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Im Fritten-Land Belgien hat die Kartoffelindustrie mit den Auswirkungen der Corona-Krise zu kämpfen

14.02.2017, Belgien, Leuze-En-Hainaut: Kartoffeln werden in einer Fabrik zu Pommes frites verarbeitet. Foto: Dirk Waem/BELGA/dpa

„Esst mehr Fritten!“, hatte die Kartoffelbranche die Belgier aufgefordert – denn wegen der Corona-Krise liefen die Lager über. Hat das geklappt?

Im Fritten-Land Belgien hat die Corona-Krise deutliche Spuren in der wichtigen Kartoffelindustrie hinterlassen. Landwirte und Unternehmen hätten herbe Verluste erlitten, sagte Romain Cools vom Verband der kartoffelverarbeitenden Industrie (Belgapom) der Deutschen Presse-Agentur.

Wegen der monatelangen Beschränkungen in Belgien mit Schließungen von Restaurants und Gaststätten brach ein Hauptabnehmer weg, die Kartoffelpreise fielen von einem auf den anderen Tag fast auf Null. Einige Unternehmen mussten die Produktion von Fritten, Kroketten und anderen Kartoffelprodukten vorübergehend einstellen und trotz staatlicher Hilfen Mitarbeiter entlassen.

23.05.2014, Belgien, Brüssel: Dominique Bonnier bereitet in der „Maison Antoine“ Pommes Frites zu. Foto: picture alliance / dpa

Auch für die Zukunft zeigte sich der Verband zurückhaltend. „Es herrscht die begründete Angst, dass restriktive Maßnahmen im Lebensmittelsektor in vielen Ländern der Welt erneut einen großen Einfluss auf Nachfrage und Produktion haben werden“, sagte Cools. Zwar gebe es erste Zeichen der Erholung, doch werde erwartet, dass weltweit bis zum Jahresende die Produktion nur etwa 80 Prozent des Niveaus vor der Corona-Krise erreichen werde. „An die Stelle vielversprechender Wachstumsraten sind für viele Unternehmen große Probleme getreten, nachdem sie viel Geld in neue Kapazitäten, bessere Qualität und Nachhaltigkeit investiert hatten.“

Belgien ist Branchenangaben zufolge der weltgrößte Exporteur von tiefgekühlten Kartoffelprodukten wie Pommes frites. Der Jahresumsatz der kartoffelverarbeitenden Industrie beträgt rund zwei Milliarden Euro. Zuletzt hatte die Produktion jährlich Rekordwerte gemeldet.

Zwar seien in der Corona-Krise mehr Speisekartoffeln sowie Kartoffeln für die Chips- oder Snackproduktion verkauft worden, sagte Cools. „Aber diese Produkte machen nur einen geringen Teil des Marktes aus.“

Eine belgische Frittenbude. Foto: dpa

In Belgien werden mehr als 70 Prozent der Kartoffeln zu Pommes frites oder Kroketten verarbeitet, der Großteil geht an Restaurants und Gaststätten. Dieser Anteil eignet sich nicht für den Verkauf als Speisekartoffeln, und für die Verarbeitung zu Chips sind sie groß.

Deshalb waren die Lager plötzlich voll: Auf zwei bis drei Millionen Tonnen schätzt Cools das Angebot, das in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland auf den freien Markt schwappte.

Um die Vorräte einigermaßen loszuwerden, exportierten Landwirte ihre Ware für niedrigere Preise nach Osteuropa oder Afrika, verschenkten sie an Hilfseinrichtungen, nutzten sie als Viehfutter oder als Energiepflanze. In Belgien rief Belgapom die Bürger dazu auf, den Fritten-Verzehr zu verdoppeln.

Nach Angaben des Gastroverbands Horeca kamen die Belgier diesem Appell offensichtlich nach. Fritten-Bestellungen seien in die Höhe geschossen, teilte eine Verbandssprecherin der dpa mit. Zugleich betonte sie: „Es gab keine Fritten-Knappheit – nicht damals, nicht heute.“

Foto: dpa

Während des Lockdowns seien Essenslieferungen und Essen zum Mitnehmen für Restaurants und Bistros die einzige Möglichkeit gewesen, noch Geld einzunehmen. „Viele Menschen haben Fritten bestellt, denn jeder kennt einen Fast-Food-Laden in der Nähe – und wir Belgier sind sehr stolz auf unsere Fritten.“

Dennoch hätten diese Verkäufe die Einbußen keinesfalls ausgleichen können. In den knapp drei Monaten Schließzeit vom 14. März bis 8. Juni habe die Branche in Belgien etwa 3,9 Milliarden Euro verloren.

