Gesellschaft, Kultur

Rat für Rechtschreibung tagte in Eupen: „Beim Gendern geht es nicht um orthografische, sondern um gesellschaftspolitische Diskussion“

Eine Frau hält einen Rechtschreib-Duden in den Händen. Foto: Tim Brakemeier/dpa

AKTUALISIERT – In Schulen, am Arbeitsplatz und in der Politik wird über das Gendern diskutiert. Wie sieht eine gerechte Schreibweise aus? Es bleibt auch nach einer Sitzung des Rates für deutsche Rechtschreibung am Freitag in Eupen schwierig.

Über das Thema Gendern mit Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen im Wortinneren – wie etwa bei „Schüler:innen“, „Schüler_innen“ oder „Schüler*innen“ – gibt es schon lange eine gesellschaftliche Debatte im deutschen Sprachraum.

Das Ganze ist längst politisch aufgeladen und kocht immer wieder hoch – in Schulen, am Küchentisch, am Arbeitsplatz. Im Alltag geht es um solche Fragen wie die, ob in der Schule Gendern als Fehler in einer Klausur gewertet wird.

13.07.2023, Berlin: Auf einem Schild wird gendergerecht eine Stylistin beziehungsweise ein Stylist gesucht. Foto: Jens Kalaene/dpa

An der ganzen Debatte wird sich vermutlich nach der neuesten Äußerung des Rates für deutsche Rechtschreibung nichts ändern. Wer sich eine eindeutige Positionierung erhofft hatte, die auf einen einfachen Nenner zu bringen ist, wurde enttäuscht.

Selbst in dem Gremium als wichtige Instanz für Rechtschreibung war die Sitzung zum geschlechtergerechten Schreiben sehr kontrovers, wie der Ratsvorsitzende Josef Lange am Freitag in Eupen danach berichtete. Der Rat kam auch deshalb zusammen, weil es im Vorfeld sehr viele Fragen von Behörden und Schulen gab, wie sie mit dem Thema Gendern umgehen sollen.

Ergebnis: Der Rat für deutsche Rechtschreibung stuft Genderzeichen im Wortinneren nicht als Kernbestand der deutschen Orthografie ein. Zugleich führt der Rat in einer neuen Ergänzung zum Thema Sonderzeichen das Gendern im Wortinneren – Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen – auf.

Ratsvorsitzender Lange sagte der Deutschen Presse-Agentur zur Einordnung, dass man damit das gesellschaftliche Phänomen an sich beschreiben wolle. Die Zeichen vermittelten „übersprachlich aufgeladen“, dass damit alle Geschlechtsidentitäten gemeint seien. Der Rat trage dem Rechnung, dass es das Phänomen in der Gesellschaft gebe und sich sprachhistorisch entwickele.

Flyer der Stadt Aachen über die gendergerechte Sprache in der Verwaltung.

Lange ergänzte zugleich: „Der Genderstern gehört nicht zum Kernbereich der deutschen Orthografie.“ Es seien also auch weiterhin keine regulären Zeichen. In der Folge könne es in einer Reihe von Fällen dazu führen, dass es grammatikalische Folgeprobleme gebe. Man müsse das Ganze weiter beobachten.

Weitere Handreichungen gab es nicht. Der Rat sieht seine künftige Arbeit aber besser systematisiert. Lange machte zudem aus seiner Sicht klar: Es handele sich beim Gendern nicht um eine orthografische, sondern um eine gesellschaftspolitische Diskussion. Die Spannungen könne man nicht mit orthografischen Mitteln auflösen. Die Orthografie sei lediglich ein Vehikel.

Die Aufgabe des Rates im Auftrag von staatlichen Stellen mehrerer Länder, die die deutsche Sprache verwenden, ist es, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auch mit Blick auf den Wandel der Sprache weiterzuentwickeln.

Der Rat will nun den staatlichen Stellen – in Deutschland sind die Kultusministerkonferenz und das Bundesinnenministerium beteiligt – vorschlagen, das Amtliche Regelwerk durch den Abschnitt Sonderzeichen zu ergänzen. Erst mit Billigung der staatlichen Stellen gibt es eine Bindungswirkung. Es folgt jetzt voraussichtlich zunächst ein Anhörungsverfahren, im Dezember könnte final beschlossen werden.

Die bisherigen Empfehlungen des Rates sind zugleich nicht aufgehoben, wie das Gremium mitteilte. Zuletzt hatte der Rat im Jahr 2021 empfohlen, Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt oder andere Formen zur Kennzeichnung von mehrgeschlechtlichen Bezeichnungen im Wortinneren zu diesem Zeitpunkt nicht in das Amtliche Regelwerk aufzunehmen. Jetzt wäre es auch weiterhin nicht regulär aufgenommen, aber als Phänomen in dem Bereich Sonderzeichen beschrieben. Zu seiner Empfehlung führte der Rat damals unter anderem aus, dass geschlechtergerechte Schreibweise nicht das Erlernen der geschriebenen deutschen Sprache erschweren dürfe.

