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Ronaldo, Benzema und Neymar: Was steckt hinter Saudi-Arabiens Kaufrausch? [Fragen & Antworten]

15.08.2023, Frankreich, Paris: Neymar (l) bei der Unterzeichung seines Vertrags mit Fahad Bin Saad Bin Nafel, dem Vorstandsvorsitzenden von Al Hilal. Foto: -/Al Hilal club media center/AP/dpa

AKTUALISIERT – Erst Ronaldo, dann Benzema, jetzt Neymar: Zahlreiche Altstars, Superstars und auch Fußballer im besten Alter sind nach Saudi-Arabien gewechselt. Welche Strategie verfolgt das Land damit?

Transferausgaben von mehr als 600 Millionen Euro, Spitzengehälter von 50 bis zu 200 Millionen: Die Großinvestitionen der saudi-arabischen Pro League sind das dominierende Thema dieses Fußball-Sommers und stellen sogar die Finanzkraft der englischen Premier League in den Schatten.

Am Dienstagabend wechselte der brasilianische Superstar Neymar (31) von Paris Saint-Germain zu Al-Hilal in der Hauptstadt Riad, was belegt: Es ist nicht nur die Generation 35 plus, die kurz vor dem Karriereende noch einmal zum Geld verdienen nach Saudi-Arabien wechselt.

03.01.2023, Saudi-Arabien, Riad: Cristiano Ronaldo, portugiesischer Fußballstar, geht während seiner offiziellen Vorstellung beim Fußballclub Al Nassr an einem Feuerwerk vorbei. Foto: Amr Nabil/AP/dpa

Es sind auch große Namen und Spieler im besten Alter dabei, die genauso gut zum FC Barcelona oder zu Bayern München hätten gehen können. Wichtig für das Verständnis ist: Es geht bei diesem Investment nicht zuvorderst um Fußball. Sondern um die strategischen Ziele eines der reichsten und repressivsten Länder der Welt.

– Welche Stars sind nach Saudi-Arabien gewechselt?

Als der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo im Januar für ein Jahresgehalt von rund 200 Millionen Euro von Manchester United zum Al-Nassr FC wechselte, wurde das noch häufig belächelt. Motto: Ein Söldner im teuer bezahlten Vorruhestand – mehr nicht. Doch neben Ronaldo, Neymar und Real Madrids Torjäger Karim Benzema kauften saudische Clubs dem alten europäischen Fußball-Adel in den vergangenen Wochen noch andere große Namen weg.

Sadio Mané (Bayern München) und Marcelo Brozovic (Inter Mailand) folgten Ronaldo zu Al-Nassr. Frankreichs 2018er-Weltmeister N’Golo Kanté (FC Chelsea) und der Brasilianer Fabinho (FC Liverpool) gingen wie Benzema zu Al-Ittihad. Besonders bemerkenswert ist: Der Ivorer Franck Kessié (26/FC Barcelona), der Serbe Sergej Milinković-Savić (28/Lazio Rom) oder der Portugiese Ruben Neves (26/Wolverhampton Wanderers) wären dank Alter und Qualität für nahezu jeden europäischen Spitzenclub interessant gewesen. Aber auch sie unterschrieben in Saudi-Arabien.

– Woher haben die saudischen Clubs das Geld?

Es ist nicht die gesamte saudische Liga, die einen Star nach dem anderen kauft. Es sind vor allem die vier Topclubs Al-Hilal, Al-Nassr (beide aus Riad), Al-Ahli und Al-Ittihad (beide aus Dschidda). Alle vier wurden in diesem Jahr zu je 75 Prozent vom saudischen Staatsfonds Public Investment Fund (PIF) übernommen, der vor zwei Jahren bereits die Kontrolle über den englischen Champions-League-Teilnehmer Newcastle United übernommen hatte.

