Gesellschaft

Pierre Kompany: Belgien sollte sich für seine Kolonialgeschichte öffentlich entschuldigen

10.07.2018, Brüssel: Pierre Kompany, der Vater des belgischen Fußball-Nationalspielers Vincent Kompany, auf dem Flughafen Zaventem vor dem Abflug zur WM in Russland. 2018 wurde der ehemalige kongolesische Flüchtling der erste schwarze Bürgermeister in Belgien. Foto: Thierry Roge/BELGA/dpa

In einem Gespräch mit der Agentur AFP hat Pierre Kompany, gebürtiger Kongolese, erster schwarzer Bürgermeister in Belgien und Vater von Fußballstar Vincent Kompany, den Wunsch geäußert, dass sich unser Land für seine Kolonialgeschichte öffentlich entschuldigt.

Über die belgische Besetzung des Kongos „ist zu viel ungesagt geblieben“, „wie in manchen Familien“, und die ehemalige Kolonialmacht müsse sich nun entschuldigen, so der 72-jährige Pierre Kompany in dem Interview mit AFP.

Pierre Kompany ist nicht nur wegen seines Sohnes Vincent in ganz Belgien bekannt. Ende 2018 sorgte der ehemalige politische Flüchtling, der in den 1970er Jahren vor der Mobutu-Diktatur geflohen war, für Schlagzeilen, weil er der erste schwarze Bürgermeister Belgiens wurde. Seitdem leitet er die Brüsseler Gemeinde Ganshoren.

23.09.1984, USA, Washington DC: US-Präsident Ronald Reagan (r) begrüßt Mobutu Sese Seko von Zaire (vorher und nachher Demokratische Republik Kongo). Vor dem Diktator der früheren belgischen Kolonie floh Pierre Kompany 1975 nach Belgien. Foto: Shutterstock

Nach der Welle der Emotionen in der Folge des Todes des Afroamerikaners George Floyd ist in Belgien die Debatte über die Gewalt in der Kolonialzeit im Kongo und die Rolle des verstorbenen Königs Leopold II., in dessen Privatbesitz sich das riesige afrikanische Territorium lange Zeit befand, neu entfacht worden.

Für Pierre Kompany hätten die Statuen des ehemaligen Landesherrn (der von 1865 bis 1909 regierte) schon vor Jahren in Museen aufgestellt werden müssen, um die Vandalismusakte der letzten Tage zu vermeiden. „Niemand würde ein Museum betreten, um es zu zerstören“. Außerdem würden die Bewunderer dieser Statuen „bezahlen, um sie zu sehen“, sagte der 72-Jährige ironisch.

Nach Ansicht von Historikern war die Kolonisierung der heutigen Demokratischen Republik Kongo (Ex-Zaire) im 19. Jahrhundert unter der Autorität Leopolds II. sehr brutal, gekennzeichnet durch den Einsatz von Zwangsarbeit zur Gummigewinnung. Fotos von abgetrennten Händen haben die Misshandlungen von damals dokumentiert.

60. Jahrestag der Unabhängigkeit Kongos am 30. Juni

„Es gibt eine eklatante Realität, sie ist nicht diskutabel“, sagt Kompany, der dazu aufruft, „die Wahrheit zu sagen“, da der 60. Jahrestag der Unabhängigkeit Kongos am 30. Juni 1960 näher rücke. Eine erste Gelegenheit sei im Dezember 2009 zum 100. Todestag Leopolds II. verpasst worden, so Pierre Kompany.

Heute habe der belgische Staat die Aufgabe, die Verantwortung für diese Vergangenheit zu übernehmen und sie in den Schulen zu lehren. „Wenn sich der Staat entschuldigt, wäre das sehr viel. Aber wenn die Königsfamilie dasselbe tut, wäre das eine großartige Sache.“ Die Entschuldigung müsse am besten vom Staat und von König Philippe kommen.

