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Mit dem deutschen Überfall auf Polen heute auf den Tag genau vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg

01.09.1939, Berlin: Führer und Reichskanzler Adolf Hitler begründet in seiner Rede vor dem Reichstag in Berlin am 1. September 1939 den Angriff auf Polen. Hitler, in Soldatenuniform, vermeidet das Wort Krieg und erklärt, dass die Wehrmacht auf polnische Aggression hin zurückgeschossen hätte. Foto: dpa

AKTUALISIERT – Etwa sechs Millionen Tote zählte allein Polen im Zweiten Weltkrieg. Hier nahm der Vernichtungs-Feldzug Hitler-Deutschlands seinen Lauf. Der 1. September 1939, heute vor 80 Jahren, markiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Die losheulenden Alarmsirenen gehen durch Mark und Bein. Es ist 4.40 Uhr am Sonntagmorgen und noch nächtlich dunkel in Wielun. Eine Ehrengarde ist aufmarschiert und steht stramm. Hunderte Menschen haben sich trotz der frühen Stunde auf dem Marktplatz der polnischen Kleinstadt versammelt, manche mit Kerzen in der Hand.

01.09.2019, Polen, Wielun: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der polnische Präsident Andrzej Duda (r) legen bei den Gedenkfeierlichkeiten der Stadt Wielun zum 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am Denkmal des zerstörten Allerheiligen-Krankenhauses Blumengestecke nieder. Die Stadt Wielun wurde beim deutschen Überfall auf Polen als erster Ort am frühen Morgen des 01.09.1939 durch deutsche Sturzkampfbomber angegriffen und größtenteils zerstört. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Auch auf den Tag genau vor 80 Jahren um eben diese Stunde erfüllte ein Heulen die zwischen Lodz und Breslau (Wroclaw) gelegene Kleinstadt in Polen. Es war das Heulen deutscher Sturzkampfbomber. Sie jagten aus dem Himmel auf die Stadt hinunter und lösten ihre todbringende Bombenlast aus.

Wielun und nicht – wie lange Zeit von deutscher wie polnischer Seite offiziell erklärt – die Danziger Westerplatte war das erste Ziel des deutschen Überfalls auf Polen und der Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939. Der Angriff auf die wehrlose Bevölkerung der militärisch nicht gesicherten Stadt war auch das erste schwere Kriegsverbrechen der Wehrmacht.

80 Jahre später wird das grausame Geschehen wieder lebendig. In einer Video-Animation auf einer Hauswand am Marktplatz fliegen nochmals die Sturzkampfbomber, fallen die Bomben, fliehen die Menschen.

Steinmeier bittet Polen um Vergebung

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht hier zusammen mit Polens Präsident Andrzej Duda. Hier, wo „die Spur der Gewalt und Vernichtung ihren Anfang nahm, die sich sechs Jahre lang durch Polen und ganz Europa ziehen sollte“, wie Steinmeier dann sagt. Ihm sei bewusst, „dass es ganz und gar nicht selbstverständlich ist, dass ein deutscher Bundespräsident heute hier vor Ihnen stehen darf“.

01.09.1939, —: Beim Einmarsch deutscher Truppen in Polen am 01.09.1939 reißen Soldaten der deutschen Wehrmacht einen rot-weißen Schlagbaum an der deutsch-polnischen Grenze nieder. Foto: dpa

Doch Duda dankt Steinmeier ausdrücklich dafür, dass er gekommen ist, „dass Sie sich der Verantwortung stellen“. Und: „Wenn ich mit Ihnen spreche, sehe ich einen Menschen, der mit geneigtem Haupte hier ist und mit Demut der Opfer gedenken will.“

Erst Italien, nun Polen: Es ist bereits der zweite Sonntag in Folge, an dem sich Steinmeier zu dem unermessliche Leid bekennt, das Deutsche über ihre europäischen Nachbarn gebracht haben.

Erst Fivizzano, nun Wielun: Beide Orte haben gemeinsam, dass die dort von deutschen Soldaten begangenen Verbrechen in Deutschland kaum bekannt sind. „Viel zu wenige Deutsche kennen heute diesen Ort. Viel zu wenige wissen um diese Taten“, sagt Steinmeier. „Wielun muss in unseren Köpfen und in unseren Herzen sein.“ Um eben das zu erreichen, besucht er bewusst diese §weiße Flecken des Gedenkens“, von denen man im Präsidialamt spricht.

Und er kommt, um Überlebende und Nachfahren der Opfer um Verzeihung für etwas zu bitten, für das es nur schwer ein Verzeihen geben kann: etwa 1200 Tote in Wielun, an die 6 Millionen Tote insgesamt in Polen. „Ich verneige mich vor den Opfern des Überfalls auf Wielun. Ich verneige mich vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft. Und ich bitte um Vergebung.“

Diese zentralen Sätze seiner Rede spricht Steinmeier auch auf Polnisch. Und bekommt Beifall dafür. Dudas Antwort: „Dass Sie hier sind, ist eine Form der moralischen Wiedergutmachung.“

Polen, Warschau: Führer und Reichskanzler Adolf Hitler trifft auf dem Flugplatz in Warschau ein, um eine Parade der siegreichen Truppen abzunehmen. Foto: dpa

Steinmeier hatte sich mit Duda bei seinem Besuch im Juni vergangenen Jahres in Polen darauf verständigt, zum Jahrestag des Kriegsbeginns gemeinsam nach Wielun zu fahren. Erst später wurde bekannt, dass es direkt anschließend in Warschau noch eine viel größere Veranstaltung mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs geben soll – inklusive US-Präsident Donald Trump, der auch reden wollte.

In Berlin kam die Befürchtung auf, dass dies das eigentliche Gedenken in den Hintergrund drängen könnte. Dass der US-Präsident wegen des Hurrikans „Dorian“ kurzfristig absagte und seinen Vice Mike Pence nach Warschau schickte, kam daher nicht ungelegen.

Donald Trump, Mike Pence – in Wielun spielen sie keine Rolle. Wohl aber Zofia Burchacinska und Jozef Stepien. Die beiden Überlebenden des deutschen Terrorangriffs treffen Steinmeier im örtlichen Museum in der Ausstellung „Zeitzeugen sprechen… Wielun am 1. September 1939“. Die Erinnerung an explodierende Bomben, zerfetzte Menschen, berstende Häuser hat sich für immer in ihr Gedächtnis gebrannt.

Sie wünsche sich eine Entschuldigung des Bundespräsidenten für die Zerstörung ihrer Heimatstadt, hatte Burchacinska vor dem Besuch erklärt. Nun, da sie seine Rede gehört hat, sagt sie: „Er hat um Vergebung gebeten und wir vergeben.“

27 Antworten auf “Mit dem deutschen Überfall auf Polen heute auf den Tag genau vor 80 Jahren begann der Zweite Weltkrieg”

  1. Hans Eichelberg

    „Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen“: Mit dem Überfall auf Polen 1939 begann der Zweite Weltkrieg.
    Nur der Ordnung halber, er sagte:
    „Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“.

  2. Kritiker

    Mit dem Polenfeldzug begann der verheerende Zweite Weltkrieg. Er wurde von Hitler ausglöst. Er brachte unendlich viel Leid in der Welt, vor allem in Europa. Dank der EU gibt es seit 74 Jahren keine Kriege mehr in Westeuropa. Dank der EU wird der Frieden zumindest bei uns bewahrt.

    • AuchKritiker

      …dank der EU haden die Deutschen geschafft was Hitler nicht geschafft hat, nämlich die restlichen Europäischen Länder unter ihr Joch zu zwingen und nach dem Willen des deutschen Reichs und des deutschen Führers handeln zu lassen (zb. Flüchtlingspolitik,…)

      • Aus welchem Goldfischglas, welcher Blase stellen Sie den solche Beobachtungen an.

        Gemessen an den Parlamentssitzen ist der deutsche Bürger untervertreten. In der Kommission gibt es für jedes Land einen. Aufgrund der qualifizierten Mehrheitsanforderungen für die meisten Bereiche ist auch dort der Einfluss der grossen Länder inklusive Deutschlands untergewichtet.

  3. Walter Keutgen

    Kritiker, schmücken Sie da nicht die EU mit den Federn der NATO? Wer hat denn den Balkanbürgerkrieg beendet? Mir geht dieses „Dank der EU haben wir Frieden“ auf die Nerven, Ist das eine verkappte Drohung der Elite, uns wieder in den Krieg zu stürzen, wenn wir ihr Instrument der EU wegnehmen?

    • Zu Walter Keutgen: Dank der EU gibt es keine Bruderkriege mehr zwischen Deutschland und England, Deutschland und Frankreich, England und Frankreich usw.
      Weltweit gibt es derzeit zwei große Wirtschaftsnationen: China und die USA.
      Die Zeit der großen Nationen (Deutschland, England, Frankreich usw) in Europa ist längst vorbei. Uns bleibt nur noch die Hoffnung auf ein vereinigtes Europa – als Gegengewicht zu den Großmächten.

      • Walter Keutgen

        Dementi, Bruderkriege? Na ja die Elite bis 1918, der Hochadel, war zumindest kreuz und quer nah verwandt. Der letzte Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien wurde 1815 beendet, mehr als hundert Jahre vor Gründung der EWG. Der Adel war tausend Jahre lang die kriegerische Elite, jetzt ist es die Wirtschaftselite, die einen samtenern Krieg auf einer anderen Art und Weise führt.

        • Zu Walter Keutgen: Gewiss ist die EU nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial gefordert. Wahrscheinlich hat sich die EU zu rasch „aufgeblasen“, vor allem in Osteuropa, wo es auf Ebene der Demokratie und der Freiheit noch lange nicht so gut bestellt ist wie in den westeuropäischen Staaten. Trotzdem war und ist der Brexit in meinen Augen ein klassisches Selbsttor, das bereits viele Briten bereuen.

        • Marsupilami

          Herr Keutgen – wann hat es in Europa jemals eine solch lange Friedensperiode gegeben als nach 1945? Daran hat die EU entscheidenden Anteil, durch wirtschaftliche Verflechtung der Mitgliedsländer. Das sollte man nicht kleinreden

  4. Hans Eichelberg

    #Kritiker
    Unser Frieden, den wir Gott sei Dank 74 Jahre lang hatten und hoffentlich immer haben werden, hat weder mit der EU noch mit dem Euro zu tun, sagte einmal ein renommierter Militärstratege.
    Einzig allein durch die militärische Schwäche der europäischen Mittelmächte haben wir Frieden in Zentraleuropa.
    Gut, dass sie schwach sind.

    • Nun ist es doch so dass sich die europäischen Staaten, die inzwischen in EU und Nato vereint sind, über Jahrhunderte immer wieder bekriegt haben. Vielleicht können wir uns so einigen: durch die EU ist das Verständnis und die Zusammenarbeit so weit gewachsen dass man in der Nato gemeinsame Interessen gegenüber Aussenstehenden vertreten kann.

  5. Der 2. Weltkrieg verlangte 60 Millionen Todesopfer (muss man sich mal vorstellen fast ganz Deutschland würde heute eleminiert) . Dann folgte Frieden in Europa bis 92 wo der Balkankrieg ausbrach. Die NATO versagte komplett n diesem Krieg . Und in der heutigen Zeit wo die Wirtschaft in Europa langsam und sicher in einem Chaos endet müsste ein 3.Weltkrieg stattfinden um ein Wiederaufbau im Europa stattfindet. Wo war eigentlich die USA im Balkankrieg als Natoverbünderter. Muss sich die NATO nur immer in fremden Nichteuropäischen Ländern einmischen. Um vielleicht dort die Aufrüstung des Militärs zu erproben ? Warten wir mal ab wo wir in 20 Jahren stehen .

  6. Jockel F.

    Der 2. Weltkrieg begann am 3. September durch die Kriegserklärungen Großbritanniens und Frankreichs. Deutschland hatte das Ultimatum verstreichen lassen und seine Truppen nicht aus Polen zurückgezogen. Kurioserweise hatte man Hitler jahrelang in Tschechien, Österreich oder im Saarland gewähren lassen und damit ermutigt. Polen, das sich seit Ende des 1. Weltkrieges vor allem damit hervor getan hatte, fast alle seine Nachbarn anzugreifen und seine Minderheiten übelst zu diskriminieren, war wohl schützenswerter. Oder auch nur strategisch wichtiger.
    Zu den Unglücklichen, die Polen zu „seinen“ Kriegsopfern rechnet, gehören übrigens auch jene deutschen, jüdischen und ukrainischen Zivilisten, die auf polnischem Territorium von den bis heute zu den Guten Zählenden massakriert wurden. Je mehr Tote, desto besser. Das ist seit jeher die Devise der polnischen Nationalisten, die heute international gehört die Klappe aufreißen.
    Erzähle mir keiner irgendetwas von Humanität, so lange die Opfer von Gewalt in einer nach Nation geordneten Reihenfolge betrauert werden (dürfen)!
    PS
    In Sankt Vith treibt sich seit Kurzem ein Herr mit Migrationsvordergrund herum, dessen nationalsozialistische Tätowierungen (Sig Runen) ganz offensichtlich niemanden stören. Woran’s wohl liegen mag?

    • Wenn ich das hier lese, was Sie so verbraten haben,frage ich mich,wie war es eigentlich möglich bei diesem all übergreifendem Hass und Antisemitismus im damaligen Polen, dass ein Jitzchak Schamir eigentlich Icchak Jaziernicki, Sohn eines Fabrikanten,Abitur in Bialystok machte und danach in Warschau an der dortigen Uni Jura studierte? Wie war denn das nun möglich ?Es gibt sehr viel solcher Beispiele .Anscheinend beruht Ihr Wissen und Ihre Meinung zu diesem Thema an den Evangelien eines „großen“ Verfechters des Internationalismus Alfred Rosenberg.

  7. Matthias Grüner

    Bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im Sommer 1944 kämpften viele Ostbelgier als tapfere Wehrmachtangehörige und begangen viele Massaker an der zivilen Bevölkerung. Nach Eroberung Berlins durch Rote Armee gab es dort 1.500.000 Menschen, nach der Eroberung Warschaus nur noch 1000. Keine andere Stadt als Warschau kein anderes Land als Polen hat so viele zivile Opfer. Darum möchte ich mich lieber zurückhalten und bei den polnischen Opfern bleiben und nicht unbedingt hier unsere ostbelgische Wehrmachtangehörige rechtfertigen.

    • Ekel Alfred

      @ Matthias Grüner, Steinmeier hat sich in Polen für die angerichteten Greueltaten der Deutschen entschuldigt….und um Vergebung gebeten….das ist die eine Sache….die andere wird die Entschädigungsfrage für die Polen sein….der unerwartete Geldregen (Überschüsse in Milliardenhöhe) wird nicht lange von Bestand sein….die Polen werden fordern….aber Deutschland hat’s ja….wie man hört….und liest….

      • Marsupilami

        Wenn Polen weiter auf neuen zusätzlichen Reparationen besteht, dann wird in Deutschland bald die erste Stimme laut die Schlesien, Pommern und Ostpreußen zurück haben wollen. Polen hat massiv Staatsgebiet von Deutschland bekommen und die deutsche Zivilbevölkerung von dort vertrieben. Dafür muß Polen dann auch Deutschland entschädigen.

  8. Siegmund Freud

    Und was ist mit dem „geheimen Zusatzprotokoll zum Nicht-Angriffspakt“ welches das Deutsche Reich
    mit der UDSSR geschlossen hat ??? Welches die Aufteilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der UDSSR behinhaltet, inkl. den gleichzeitigen Einmarsch der UDSSR.-Soldaten in das polnische Staatsgebiet. Nicht zu vergessen, dass die Russen als erste Amtshandlung jede Menge polnische Offiziere und Zivilisten erschossen hat. Es ist wohl unzweifelhaft, dass das III.Reich ohne das geheime Zusatzprotokoll mit den Russen , so schnell in Polen nicht einmarschiert waere.

  9. Nachgefragt...

    „Bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes im Sommer 1944 kämpften viele Ostbelgier als tapfere Wehrmachtangehörige und begangen viele Massaker an der zivilen Bevölkerung.“

    Belege?

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