15.08.2023, Frankreich, Paris: Neymar (l) mit einem Al-Hilal-Trikot, nachdem er im Beisein von Fahad Bin Saad Bin Nafel, Vorstandsvorsitzender von Al-Hilal, seinen Vertrag unterschrieben hat. Foto: -/Al Hilal Club Media Center/AP/dpa

Vorsitzender des Staatsfonds ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der das Land faktisch beherrscht. Und das Vermögen des PIF beträgt nach eigenen Angaben aktuell rund 700 Milliarden Dollar.

– Warum investiert Saudi-Arabien so viel Geld in den Sport?

Schon 2016 legte bin Salman einen Staatsplan mit dem Titel „Saudi Vision 2030“ auf. Seine Ziele sind: eine Diversifizierung der Wirtschaft, weniger Abhängigkeit vom Öl, eine Öffnung des Landes auch für Touristen und attraktive Angebote für die eigene Bevölkerung.

Unterhaltung sei „eine neue Wachstumsbranche im Königreich“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ am Mittwoch. Rund 60 Prozent der saudi-arabischen Bevölkerung sind jünger als 30 Jahre. Auch sie hat der Kronprinz im Auge, wenn er massiv in den Sport investieren lässt. Die Fußball-Stars sind schon im Land, die Fußball-WM soll 2034 oder 2038 folgen. Auch ins Golf-, Formel-1- und Tennis-Geschäft sind die Saudis längst eingestiegen. Ein Vorwurf ist deshalb auch: Das streng konservativ regierte Königreichs betreibt „Sportswashing“, um von seinen Verstößen gegen die Menschenrechte abzulenken.

– Welche Reaktionen löst das aus?

Saudi-Arabien ist noch repressiver und gesellschaftlich rückständiger, als es der hochumstrittene WM-Gastgeber Katar schon ist. So sind Homosexualität und Alkoholkonsum streng verboten und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Der Journalist und Regimekritiker Jamal Khashoggi wurde 2018 nach Angaben türkischer Behörden im saudischen Konsulat in Istanbul getötet und zerstückelt.

08.06.2023, Saudi-Arabien, Jeddah: Karim Benzema, Spieler des saudischen Fußballvereins Al Ittihad, begrüßt die saudischen Fans bei seiner Vorstellung im King Abdullah Sports City Stadium. Der Weltfußballer wechselte von Real Madrid ins Königreich. Foto: STR/AP/dpa

Entsprechend massiv fiel auch die Kritik in Brasilien an dem Neymar-Wechsel aus. „Zu Al-Hilal zu gehen, wird ein ewiger Fleck in der Karriere von Neymar sein“, schrieb etwa das Sportportal „Globo“ am Dienstag.

Die Reaktionen im europäischen Fußball bewegen sich zwischen Erstaunen und Entsetzen. „Saudi-Arabien wirft mit so viel Geld um sich, dass einem nahezu schwindlig wird“, sagte Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro. „Es ist teilweise wahnsinnig, nicht rational zu verstehen. Die Saudis versuchen, über den Fußball und andere Sportarten ihr Image aufzupolieren.“

Bei aller Schwächung der europäischen Top-Ligen bietet sich für sie aber auf einmal auch ein teilweise sehr willkommener Absatzmarkt. PSG oder Bayern München wollten Stürmer wie Neymar und Mané ohnehin loswerden. Ohne die saudische Transferoffensive hätte sich aber kaum ein Club gefunden, der ihre hohen Gehälter weiter zahlt. Der FC Chelsea verkaufte gleich drei Spieler nach Saudi-Arabien und konnte seinen eigenen Kaufrausch dadurch besser finanzieren.

– Welche Stars können noch folgen?

