgische König ist Teil des Machtapparats und muss eine Rolle spielen. Er ist kein neutrales Etwas oder nur ein Grüß- August. Er ist auch keine unschuldige Muttergottes.

    • Alfons van Compernolle

      Ich bin kein K-Experte ! Habe betr. Koenig Baudouin so meine Zweifel !
      Im Gegensatz zur heutigen koeniglichen Familie ! In Koenig Filip haben wir ein Staatsoberhaupt , mit Karakter und Verstand ! Koenig Filip , wuerde ich mehr als Ersten Buerger dieses kleinen und so historie reichen Landes sehen . Das „ER“ nun durch Erbe / Trohnuebernahme zum Koenig geworden ist,
      macht ihn nicht zum schlechten , volksfernen Menschen. Wie mehrfach gesagt ueber die Kosten der Monarchi kann man reden , muss man Reden , aber mit Koenig Filip als Staatsoberhaupt , haben wir ein echt gutes und respektables Staatsoberhaupt bekommen.

      • Im Zweifel für den Angeklagten 😉, wobei man über 30 Jahre Zeit gehabt hätte, um diesem einzigartigen Menschen etwas vorzuwerfen.
        Er hat mit 21 Jahren sein Leben und seine Zukunft unserem Land gewidmet und das war wahrlich keine einfache Zeit.

  4. Gottlieb

    Nur dies: Wer an Parlamentskommissionen glaubt, hat viele Gelegenheiten von diesem Glauben abzufallen, den hier herrschte, vor allem in den unstabilen Nachkriegsjahren, das fatale Regime der parteipolitischen Opportunitäten, der Heimzahlungen auf Kosten der Steuerzahler, der bequemen Majestätsbeleidigung und der Wählertäuschung. Der seriöse belgische Journalismus hat sich davon nicht irre machen lassen. Auch der lauteste Schreihals muss zunächst stichhaltige Beweise vorlegen.

    Herausragende Persönlichkeiten wie der Chrisdemokrat Pierre Wigny und der Sozialist Paul-Henri Spaak haben, von der freien Weltöffentlichkeit mit grosser Hochachtung honoriert, die Position Belgiens in der Kongo-Krise vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten. Wigny sich seiner Tränen nicht schämend, Spaak mit kühlem Kopf.

    Den jungen König Baudouin wegen der auf einem schlechten Gewissen begründeten Vermutungen ehemaliger blutverschmierter belgischer Kolonialisten oder Verdächtigungen eines mit Millionen Dollar skrupellos operierenden amerikanischen Geheimdienses, der Mitschuld an dem Mord an Patrice Lumumba zu bezichtigen, sind kindliche Auswüchse der Voreingenommenheit, die vor einer kritischen Wahrheitsfindung schnell zusammenbrechen. Aber, diese haben die Eigenart langwierig zu sein und als griffbereite Legendenbildung bei jeder bestmöglichen Gelegenheit mit Gift angerührt, von schlechtinformierten Nachgeborenen wieder aufgetischt zu werden. Dabei reicht schon der unbewiesene Verdacht zur Verurteilung mit Höchststrafe. In jedem menschenwürdigen Gericht der Welt ist das Gegenteil der Fall.

  5. Marcel Scholzen eimerscheid

    Ihre Art und Weise zu schreiben, erinnert mich an Freddy Derwahl…

    Fragen wir mal anders herum : Hat Baudouin sich für Lumumba eingesetzt ?

    Die Unabhängigkeit des Kongo war durch und durch Murks. Zu schnell und schlecht vorbereitet. Heutzutage hat Belgien praktisch keinen Einfluss mehr im Kongo. Und die Unabhängigkeit hat den Kongolesen nichts gebracht außer viel Leid. Da kann man durchaus die provokante Frage stellen, ob die Kolonialzeit nicht das kleinere Übel war.

    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Kongolesen bei den Verhandlungen zwar die Unabhängigkeit gefordert hatten, aber nicht damit gerechnet haben, diese auch zu bekommen. Sie wären schon zufrieden gewesen mit einem Autonomiestatut.

    Charles de Gaulle hatte mal sinngemäß gesagt, er gebe Algerien auch deswegen die Unabhängigkeit, weil sein Heimatort „colombey les deux eglises“ nicht einmal „colombey les deux mosquées“ heißen soll. Er hatte Angst um die nationale Identität Frankreichs. Wollte den moslemischen Einfluss begrenzen.

    • MSE, Ihr Vergleich hinkt gewaltig.
      Der jahrelange Krieg in Algerien, Franzosen gegen Franzosen, liess keine andere Möglichkeit zu.
      Die darauffolgende massive Auswanderung zur Metropole ist der Ursprung der heutigen Ausländerfeindlichkeit in Frankreich.

    • Gottlieb

      Hans, Sie erwähnen die Regenbogenpresse: Wer darin nicht vorkommt, hat sich nichts vorzuwerfen. Wie nützlich all die scheiternden oder korrupten demokratischen Staaten dieser Welt sind, vermag ein Regenbogen nicht zu beschönigen. Umso mehr wird in den Königshäusern herum geschnüffelt und nicht selten etwas erfunden. Die vielen Lieschen Müller sind scharf auf Skandale. Das schafft Millionen-Auflagen.

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