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Das letzte Männchen seiner Unterart: Nashorn Sudan ist gestorben

03.05.2017, Kenia, Ol Pejeta: Ein Parkwächter steht neben dem männlichen Nördlichen Breitmaulnashorn Sudan im Wildtierreservat Ol Pejeta. Foto: Str/AP/dpa

Er war ein tierischer Popstar mit eigener Tinder-Seite. Nun ist Sudan, das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt, gestorben. Mit seinem Tod ist die gesamte Unterart des Breitmaulnashorns fast ausgestorben. Doch Forscher haben einen letzten Hoffnungsschimmer.

Sudan verbrachte einige seiner letzten Tage auf einem Bett aus Heu. Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt war oft zu schwach, um umher zu laufen. Leise schnaufend lag er im Schatten in seinem Gehege in einem Wildtierreservat in Kenia.

03.03.2018, Kenia, Nynyuki: Eines der beiden letzten verbliebenen weiblichen Nördlichen Breitmaulnashörner (l) und das weibliche südliche Breitmaulnashorn Tauwa stehen in dem Wildtierreservat Ol Pejeta nebeneinander. Foto: Gioia Forster/dpa

Seine Ohren drehten sich wie kleine Satellitenschüsseln in alle Richtungen, wohl neugierig, was der ganze Trubel um ihn herum soll. Immer mal wieder hob er seinen großen Kopf mit den zwei Hörnern, die so vielen seiner Artgenossen das Leben gekostet haben.

Im hohen Alter von 45 Jahren ist Sudan – genannt nach dem Land seiner Geburt, im heutigen Südsudan – gestorben. Er habe sehr gelitten und seine Tierärzte hätten entschieden, ihn einzuschläfern, erklärte am Dienstag das Wildtierreservat Ol Pejeta.

Mit dem Tod des berühmten Tieres ist auch seine gesamte Unterart fast von diesem Planeten verschwunden. Aber nur fast. Das Überleben der Unterart hängt nun an den letzten zwei Nördlichen Breitmaulnashörnern der Welt – an den Weibchen Najin und Fatu, Sudans Tochter und Enkelin. Und an modernster Forschung.

Von Wilderern nahezu ausgerottet

Einst zogen Nördliche Breitmaulnashörner in großer Zahl durch den Kongo, Uganda, den Tschad, den Sudan und die Zentralafrikanische Republik. Doch vor allem Wilderer rotteten die Unterart nahezu komplett aus.

Nashörner werden meist wegen ihrer Hörner gejagt, denn das pulverisierte Horn gilt in einigen asiatischen Ländern als Medizin. Allein 2015 wurden dem WWF zufolge 1342 Nashörner aller Arten getötet – drei bis vier am Tag.

15.03.2018, New York: Passanten gehen an der Skulptur des britisch-australische Künstlerduos „Gillie and Marc“ vorbei, das drei Breitmaulnashörner zeigt. Das Künstlerpaar will mit der Skulptur auf das Schicksal der letzten Exemplare des Nördlichen Breitmaulnashorns aufmerksam machen. Foto: Johannes Schmitt-Tegge/dpa

Viel zu spät schrillten im Fall des Nördlichen Breitmaulnashorns die Alarmglocken. 2009 wurde Sudan, seine Tochter, seine Enkelin und ein nicht verwandtes Männchen aus einem Zoo in Tschechien nach Kenia gebracht. „Es bestand die Hoffnung, dass das Klima und das reichhaltige Weideland von Ol Pejeta (…) bessere Fortpflanzungs-Bedingungen bereiten würde“, so das Reservat, das etwa vier Autostunden nördlich von Nairobi in der Region Laikipia liegt.

Die Tiere wurden in einem 700-Hektar-großen Gehege in dem Reservat 24 Stunden am Tag von bewaffneten Sicherheitsleuten bewacht. Keiner sollte den Nashörnern etwas antun können. Etliche Pfleger kümmerten sich um das Wohlbefinden der Tiere.

“Wir passen auf, dass Sudan richtig isst, dass er genug schläft, dass er es bequem hat“, erklärte einer seiner Pfleger, Jacob Anampiu, wenige Wochen vor seinem Tod. Dennoch klappte auch in Kenia die natürliche Fortpflanzung nicht. Die Chancen, die Unterart zu erhalten, schwanden dahin.

Aber einen Hoffnungsschimmer gibt es auch nach Sudans Tod: „Das Überleben dieser Unterart hängt eindeutig an den Weibchen“, sagt Steven Seet vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. In einem komplizierten Verfahren wollen Forscher des Instituts den Weibchen Najin und Fatu demnach Eizellen entnehmen und sie mit vor längerer Zeit gewonnenen, eingelagerten Spermien vereinen.

Begehrtester Junggeselle der Welt

Embryos können dann etwa von einem Südlichen Breitmaulnashorn ausgetragen werden, wie Seet erklärt. Eine mögliche Leihmutter, das 19-jährige Weibchen Tauwa, lebt bereits mit Najin und Fatu in Ol Pejeta.

“Den zwei weiblichen Breitmaulnashörner geht es gesundheitlich sehr gut“, sagt Tierarzt Stephen Ngulu, der sich seit mehr als zwei Jahren um die Tiere kümmert.

Das ist für die Wissenschaftler in Berlin, den USA, Südafrika und Kenia, die am Erhalt der Unterart arbeiten, wohl Grund zur Erleichterung. Ihre Forschung stößt aber immer wieder auf Hürden, etwa die hohen Kosten.

03.03.2018, Kenia, Nynyuki: Der Tierpfleger Jacob Anampiu steht vor dem Gehege des letzten männlichen Nördlichen Breitmaulnashorns der Welt in dem Wildtierreservat Ol Pejeta. Foto: Gioia Forster/dpa

Ol Pejeta zufolge könnte die künstliche Befruchtung bis zu neun Millionen Dollar kosten (etwa 7,3 Millionen Euro). Um Spenden zu sammeln, war Ol Pejeta einfallsreich: Auf der Dating-App Tinder bekam Sudan ein Profil, das weltweit von Nutzern der App zu sehen war. Er wurde als „der begehrteste Junggeselle der Welt“ angepriesen.

Ein Wisch nach rechts – ein Ausdruck des Interesses auf Tinder – brachte den Anwender auf eine Spenden-Website. Insgesamt konnte das Wildtierreservat nach eigenen Angaben bislang rund 250.000 Dollar (203.000 Euro) sammeln.

Das Leibniz-Institut ist optimistisch, dass die künstliche Reproduktion klappen wird. Wenn es eine Genehmigung gebe, die Eizellen der Weibchen aus Kenia auszuführen, könne es bereits in wenigen Monaten ein befruchtetes Embryo geben, sagt Seet. Die Wissenschaftler arbeiteten auch an einer weiteren Option, um aussterbende Arten zu retten: Stammzelltechnik, mit der etwa aus Hautzellen Spermien und Eizellen gezüchtet werden.

„Ich hoffe, ich werde in Zukunft ein neues Nördliches Breitmaulnashorn-Junges sehen“, sagte Sudans Pfleger Anampiu. Doch auch wenn die Unterart des Breitmaulnashorns durch modernste Technik überlebt – so weit hätte es eigentlich nie kommen dürfen. Ob die Geschichte von Sudan für die Zukunft ein warnendes Beispiel sein wird? (dpa)

16 Antworten auf “Das letzte Männchen seiner Unterart: Nashorn Sudan ist gestorben”

      • Merowinger

        In Europa, Asien, Australien sowie Nord und Südamerika verschwand die Megafauna ziemlich bald nach der Ankunft des Homo Sapiens in dem jeweiligen Gebiet. Wenn die Kolonisierung vorher Menschenleerer Gebiete durch den modernen Menschen nicht der beherrschende Faktor des Aussterbens war sind die Viecher komischerweise immer nur dann rein zufällig ausgestorben als der moderne Mensch in ein neues Gebiet vordrang. In Afrika war der Artenschwund am Geringsten da wir dort entstanden sind und die Tierwelt sich mit dem Menschen gemeinsam entwickelt hat. Das Artensterben ist somit kein Phänomen dass es erst seit der Neuzeit gibt. Jedoch die Geschwindigkeit mit der heute weltweit die Arten aussterben ist vergleichbar mit dem Asteroiden der die Dinos auslöschte. Der Mensch verändert seine Umwelt und Lebensumstände in einem Eiltempo in der die Evolution nicht mithalten kann. Der Mensch ist heute durch seine intellektuelle, kulturelle und technische Entwicklung zugleich die Krone der kognitiven Evolution und der Asteroid der das sechste große Massenaussterben einläutet welches am Übergang vom Pleistozän zum Holozän begann und sich bis in die Gegenward immer weiter fortsetzt.

  1. @rb1976: du hast Recht, aber das jetzige Artensterben ist um den Faktor 100 grösser als das natürlich erklärbare Artensterben.Umweltbelastung, Urbanisierung, ein Klima was sich schneller verändert als natürlich und Verfolgung durch den Menschen haben das bewirkt.
    Ich weiss das auf OBD Umweltschutz nicht sehr Ernst genommen wird, dennoch ist es mE Zeit die Alarmglocke schlagen zu lassen, auch wenn das einige Unverbesserliche nicht wahr haben wollen.

