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Von einem großen armen Land zur neuen Supermacht: Volksrepublik China feiert 70. Jahrestag ihrer Gründung

Soldaten der Volksbefreiungsarmee von China (PLA) marschieren während einer Parade. Foto: Y Kin/epa/dpa

Unter dem Revolutionär Mao Tsetung hat sich China erhoben, unter dem Reformer Deng Xiaoping ist es reich geworden, und unter Staats- und Parteichef Xi Jinping ist die Volksrepublik zur neuen Supermacht aufgestiegen.

Heute, im 21. Jahrhundert, knüpft Xi Jinping mit einer ideologischen und politischen Rolle rückwärts wieder da an, wo China im 20. Jahrhundert mal angefangen hat. Wie der „große Steuermann“ Mao Tsetung hat er alle Macht an sich gerissen. Wie eine Krake greift die Kommunistische Partei wieder mit langen Armen tief ins politische und gesellschaftliche System ein. Und die Gedanken des Milliardenvolkes sind weniger frei als vor Jahren.

Um den neuen Großmachtanspruch zu untermauern, wird der 70. Jahrestag der Gründung der kommunistischen Volksrepublik am kommenden Dienstag mit der größten Militärparade seiner Geschichte gefeiert – eine Machtdemonstration mit 15.000 Soldaten, Interkontinentalraketen und modernen Waffensystemen.

17.03.2018, China, Peking: Xi Jinping legt in der Großen Halle des Volkes den Eid auf die Verfassung ab. Foto: -/xinhua/dpa

“Erstens sendet es die Botschaft, dass das Regime mehr als 70 Jahre überleben kann – anders als die Sowjetunion, die nur 72 Jahre dauerte“, sagt der unabhängige Ex-Politikprofessor Wu Qiang. „Zweitens ist es eine persönliche Show von Xi Jinping, seiner Autorität, seiner Kontrolle über das Volk und das Regime.“

Bei der Gründung 1949 ist China ein großes armes Land gewesen. „Aber heute, angeführt von Xi Jinping, steigt es zur Supermacht auf“, sagt der Professor. „Das ist es, was Xi Jinping seinem Volk und der Welt zeigen will.“

Das Säbelrasseln und die Propagandaschau überdecken, dass China an mehreren Fronten unter Druck oder gar in der Krise steht. Der Handelskrieg mit den USA unter Präsident Donald Trump und der „neue Kalte Krieg“, wie es Peking sieht, sind die größte Herausforderung seiner „Ära“. Die zweitgrößte Volkswirtschaft wächst langsamer, die Schulden steigen in den Himmel, das Leben wird härter. Und am Rande des Riesenreiches, in Hongkong, bröckelt es.

Seit fünf Monaten wird in der chinesischen Sonderverwaltungsregion demonstriert. Längst geht es nicht mehr allein gegen die tapsige Marionettenregierung, sondern um freie Wahlen und eine Abkehr vom übermächtigen China. Mit Protesten wollen Aktivisten der Führung in Peking die Geburtstagsparty vermasseln.

Xi Jinping schwört Land auf neuen „langen Marsch“ ein

Um die Stimmung in der ehemaligen britischen Kronkolonie abzukühlen, demonstrierte Xi Jinping zunächst etwas Entgegenkommen – ähnlich wie in dem seit mehr als einem Jahr anhaltenden Handelskrieg mit den USA. Aber es könnte sich nur als vorübergehender, taktischer Rückzug erweisen.

30.11.1966, China, –: Der damalige chinesische Staatsführer Mao Tsetung. Foto: UPI/dpa

Im Umgang mit den USA schwört Xi Jinping sein Land längst auf einen neuen „langen Marsch“ ein. Sein Vergleich mit dem Rückzug der Roten Armee im Bürgerkrieg gegen die nationalchinesischen Truppen deutet auf ein Kräftesammeln, eine Neuausrichtung hin.

