Nachrichten

Hans Küng ist tot: Rebell gegen „geistliche Diktatur“ in der katholischen Kirche – „Mehr Jesus, weniger Papst“

18.03.2005, Baden-Württemberg, Tübingen: Hans Küng, Tübinger Theologe und Gründer der Stiftung „Weltethos“, steht am nach einer Feierstunde anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Stiftung in Tübingen neben seiner Büste, die der Künstler Serge Mangin gefertigt hat. Foto: picture alliance / dpa

Rebellisch und unbeugsam war er, manchmal penetrant, und zugleich einer der wichtigsten Kämpfer für eine Verständigung zwischen den Religionen: Der katholische Theologe Hans Küng hat sein Leben lang für eine moderne und zugleich ursprüngliche Kirche gekämpft.

“Mehr Jesus, weniger Papst“ war eine seiner Hauptforderungen, mit der er für viele reformorientierte Katholiken zu einer Galionsfigur wurde und in Rom in Ungnade fiel. Er war einer der wichtigsten Gegenspieler von Papst Benedikt XVI.

Am Dienstag starb Küng im Alter von 93 Jahren in Tübingen. Er sei friedlich in seinem Haus in Tübingen eingeschlafen, teilte eine Sprecherin der Stiftung Weltethos in Tübingen mit.

24.10.2004, Baden-Württemberg, Stuttgart: Der Tübinger Theologe Hans Küng, aufgenommen in der katholischen Domkirche St. Eberhard in Stuttgart. Foto: Marijan Murat/dpa

Eine Episode aus den 1960er Jahren wird in Tübingen bis heute gern erzählt: Küng und Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., waren damals Kollegen an der katholischen Fakultät. Doch während Ratzinger still und unauffällig mit dem Fahrrad zur Uni kam, fuhr Küng mit seinem laut röhrenden Alfa Romeo vor. Während der feingeistige Ratzinger in Rom Karriere machte, wurde der polternde Küng zu seinem lautesten Kritiker.

Egal, mit wie vielen theologischen Fragen sich Küng beschäftigt hat: Letztlich war der Kampf gegen die zentralistische römische Kirche sein Lebensthema. Die Kirche sei von einer Gemeinschaft der Gläubigen zu einer „geistlichen Diktatur“ geworden, schrieb er 2011 in seinem Buch „Ist die Kirche noch zu retten?“. Der biblische Jesus Christus habe die Päpste beim Ausbau ihrer Macht gestört und sei durch ein „selbstfabriziertes Kirchenrecht“ verdrängt worden.

All die großen Probleme wie der Priestermangel, der Mitgliederschwund oder der Skandal um sexuellen Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche – für Küng waren sie die Folge einer ausufernden päpstlichen Macht.

01.06.2018, Vatikan, Vatikanstadt: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. Foto: Daniel Karmann/dpa

Sein Gegenprogramm erinnerte in vielen Punkten an die Forderungen der protestantischen Reformatoren. Die katholische Kirche müsse sich wieder auf die Bibel konzentrieren. Dort stehe nichts davon, dass Priester im Zölibat leben müssten oder dass Frauen keine Priester werden dürften. „Wenn Jesus von Nazareth wiederkäme, würde er weder die Pille verbieten noch die Geschiedenen zurückweisen“, sagte er einmal.

Der gebürtige Schweizer hatte zunächst eine typisch katholische Priester-Karriere eingeschlagen. Geboren wurde er am 19. März 1928 als Sohn eines Schuhhändlers in der Kleinstadt Sursee. Mit 20 ging er an die Päpstliche Universität in Rom, 1960 wurde er Professor in Tübingen, wo er für den Rest seines Lebens blieb.

Ein Höhepunkt in seinem Leben war die Berufung zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962 bis 1965. Unermüdlich hat Küng später an die dort gefassten reformorientierten Beschlüsse erinnert und es bitterlich beklagt, dass Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Kirche wieder auf einen konservativen Kurs lenkten.

Abkehr von Rom, vom Zölibat oder vom Pillen-Verbot

In den 1970er Jahren zweifelte Küng in seinen Büchern immer vehementer die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramts an. Mehrmals mahnte die römische Kurie ihn zur Ordnung, verbot schließlich die Veröffentlichung einiger Bücher. „Es ging um die bedingungslose Unterwerfung unter das römische Diktat“, meinte Küng später. Aber unterwerfen wollte er sich auf keinen Fall. 1979 ließ Johannes Paul II. ihm deshalb die Lehrerlaubnis entziehen.