10.06.2020, Kongo, Kinshasa: Statuen von Sklaven aus der Kolonialzeit (r) sind neben einer Statue von König Leopold II. von Belgien auf einem Pferd reitend (l) im Institut der Nationalmuseen des Kongo zu sehen. Foto: John Bompengo/AP/dpa

Ähnlich hatte sich vor einer Woche Prinzessin Esmeralda geäußert (siehe Artikel an anderer Stelle). Auch sie empfahl, dass sich die belgische Regierung und König Philippe gemeinsam für die unrühmliche Kolonialgeschichte des Landes entschuldigen.

Pierre Kompany wurde 1947 in Bukavu (Ostkongo) geboren und floh 1975 aus seinem Land, nachdem er einer der Anführer eines Studentenaufstandes war. Mit Hilfe eines befreundeten Arztes täuschte er eine Krankheit vor, die im Ausland behandelt werden sollte, um nach Brüssel zu kommen, wo er als Taxifahrer arbeitete, um die Fortsetzung seines Ingenieurstudiums zu finanzieren.

1982 wurde Kompany belgischer Staatsbürger. Im selben Jahr heiratete er Jocelyne (inzwischen verstorben), mit der er drei Kinder hat: Christel (geboren 1984), Vincent (1986) und François (1989). Er ist bereits sieben Mal Großvater.

Von seiner Familie versichert er, dass sie immer „gegen soziale Ungerechtigkeit“ gekämpft habe. Pierre Kompany bezeichnet sich selbst als „Linken“, einen ehemaligen Sozialisten, der zuerst Mitglied der Sozialistischen Partei war, bevor er zur CDH wechselte, als deren Kandidat er 2014 ins Brüsseler Regionalparlament gewählt wurde. Ende 2018 wurde er der erste schwarze Bürgermeister in Belgien.

Pierre Kompany kehrte erst 2010 zum ersten Mal in den Kongo zurück, zusammen mit seinem Sohn Vincent, der im Auftrag einer NGO ein Dorf von Waisenkindern eröffnete. Als er in den 1970er Jahren Kinshasa verlassen habe, habe die Stadt weniger als eine Million Einwohner gezählt. Als er zurückkam, seien es mehr als 10 Millionen gewesen. „Ich war völlig überwältigt, es war ein sehr starker Moment.“ (cre)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

52 Antworten auf “Pierre Kompany: Belgien sollte sich für seine Kolonialgeschichte öffentlich entschuldigen”

  1. Da ja jeder Dreck am Stecken hat – weltweit – sollte sich jeder bei jedem entschuldigen. Dann sind alle wieder froh. Gedenken u Mahnung sind völlig legitim, damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Aber wir leben im hier u jetzt u sollten die existierenden Probleme versuchen zu lösen.

  2. Wenn ich den Lebenslauf des Herrn anschaue stelle ich fest, geflüchtet ist er vor der Regierung des Kongo und zwar in die Arme der ehemaligen Kolonialherrn. Hier konnte er ein freies Leben führen, sogar Karriere machen und ein öffentliches Amt bekleiden. Seine Kinder haben eine Schulbildung genossen und leben in Verhältnissen die weit besser sind als alles was sie in Afrika zu erwarten hatten. Fazit: ich erwarte Dankbarkeit und keine Vorwürfe in Form von Entschuldigungsforderungen für Ereignisse die vor Generationen stattgefunden haben. Ich bin diesem Herrn mit goldener Uhr am Handgelenk nichts, aber auch gar nichts schuldig.

  3. Marcel Scholzen eimerscheid

    Königshaus und Regierung sollen sich für die Greueltaten Leopold II entschuldigen. Mehr nicht. Und dann zurück zur Tagesordnung. Probleme lösen. Es dürfen keine Entschädigungszahlungen geleistet werden. Das Geld würde nie ankommen bei der kongolesischen Bevölkerung.