So häufig wie kein anderer seit Mao Tsetung benutzt Xi Jinping das Wort „Kampf“ (Douzheng). Es richtet sich gegen innere wie äußere Feinde. In dem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua über seine Rede Anfang des Monats an der Parteischule taucht „Douzheng“ 56 Mal vor.

Nicht nur aus den USA, sondern auch aus anderen Ländern gibt es Gegenwind. Galt außenpolitisch lange die zurückhaltende Maxime des Pragmatikers Deng Xiaoping, „die Stärke verstecken und auf den richtigen Augenblick warten“, tritt China unter Xi Jinping offen selbstbewusst auf. Die Territorialansprüche im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer werden kämpferisch vertreten.

Mit der Infrastrukturinitiative der „Neuen Seidenstraße“ baut Peking seinen Einfluss in der Welt aus. Chinas neue Wirtschaftskraft ist der politische Hebel. Mit geballter Finanzkraft erweitern Chinas Staatsmedien weltweit ihre Reichweite. Das sorgt für Irritationen.

Die Partei führt wieder alles im Land

Auch im Land ist „Kampf“ angesagt. „Er hat gesagt, ihr werdet alle reich“, sagt der China-Kenner und Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke. So hat Xi Jinping versprochen, bis zum 100. Geburtstag der Partei 2021 die Wirtschaftsleistung pro Kopf gegenüber 2010 zu verdoppeln. Auch will er bis zum 100. Geburtstag der Volksrepublik 2049 eine „voll entwickelte, reiche und mächtige“ Nation geschaffen haben. Ob sich der „chinesische Traum“ erfüllt? „Kampf heißt ja nicht, dass alle reicher werden“, sagt Wuttke.

Um sich der Loyalität zu versichern und das Kommando von oben nach unten zu stärken, führt die Partei wieder alles im Land. Nicht der Ministerpräsident und seine Minister regieren das Land, sondern mächtige Führungsgruppen und Kommissionen der Partei.

25.09.2019, China, Peking: Eine Flugbegleiterin spielt Geige anlässlich des Erstflugs CZ3001 der China Southern Airline vom neuen Beijing Daxing International Airport. Nach nur vier Jahren Bauzeit ist in Peking der neue internationale Flughafen in Betrieb genommen worden. Der Flughafen in Daxing rund 50 Kilometer südlich der Innenstadt ist nach Gebäudefläche der größte Flughafen der Welt. Foto: Tai Sicong/Xinhua/dpa

“Xi Jinping stellt die Partei wieder in den Vordergrund, indem er ein zentrales, hierarchisches System mit sich selbst als Führer in der Mitte bildet“, stellt das China-Institut Merics in Berlin fest. Damit wachsen die Ineffizienz und das Risiko, dass er persönlich für jeden Missstand, jede Krise und jedes Versagen verantwortlich gemacht wird.

Strengere Ideologisierung, Kontrolle, Zensur und Propaganda sind ein Rückfall in alte Zeiten. Wie einst das „kleine rote Buch“ von Mao Tsetung müssen heute alle Xi Jinpings „Gedankengut für eine neue Ära des Sozialismus chinesischer Prägung“ studieren. Selbst Manager müssen sich plötzlich Tests unterziehen, wie gut sie den großen Führer verstanden haben. „Ich habe das gleiche Gefühl wie in der Kulturrevolution“, erinnert eine Autorin an die Gesinnungsschnüffelei und das Chaos zwischen 1966 und 1976. „Selbst meine Freunde trauen sich nicht mehr, mir ehrlich ihre Meinung zu sagen.“

Die Hoffnung auf „Wandel durch Handel“ entpuppt sich heute als naiv. Menschenrechtler und ihre Anwälte werden inhaftiert. Hunderttausende Uiguren stecken in Umerziehungslagern. Auch wirtschaftlich gibt es eine Rolle rückwärts. Die Staatswirtschaft erstarkt. Subventionen unterstützen den Aufkauf von Hi-Tech-Firmen in Europa. Markthürden schützen Chinas Firmen vor ausländischer Konkurrenz.