Allein am Mittwoch berichteten die „Bild“-Zeitung und die BBC von dem Interesse saudischer Clubs an dem Bundesliga-Profi Aissa Laidouni (Union Berlin) und dem spanischen Nationalspieler Aymeric Laporte (Manchester City). Das nächste ganz große Transferziel der Pro League ist aber der ägyptische Stürmerstar Mo Salah vom FC Liverpool. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Tweet:

15 Antworten auf “Ronaldo, Benzema und Neymar: Was steckt hinter Saudi-Arabiens Kaufrausch? [Fragen & Antworten]”

  1. Peter Müller

    Sollen die alten Stars sich doch untereinander noch ein wenig die Bälle in der Wüste zuspielen, Ihre Zeit ist vorbei. Es werden neue kommen und uns freude bereiten.. Es ist ein kommen und gehen.

    • Die spielen dann für astronomische Gehälter in klimatisierten Stadien, während man in Europa die Welt retten will und die Leute in die Armut zwingt. Und das alles ohne Aufstöhnen der grünen Wohlstandsvernichter.

  2. Neymar wollte keine Top Mannschaft in Europa mehr haben für seine Forderungen:

    Die britische „Sun“ berichtet am Mittwoch von zahlreichen Extra-Würsten, die Neymar im Gegenzug für seinen Wechsel zu Al Hilal verlangt hat. Dazu gehören demnach:

    Ein privater Fuhrpark für sich und seine Entourage, bestehend aus vier Mercedes-Luxuskarossen sowie drei Wagen der Marken Aston Martin, Lamborghini und Bentley.

    Ein persönlicher Chauffeur, der rund um die Uhr für ihn und seinen Anhang zur Verfügung steht.

    Ein stets gefüllter Kühlschrank in seiner neuen Luxus-Herberge, die mindestens 25 Zimmer haben soll.

    Drei voll ausgestattete Saunas in seinem neuen Haus.

    Fünf Vollzeit-Butler, die unter anderem seinen persönlichen Koch aus Brasilien unterstützen sollen.

    Die volle Übernahme seiner Kosten für Hotel-, Restaurant- und Stadt-Besuche, die er an seinen freien Tagen tätigt.

    Ein überdimensionaler Swimmingpool, der mindestens 10 Meter breit und 40 Meter lang sein soll.

    Die Nutzung eines Privatjets, wann immer er oder sein Anhang diesen benötigen.

    Neben diesen zusätzlichen „Geschenken“ wird Neymar in seiner neuen Heimat auch noch mit Geld zugeschüttet. Inklusive Boni kann sein Jahresgehalt auf bis zu 160 Millionen Euro steigen. Damit ist er nach Cristiano Ronaldo der bestbezahlte Fußballer der saudischen Liga.

  3. Sterbendes Europa

    Die haben einfach immer mehr Geld und können sich jeden Spaß leisten, wir im sterbenden Europa immer weniger… weder für unser Gesundheitssystem, unsere Straßen oder Pensionen, und auch im Sport und in der Kultur werden wir irgendwann hinten an stehen. Leider haben wir das Ruder international in vielen Dingen aus der Hand gegeben…

  4. FC-Bayern-Fan

    die Spieler erhalten im Laufe der Zeit ihre zweite Nationalität und sind somit
    bereit, bei der nächsten Fussball WM für ihr neues Land anzutreten.
    Auch hat Europa jetzt null Steuereinnahmen von diesen Menschen, dank unseren
    Spitzenpolitiker/innen.
    Wer zu viel möchte hat am Ende nichts.

    • Dow Jones

      Jeder Fussballer mit 2 Pässen muss sich für ein Land entscheiden, und hat er einmal für eins gespielt, ist er für die anderen gesperrt. Özil läuft ja jetzt auch nicht für die Türkei auf.

      Was sollen „unsere Spitzenpolitiker/innen“ denn jetzt machen? Einen nationalen Fonds gründen, der den Fussballern 100 Mio in den Hintern bläst, nur damit eine Teil davon als Steuereinnahmen zurück kommt? Ist ja nicht so, als würden in Saudi-Arabien die Clubs die Gehälter erwirtschaften. Wenn in Francorchamps die WR das Defizit vom F1-Grand-Prix ausgleicht wird nur gemotzt, aber jetzt soll die Politik die Fussballer vom Wechsel in den Orient abhalten…

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