  4. Flucht in die rassistische Hölle

    Es ist ja auch bekannt, daß Millionen und Abermillionen von Afrikanern und Moslems wegen des Rassismus der Westler unbedingt in den… Westen wollen. Eine Flucht in eine rassistische Hölle. MAcht Sinn, ja, schließlich schreiben wir ja das Jahr 2020 und die Antifa wird von der E.U. als „gemeinnütziger Verein“ geehrt. Gemein, wa?!

  5. Volkshochschule

    Die Zeit der Ausbeutung Afrikas ist nicht zu Ende, sie geht in eine neue Runde. China, Europa, alle mischen mit wenn es um die Beschaffung seltener Rohstoffe geht die dringend für die E – Mobilität und für die Digitalisierung gebraucht werden. Das Muster der Ausbeutung ist dabei immer gleich geblieben, man sucht sich einen geeigneten örtlichen Machthaber überschüttet ihn mit Milliarden und bekommt dafür Abbaurechte und Lieferverträge.

  6. Diese Kapitel unserer Geschichte wird nicht geschlossen, bis es eine Entschuldigung gab. Das ist auch eine moralische Verpflichtung.
    Sich mit der Geschichte anderer Länder zu entschuldigen, ist billig und kindisch. Schauen wir auf unser Land und unsere Geschichte.

    • Piersoul Rudi

      @ AchGott(20/06/2020 19:23)
      Zu Ihren Satz;
      …“Diese Kapitel unserer Geschichte wird nicht geschlossen…bzw…Das ist auch eine moralische Verpflichtung“…
      Meine Meinung nach ist die „Moralität“ zweitrangig“…
      Solange GELD FLIEßEN SOLL/WIRD ist die Moralität unwichtig!!!!!!
      Und das wissen die Damen und Herren nur zugut…
      Und noch was;
      Es ist nicht unsere schuld(Der „Weissen“) das nur 3% der dortigen Bevölkerung im Stande ist sich um seine Zukunft zu kümmern.
      Es geht mir so langsam auf den Sack das unsere Generation sich für „jedes was mal passiert ist“ zu entschuldigen hat…Und NEIN ich bin keine 25 mehr…
      MfG.

  7. Und so stellen sich die Belgier in eine Reihe mit den Japanern und den Türken, und weigern sich ebenfalls, sich für die unvorstellbaren Massaker ihrer Vorfahren, deren Erbe sie angetreten haben, zu entschuldigen.

    Wer sich nicht einmal ent-schuldigt behält seine Schuld. Und wird völlig zurecht an den Pranger gestellt.

    • Piersoul Rudi

      @ Charlie(20/06/2020 20:18)
      Zu Ihren Satz;
      …“Und so stellen sich die Belgier in eine Reihe…usw…
      Ich weiß nicht wofür Sie sich entschuldigen müssen, aber ich für mein Teil brauche mich für NICHTS zu entschuldigen…
      Für NICHTS und bei NIEMANDEM…dass das für ein und allemal klar ist…
      Demnächst müssen wir uns noch „rechtfertigen“ das wir überhaupt geboren wurden.
      Als all die aber Millionen Richtung Mitten-Afrika geflossen sind habe ich nicht 1 Beschwerden von denen gehört…und das Geld fließt immer noch…und von denen beschwert sich noch immer keiner…
      Dass das Geld irgendwo am Anfang der Kette „hängen bleibt“ bzw. nicht bei der Bevölkerung ankommt…dafür sind wir natürlich auch wieder verantwortlich…oder…
      Es ist allerdings Fakt das eine kleine Minderheit sich immer mehr bereichert…aber das ist hier in Europa nicht anders.
      Die letzte Genocide hat mehr als 1 Million Tote gekostet…mit Macheten förmlich zerhackt…
      Auch wieder unsere(Belgische) Schuld…oder…
      Die 10 Para-Commando´s wurden ebenfalls auf grausamste Weise zerstückelt…dafür will ich erstmal einen Entschuldigung…
      MfG.