Als Reaktion werden in Europa die Rufe nach Finanzhilfen, einem staatlichen „Masterplan“ und Schutz vor Übernahmen lauter. „Wandel durch Handel“ sei jetzt eher in Europa zu erleben, sagt EU-Kammerpräsident Wuttke und scherzt: „Wir werden immer chinesischer.“ (dpa)

7 Antworten auf “Von einem großen armen Land zur neuen Supermacht: Volksrepublik China feiert 70. Jahrestag ihrer Gründung”

  1. Arnold Heck

    Die Chinesen sind mir unheimlich. Schon ihre Militärparaden, sicher ihr ganzer Stolz, sind so perfekt, dass man sich fragt ob es da nicht eine Software gibt, die aus einem Mann deren hundert wiedergibt.
    Bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 das Gleiche: keiner machte einen Fehler, keiner verzögerte um ein tausendstel Sekunde. Schrecklich!
    Was wohl mit den Flaschen passiert, die sich bei den Proben schon mal einen Fehler leisteten? oder gar zwei? In welchen Knast oder Umerziehungslager landeten die; vielleicht um Kindereier oder anderen Schrott zu basteln?
    Für mich ist es ein Ameisenstaat, wo jede menschliche Individualität weg fällt.
    In meinem persönlichen Ranking der meist gefürchteten Staaten rangiert China auf Platz zwei; Platz eins bleibt natürlich unbenommen mit Abstand den muslimischen Ländern vorbehalten.

    • Viva China!

      SIe greifen hier ein asiatische Tugend an: Disziplin. Schauen sie sich andere asiatischen Armeen an, die Gurkhas zum Beispiel, diese mächtigsten Krieger der Welt, und werden sehen, dass Asiaten „es“ können.

  2. "Viva China"

    „Viva China!“
    Na, dann wandern Sie doch aus in Ihr Gelobtes Land. Dort können Sie dann „Viva China“ schreien, so viel Sie wollen, aber schreien Sie mal was anders, dann wird die Begeisterung Ihnen schnell vergehen.
    Ob Sie auch noch lachen, wenn Ihr Konterfei auf einem Bildschirm am Straßenrand erscheint, wenn Sie bei Rot eine Kreuzung überqueren, und Ihr Punktekonto sofort mit Minuspunkten belastet wird, sei dahingestellt.
    Darüber, wie die „Chinesen“ ihre uigurischen Landsleute und die Tibetaner drangsalieren, haben Sie wohl noch nie was gelesen?

    Die Gurkhas waren schlicht nepalesische Söldnertruppen im Dienst des britischen Empires, also eine Art Fremdenlegion im Dienst der Kolonialherren, als grausame Kämpfer berüchtigt.
    „Asiatische“ Tugend der Disziplin? Da kann China sich aber von Norkorea noch ein ganzes Stück abschneiden. Indien dagegen, eindeutig ein asiatisches Land, ein Vorbild an Disziplin? Pakistan? Afghanistan? Auch die chinesische Geschichte kennt Perioden arger Disziplinlosigkeit. Disziplinlosigkeit m Kleinen; Hongko,g.
    Sollte es den Pekinger Machthabern mal nicht mehr gelingen, die Massen durch Teilhabe am Konsum ruhigzustellen könnte es schnell sehr ungemütlich werden.

  3. So soll die EU auch irgendwann in naher Zukunft aussehen. Ein vielversprechendes Erfolgsmodell. Das ist Merkels Welt.
    Leider ist es für die Politiker mit den hiesigen Bürgern nicht möglich. Darum müssen Flüchtlinge her.

  4. Pensionierter Bauer

    Während die Chinesen und andere Mächte wirtschaftlich und noch viel mehr militärisch Aufrüsten, erzählen wir uns hier in Europa etwas vom Klimawandel.
    Wenn wir am Ende dieses Spiels nicht die ganz großen Verlierer wären, dann wäre das sicher etwas für die Bütt.

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