Der Ratsvorsitzende fasste am Freitag weiter zusammen: Es sei eine politische Entscheidung, wie man Verwaltungstexte formuliert. Zum Thema Schulen: Es sei einheitliche Meinung im Rat, dass in der Grundschule die deutsche Normsprache erlernt werden müsse und dann könnte in höheren Schulstufen das differenzierter bewertet werden.

13.07.2023, Niedersachsen, Leer: Eine gendergerecht formulierte Stellenanzeige auf einem Banner der Deutschen Post. Foto: Lars Penning/dpa

Seit Jahren wird in Deutschland diskutiert, ob – und wenn ja, wie – die männlichen Formen in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden können oder sollten – um zum Beispiel Frauen offensiver einzubeziehen. Das Gendersternchen wie bei Lehrer*innen ist eine Möglichkeit. Manche setzen an die Stelle auch einen Doppelpunkt oder einen Unterstrich. In der gesprochenen Sprache und im Fernsehen oder Radio äußert sich das dann als Sprechpause.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – in dem Bundesland wird noch in diesem Jahr der Landtag gewählt – schloss noch vor dem Ende der Sitzung eine Pflicht zum Gendern in Bayern kategorisch aus. „Jeder soll es persönlich halten, wie er es will! Aber für Bayern gilt: Eine Pflicht zum Gendern wird es im Freistaat definitiv nicht geben…“, schrieb Söder am Freitag auf Twitter. Söder und die CSU machen seit geraumer Zeit Wahlkampf mit dem Thema.

Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich Politik und Medien: CDU-Chef Friedrich Merz positionierte sich auf einem CDU-Parteitag 2022 indirekt gegen das Gendern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und sagte: „Universitäten, meine Damen und Herren, und öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind keine Volkserziehungsanstalten.“ Von Senderseite wurde der Vorwurf zurückgewiesen.

Auch in der Wirtschaft und bei Gerichten ist das Thema Gendern längst angekommen. So beschäftigte sich zum Beispiel das Landgericht Ingolstadt im vergangenen Jahr mit einer Klage gegen einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache beim Autobauer Audi. (dpa)

37 Antworten auf “Rat für Rechtschreibung tagte in Eupen: „Beim Gendern geht es nicht um orthografische, sondern um gesellschaftspolitische Diskussion“”

  1. Wiedermal "verheizen" von Steuergeldern!

    Ich könnte mir vorstellen, dass mehr als 80% der Bevölkerung mit der Ausgabe „IHRER“ Steuergelder zu diesem Zweck nicht einverstanden ist!

    Wenn diese Gender-*_?innenspinner ein Problem haben, sollen sie einfach zwei Wörter ausschreiben – damit ist die Orthographie in Ordnung und die Steuergelder der „normalen“ Menschen werden nicht für einen solchen Minderheitenunsinn vergeudet!

    • besserwisser

      A propos geld rauswerfen, da können sie je Antoniadis fragen, er berät sie gerne bezüglich dieser sache.
      So nun haben wir schon 2 welche die steuergelder vergeuden, da lacht der dritte?

  2. Joseph Meyer

    Ehrlich gesagt: Es ist mir unverständlich, dass die Frauen diese „Verhunzung der Sprache zu Ungunsten der Frauen“ so stillschweigend mitmachen! Soll jetzt z.B. auch neben „der Mensch“, „die Menschin“ aus der Taufe gehoben werden?! Ja, es ist eine Unsitte sondergleichen die wirklich Niemand braucht, wodurch die Menschen nur wieder verunsichert werden, und vielleicht ist ja gerade das gewollt? Da kann man nur rufen: Hört auf damit und kommt zurück zur Vernunft!

  3. Krisenmanagerin

    Die Sprache der Dichter und Denker verkommt immer mehr. Diese Gendergagasprache verachtet uns Frauen. Die Dg Ministerien und die Frauenliga verwenden diesen Menschenverachtenden Quatsch schon. Es ist klar, dass die DG einfach nur mitläuft und nicht mal klare Kante zeigt.

  4. Glücklicherweise besuchen meine Kinder die französischsprachige Schule. Meine Kinder werden nicht die weibliche Vagina Bonusloch nennen. Gendern ist meiner Meinung nach Menschenverachtend, und gehört auf dem Müll…

  5. Ich bin deutschsprachige Belgierin und lebe seit lange im aussereuropäischen Ausland.
    Sämtliche Mitteilungen der belgischen Botschaft an mich erhalte ich lediglich in Französisch und Niederländisch.Wäre es nicht wichiger, sich um diese diskriminierende Tatsache zu kümmern?