  8. Das ist nicht die Antifa.
    Antifa sind kleine regionale Gruppierungen gegen den Faschismus.
    Es kann sein das sich einige vereinen bei diversen Demos, letztentlich sind sie doch ihrer region verbunden und versuchen den Rechtsruck entgegen zu treten.
    Dementsprechend kann die Antifa kein Verein sein und noch weniger einer von der EU noch von wem auch immer, annerkannte Gruppierung sein.

  9. Ermittler

    Und dann als was soltlen die Afrikaner heute wie damals Arbeiten als Ingenieure oder als Arbeiter unter einen weissen Vorarbeiter dann wird es heissen als Sklave.
    Man spricht nur über die schlechten Sachen wie wäre es über die guten Sachen wie bekämfung von den Krankheiten wenn die Weissen da nicht zum glück eingeriffen hätten gäbe es bestimmt kein Afrika.

  10. besserwisser

    Da soll doch der Pierre Kompany unzufrieden sein, geht es ihm und seinen sohn nicht gut leben in Belgien? alte sachen aufwirbeln , so ein Quatsch, jedes Jahrhundert hat seine Geschichte. Frage wer entschädigt „le PEUPLE GAULOISE, les belges plus braves“ sagte eins César,

  11. Dax hat vollkommen Recht!
    Was glaubt dieser Mann eigentlich wer er ist ? Nur weil sein Sohn ein sehr guter Fußballspieler war oder was ?
    Belgien soll sich öffentlich entschuldigen ? Gefordert von einem Möchtegern Bürgermeister der sich selbst als links betitelt ?
    Der soll Belgien lieber dankbar sein dass er hier , im Verhältnis zu seiner Heimat , im gelobten Land leben darf …der soll lieber mal den Ball flach halten und die Klappe halten .
    Wenn es ihm hier im „Kolonialstaat „ nicht passt…tja , da sehe ich schwarz mein lieber Herr Kompany…dann verlassen Sie unser schönes Land am
    Besten so schnell wie möglich!

  12. Friedrich Meier

    „Wenn sich der Staat entschuldigt, …
    l‘état c‘est moi und ich werde mich nicht bei diesem Herrn „Bürger“-Meister entschuldigen. Auch nicht bei seinen Verwandten in Afrika. Denn auch wenn ich angeblich von der Ausbeutung der damaligen Kolonie profitieren sollte, Herr Kompany tut es auch und ist deswegen nicht legitimiert solche Forderungen zu stellen.

  13. Friedrich Meier

    Herr Kompany reibt sich die Hände, weil er jetzt sich wieder wichtig machen kann.
    Beim Händereiben poliert er gleich sein goldenes Ührchen und vielleicht blitzt auch noch ein Goldzahn auf den Fotos, die von diesem Herrn mit dem breiten Grinsen geschossen werden. Das Gold für diese Protzerei dürfen seine ach so armen Verwandten aus der Afrikanischen Erde buddeln.

    Genauso wenig, muss Gesamtbelgien sich bei den Kongolesen entschuldigen, wie die Wallonie sich bei den Deutschsprachigen für die Volksabstimmung vor 100 Jahren entschuldigt.

  14. WHITE LIVES MATTER

    Ein wenig Ausgleich, in diesen heuchlerischen Zeiten: WHITE LIVES MATTER!
    https://www.fdesouche.com/1391849-royaume-uni-une-banderole-white-lives-matter-survole-le-stade-de-manchestercity-pendant-un-match-de-foot
    Ist aber bestimmt zu nazi und so… Genau wie wenn Mike Pence sagt „ALL LIVES MATTER“. Da wird er angegriffen. Tja, es wird nicht gut ausgehen, hat es doch schon katastrophal begonnen und wir erst am Anfang sind.

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