Die Regierung in Brüssel sprang mit Hilfszahlungen ein, auch Landwirte erhielten Unterstützung. Außerdem wurde zwischenzeitlich die Mehrwertsteuer von 12 auf 6 Prozent für Lebensmittel sowie von 21 auf 6 Prozent für nicht-alkoholische Getränke gesenkt. Das habe dazu beigetragen, dass die Preise in Restaurants, Cafés und Bistros nicht erhöht worden seien, die Betreiber ihre Einnahmen aber dennoch einigermaßen stabil gehalten hätten, betonte der Verband. (dpa)

29 Antworten auf “Im Fritten-Land Belgien hat die Kartoffelindustrie mit den Auswirkungen der Corona-Krise zu kämpfen”

  1. Alfons van Compernolle

    Kann ich mir vorstellen! Fritten, besonders die belgischen sind sehr lecker , sie haben aber auch ein nicht unerheblichen Nachteil , häufigerer Genuss gehen mit einem PLUS aufs Lebendgewicht !!

  2. Peter Müller

    Gut, die Restaurants waren geschlossen, aber warum haben wir denn weniger Fritten gegessen.. Liegt es daran das viele Frauen nicht mal Fritten selber machen können.?. Das die Kartoffelpreise auf Null gesunken sind, habe ich an der Fritüre nicht feststellen können. Ich glaube das da auch wieder gejammert wird. Wenn der Umsatz nur 20% gesunken ist, kann man doch mit leben. Viele Branchen wâren froh wenn Sie nur 20% Verlusst hätten.

  3. @Peter Müller, wieso Fritten selber machen ?es gibt doch genügend Tiefkühlfritten und weitere tiefkühl Kartoffelprodukte, einzigste was da arbeit macht das entweder in eine Friteuse zu tun oder den Backofen anzuschmeissen.

    Frische Kartoffeln sind schlichtweg aktiuell zu teuer und wenn man noch dazu Pech hat faulen einem die Hälfte weg trotz richtiger Lagerung.

  4. Mockingjay

    Dann sterben halt mehr Menschen an Herzinfarkt und anderen Herz Kreislauf Erkrankungen anstatt mit/ an/ durch Covid-19.
    Gute belgische Fritten sollte man sich nur ab und zu gönnen und genießen und nicht regelmäßig essen.

  5. Mit den Fritten ist es wie überall, Nahrungsmittel werden immer mehr als industriell vorgefertigte Produkte eingekauft. Das Zubereiten von Essen aus den Grundprodukten beherrschen heute immer weniger Zeitgenossen. Kochshows auf allen Sendern aber etwas mehr als Tiefkühlkost aufwärmen bekommen die meisten nicht mehr auf die Reihe….

  6. Ich helfe den belgischen Kartoffelbauern gerne und gönne mir ab und zu eine Tüte Fritten. Bin trotzdem nicht übergewichtig.
    @Mimi: versuche mal Désirée anstelle von Bintjes, das ist auch sehr gut-ich schäl nicht mal die Kartoffel sondern wasche sie nur.

  7. Auch hier kann man die Verklärung der Vergangenheit erleben. Zur Zeit unserer Mütter und Großmütter war Essen kochen Arbeit und daraus konnte man keine Show inszenieren. Heute kocht die Industrie für die wohlstandsverwahrloste Bevölkerung und im Fernsehen laufen Kochshows und „lecker Landleben“ am laufenden Band. Gezeigt wird eine idealisierte Welt des „Bio-Kochens“ die die harte Wirklichkeit unserer Vorfahren idealisiert und die Mikrowellen-Kultur der heutigen FFF Generation hinter einer verlogen Fassade verstecken soll. Die Statistik zeigt aber schonungslos wo die meisten Grundprodukte Verwendung finden, nämlich in der Industrie und nicht am Herd….

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