  6. schlechtmensch

    Ich habe von keiner Rechtschreibreform gehört. Man sollte die Bürger fragen und die sind mit 80-90% dagegen. Das braucht kein Mensch. Ich werde meinen Kindern das so beibringen wie es richtig ist und war. Man sollte nicht immer mehr dazu übergehen dass Minderheiten über die Mehrheit bestimmen.

  7. Professor

    Die Rechtschreibreform in den 90er Jahren war schon schlimm genug. Danach kam die Reform der Reform und es wurde schlimmer. Zu den Anglizismen kommt nun auch noch der Genderunfug auf uns zu. Da Sprache lebendig bleiben soll, reicht es völlig aus, dass der DUDEN jedes Jahr neue Wörter aufnimmt, aber das Gendern als grammatische Regel gehört nicht dazu. Wer gendert, hat ein Persönlichkeitsdefizit, weil er sich den andern gegenüber überlegen fühlt. Deshalb: wer gendert, ist kein Heilsbringer!!! Im Gegenteil.

  8. Mir hat noch niemand plausibel erklären können wie eventuelle strukturelle Nachteile von Frauen durch die Verwendung von Gendersternchen verschwinden sollen. Hat irgendwo eine Mitarbeiter*In 🤦‍♂️ bessere Verdienstmöglichkeiten weil sie jetzt kein Mitarbeiter mehr ist? Ist die Transfrau mit Penis in der Umkleide ein gesellschaftlicher Fortschritt für die Frauen? Dennoch sind es hauptsächlich Frauen welche diesen Irrsinn voran treiben… Ich kann es nicht nachvollziehen, beim besten Willen nicht.

    • Willi Müller

      Mir hat noch niemand plausibel erklären können, warum hauptsächlich Frauen Migranten willkommen heißen, die Frauen als minderwertig ansehen, sie schlagen und bestrafen dürfen und ihnen sinnlose Stoffverkleidungen aufdrängen unter Androhung von Gewalt.
      Besonders die Grüninnen sind da ganz groß drin.

  9. Robin Wood

    Ich las in einem anderen Forum:
    „Es gibt keine Schwulenrechte, Transrechte, Minderheitenrechte oder Frauenrechte.
    Es gibt nur Menschenrechte!
    Entweder haben wir alle die gleichen Rechte oder wie definieren uns über bestimmte Gruppen, die sich um Vorzüge bei der Regierung streiten.“

    Dem stimme ich zu.

    Statt dieses woke Gendergaga zu propagieren, sollten die Politiker sich endlich einmal um die Bedürfnisse der eigenen Bürger kümmern und weniger Geld zum Fenster rauswerfen.

  10. Michaela F.

    Ich arbeite seit über 30 Jahren als professionelle Übersetzerin. Meine Meinung zum Thema:
    Gendern ist die Vergewaltigung der deutschen Sprache, denn
    gendern stört den Lesefluss,
    gendern macht Texte schwerer verständlich,
    gendern verhunzt das Schriftbild,
    gendern ist, weil von oben verordnet, undemokratisch,
    gendern spaltet die Gesellschaft in moralisch korrekte und unkorrekte Autoren,
    gendern huldigt lediglich dem woken Zeitgeist,
    gendern soll die abgehobene ‘Elite’ vom Proleten abgrenzen,
    gendern hat wie alles ‘Gute’ seinen Ursprung in den USA,
    gendern ist bürgerfern,

    Zum Glück macht der Großteil der deutschen Literaten diesen Krampf nicht mit.
    Kurzum, gendern ist so nützlich wie ein Kropf.

  11. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Genau so ist es.
    Gendern ist wirklich amerikanisch, typisch amerikanisches Schwarz-weiß-Denken. Genau wie in einem amerikanischen Western, wo man die Guten am freundlichen Gesicht und der sauberen Kleidung erkennt und die Schlechten an der finsteren Mine und der dreckigen Kleidung. In Europa kennt man dagegen auch Grautöne zwischen Schwarz und Weiß.

    Das ist so eine Maßnahme, wie die Bevorzugung von Minderheiten an amerikanischen Universitäten, die zwar in guter Absicht geschah, aber schlussendlich neue Probleme schuf, die es vorher nicht gab.

    Gendern ist nutzloser Quatsch genau wie Klimaschutz in Europa.

  12. andreas hartmann

    Dazu heute in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ): „Aus Umfragen ist bekannt: 70, eher 80 Prozent der (Fernseh-)Zuschauer lehnen, wie auch die Gesellschaft für deutsche Sprache, das Gendern rundweg ab. Sie empfinden diesen falschen Neusprech als Zumutung.“

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern