Er war als Großherzog fast vier Jahrzehnte Staatschef in Luxemburg – und hat mit die Weichen für einen modernen, europäischen Staat gestellt. Jetzt trauert sein Land: Jean von Luxemburg ist tot.
Im Kreis des Hochadels war sein Platz immer in der ersten Reihe: Auf Tuchfühlung und Augenhöhe mit den anderen Königinnen und Königen Europas, vor allem aber mit der englischen Monarchin.
Altgroßherzog Jean von Luxemburg, von 1964 bis zur Abdankung im Jahr 2000 Staatschef, war als Mitglied des Hauses Nassau-Weilburg und „Königliche Hoheit“ zeitlebens einer der diskretesten und unauffälligsten Royals. Ein Mann ohne Skandale. Jetzt ist er im Alter von 98 Jahren nach einer Lungenentzündung gestorben. Sein Sohn und Amtsnachfolger Henri teilte den Tod am Dienstag mit.
Wenn Jean beim „Trooping the Colour“, der jährlichen Geburtstagsparade von Königin Elizabeth II., in der Uniform eines Oberst der Irish Guards direkt hinter der Queen ritt, zeigte dies die ganz besonders engen Beziehungen der beiden Königshäuser. Später wurde er sogar Ehrengeneral der britischen Armee.
Als 19-Jähriger floh er 1940 unmittelbar vor der deutschen Besetzung Luxemburgs nach England und trat 1942 in das Regiment der Irish Guards ein. Dieses galt als der „katholische Teil“ der britischen Streitkräfte – was seiner Mutter, der streng katholischen Großherzogin Charlotte, auch zu Kriegszeiten wichtig war.
Schon vor seiner Thronbesteigung kämpfte der Erbprinz für die Interessen seines Landes: In der Armee der Alliierten landete er im Juni 1944 in der Normandie, nahm kurz darauf an der Schlacht von Caen und an der Befreiung Brüssels teil.
Bei seiner Rückkehr nach Luxemburg im September 1944 feierte das ganze Land den Prinzen in der britischen Uniform als Helden: Die Bevölkerung hatte Jean als Garanten für Freiheit und Unabhängigkeit ins Herz geschlossen. Ende 1944 kämpfte er noch gegen die deutsche Ardennenoffensive.
„Für mich war die Begegnung mit meinen Landsleuten vom September 1944 zweifellos eines der großen Ereignisse meines Lebens“, schrieb Jean 1999 in einem Artikel für das Magazin der Irish Guards. Flucht, Exil, Widerstand und Heimkehr waren für Großherzogin Charlotte und deren Sohn Jean prägende Erfahrungen.
Im April 1953 heiratete Jean die belgische Prinzessin Joséphine Charlotte, die Schwester der belgischen Könige Baudouin I. und Albert II. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, darunter der derzeit amtierende Großherzog Henri. 1964 bestieg Jean dann den Thron, nachdem seine Mutter Charlotte abgedankt hatte. Großherzogin Joséphine Charlotte starb 2005 nach einem schweren Krebsleiden.
In seiner 36-jährigen Regentschaft entwickelte sich Luxemburg vom Agrar- und Industriestandort zum modernen Dienstleistungszentrum. So siedelten sich ab Ende der 1960er Jahre die ersten internationalen Banken in Luxemburg an; ein 350 Hektar großes Areal für Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft wurde erschlossen. Diese Entwicklung Luxemburgs lag „Seiner Majestät“ stets am Herzen.
Im Großherzogtum war Jean ungemein beliebt. Immer wieder wurden seine Jubiläen königlich gefeiert: Etwa das 50. Jahr nach seiner Thronbesteigung (2014) oder der 95. Geburtstag (2016). Er lebte in einem Schloss oberhalb des kleinen luxemburgischen Ortes Fischbach. Der Altgroßherzog, der mit „Monseigneur“ angeredet wurde, übte sein Amt mit äußerster Diskretion und ohne politische Äußerungen aus.
So gelangte – anders als bei anderen Königshäusern – nur wenig Privates über die Palastmauern nach außen. Schon während seiner Zeit im Amt, später erst recht.
Seine privaten Vorlieben wurden bereits in einem englischen Internat geprägt, in das er als 13-Jähriger geschickt worden war: Reiten, Fechten, Schwimmen und Skifahren. Auch war er ein begeisterter Pfadfinder, der noch kurz vor der Thronbesteigung 1964 in kurzen Hosen die Ernennung zum „Silver Wolf“ der Boy Scouts entgegennahm. Und auch im hohen Alter ließ er sich als Luxemburger „Chef-Scout“ Pfadfindertreffen nicht entgehen. (dpa)