          • abendland

            das birkhuhn ist bedroht, weil der natuerliche lebensraum seit laengerem schrumpft und in der natuerlichkeit bedroht ist. die (natuerliche) globale erwaermung hat keinen einfluss darauf. wuerde das birkhuhn etwa besser leben oder vegetieren, wenn das regionale klima kaelter waere? wohl kaum.

            • Der Lebensraum wurde verbessert. Die Naturreservate sind nicht geschrumpft, sondern vergrössert worden .Entfichtungen haben stattgefunden, Heidelandschaften sind wiederhergestellt. Das Birkwild ist ganz klar der Verlierer des Klimawandels, es kommt in den nordischen Ländern noch massehaft vor, in GB wird es noch geschossen. In einem kälteren Klima hätte es mehr Chancen.

              • abendland

                im mittelalter war es aehnlich warm wie heute. wie hat das birkhuhn dann die roemische und mittelalterliche warmzeit ueberlebt?
                wenn das birkhuhn sich in freier natur nicht an den jetzigen natuerlichen klimawandel anpassen kann, wird es halt eben noetig sein, diese spezies in den zoo zu verlegen.

        • abendland

          das ist alles quatsch! der WWf ist schon lange eine politische organisation wie greenpeace. die reden genug vom klimawandel, um sich die kassen an spenden und an oeffentlichen toepfen voll zu machen, und das nicht erst seit heute.
          die meisten tiere sterben aus wegen menschlicher einflussnahme, richtig.
          wegen verschmutzung, wegen kleiner werdender lebensraeume, wegen jagd, wegen raubbau, etc… aber nicht wegen einer natuerlich waermer werdenden erdoberflaeche. dann waeren ja auch im mittelalter und zur roemerzeit, als es aehnlich warm war wie heute, viele tierarten allein wegen hoeherer temperaturen ausgestorben. populationsregionen koennen sich verschieben, das weiss man schon lange, aber welche bedeutende tierart ist deswegen in der juengsten vergangenheit ausgestorben? keines.

          uebrigens: der viel beredete eisbaer stirbt zum beispiel nicht aus. die population in den letzten 50 jahren hat sogar zugenommen:
          1960er jahre: 5-10.000 tiere
          seit den 1990er jahren: 20-25.000 eisbaren.
          diese zahlen sind geschaetzt. in regionen, wo geneue waehlungen stattfanden, bsp. spitzbergen, sind alle populationen angewachsen.

          • «das ist alles quatsch»
            Schon wie ihre Antwort anfängt muss man gähnen.

            Dass der WWF sich politisch engagieren muss ist doch selbstverständlich. Wie wollen sie denn sonst mit den verschiedenen Regierungen der Welt zusammen arbeiten? Oder was verstehen sie unter «politische Organisation»?
            Der WWF wird zu 90% aus den Beiträgen der Mitglieder und Spenden finanziert. Wenn sie staatliche Fördermittel bekommen, sind diese Projektbezogen.

            «… aber welche bedeutende tierart ist deswegen in der juengsten vergangenheit ausgestorben? keines.»

            Na da hab ich was für sie vom deutschen Umweltministerium:

            Zur Erholung benötigen die geschädigten Korallenriffe Zeit: Bei schnell wachsenden Korallen sind es 10 bis 15 Jahre, bei langlebigen Korallen viele Jahrzehnte. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels mit steigenden Luft- und Meeresoberflächentemperaturen scheint es unwahrscheinlich, dass dem extrem artenreichen und kostbaren Ökosystem diese Zeit gewährt wird. Nur kurzfristige und wirkungsvolle weltweite Maßnahmen zum Klimaschutz können zumindest einem Teil der Korallenriffe das Überleben ermöglichen.

            Kommen wir noch mal kurz zu den Eisbären. Es ist doch irgendwie logisch dass die sich seit Anfang der 70er vermehren, da wurde die Jagd auf Eisbären verboten die dramatische Züge annahm.

              • abendland

                stimmt. tier-populationen muessen gezaehlt werden. nicht nur um diese zu schuetzen, sondern auch um sie gelegentlich zu dezimieren, wenn diese ueberhand nimmt. ob das schwarzwild im heimischen wald ist, oder kaninchen in australien, oder elefantenbestaende in reservaten. die meisten landschaften, wie die in unseren breiten, sind keine natur- sondern kulturlandschaften. da der mensch diese geschaffen hat, muss auch der mensch der „gaertner“ derselben sein. schutz und jagd sind gleichermassen wichtig.

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