Doch anders als vom Vatikan gehofft, war Küng durch diesen Schritt alles andere als mundtot gemacht – vermutlich steigerte er seine Popularität noch. Die Uni Tübingen schuf für ihn einen Lehrstuhl für ökumenische Theologie. Küng wurde zu einem der wichtigsten Vordenker der Verständigung zwischen Christen, Juden und Muslimen.

Freddy Derwahls Doppelporträt von Papst Benedikt XVI. und Hans Küng.

Innerkirchlich allerdings haben ihm seine Maximalforderungen nach einer Abkehr von Rom, vom Zölibat oder vom Pillen-Verbot auch den Vorwurf des Populismus eingebracht. Zwar schaffte es Küng, die Befindlichkeiten kirchenkritischer Menschen zu treffen. Doch beim Versuch, die Kirche und die Welt moderner Katholiken unter einen Hut zu bringen, habe er auch ein „schwammiges, wohlmeinendes Ethik- Destillat“ entwickelt – wie es die „Süddeutsche Zeitung“ einst beschrieb.

Dass ausgerechnet sein alter Weggefährte Joseph Ratzinger, den Küng immer wieder als „Großinquisitor“ bezeichnete, Papst wurde, hat ihn im hohen Alter noch einmal zusätzlich gereizt. Immer wieder appellierte Küng an die deutschen Bischöfe, endlich Ungehorsam gegenüber dem Papst zu leisten. Auch unter Benedikts Nachfolger Franziskus blieb ihm sein Wunsch verweigert, von Rom rehabilitiert zu werden.

Doch seine Interviews wurden zuletzt seltener und seine Appelle weniger energisch. Unter anderem durch eine Parkinson-Erkrankung versagten ihm die Hände den Dienst. Auch sehen konnte er immer schlechter, wie er 2013 in seiner Autobiografie öffentlich machte. Darin schrieb er auch, dass er notfalls mit Hilfe einer Schweizer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben scheiden wolle.

“Ich will nicht als Schatten meiner selbst weiterexistieren“, macht er klar. „Der Mensch hat ein Recht zu sterben, wenn er keine Hoffnung mehr sieht auf ein nach seinem ureigenen Verständnis humanes Weiterleben.“

Er empfinde keine Furcht, sondern glaube fest an ein Leben nach dem Tod, sagte er. Sein Grab auf dem Tübinger Stadtfriedhof, unweit der letzten Ruhestätte seines Freundes, des Philologen Walter Jens, hatte Küng schon längst ausgesucht. (dpa)

21 Antworten auf “Hans Küng ist tot: Rebell gegen „geistliche Diktatur“ in der katholischen Kirche – „Mehr Jesus, weniger Papst“”

  1. Pumpernickel

    Küng hat es nicht geschafft und Papst Franziskus wird es auch nicht schaffen: die Kirche wieder in die Nachfolge Christi zu bringen. Papst Franziskus kommt aus der Welt der Armen und weiß, was Armut bedeutet: „Matthäus: Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt, usw.“ Das hat Papst Franziskus vorgelebt. In Rom eckt er mit diesem Versuch, die Kirche zu reformieren, bei den violetten „Würdenträgern“ an. Schlimmstes Beispiel: Papst Ratzinger Benedikt, der in seinem Elfenbeinturm von Gott träumt, während Franziskus die Arme hochkrempelt und mitanpackt, wo es was zu tun gibt. Genauso schlimm: der polnische Papst, der die südamerikanischen Befreiungstheologen zum Schweigen brachte. Der Papst „Pillen-Paul“ wusste anscheinend nicht besser. Was der Papst Johannes XXIII mit dem Konzil begonnen und den Gläubigen neuen Mut gebracht hat, haben seine Nachfolger systematisch wieder zerstört. Bis auf Papst Franziskus. Er hat vermutlich die Nichtsegnung gleichgeschlechtlicher Paare toleriert, damit die Kirchenbasis ENDLICH mal revoltiert und ihm somit Schützenhilfe gibt, im Kampf gegen die diktatorische mittelalterliche Institution Kirche, die anscheinend mit Jesu Botschaft nicht viel am (Kardinals-)Hut hat. Jesus würde wahrscheinlich, wie einst die Händler aus dem Tempel, die Kardinäle aus dem Vatikan vertreiben und sie in die Seelsorge in die Pfarren schicken, wo die kleinen Priester sich abrackern und trotz aller Anstrengung sehen, wie die Gläubigen ihnen davonlaufen.

  2. Walter Keutgen

    Pumpernickel, in dem, was von Jesus‘ Leben in den Evangelien rüberkommt, ist aber auch Widersprüchliches, wodurch die durch die Schulen auf rationelles Denken gepolten Westeuropäer es verdammt schwer haben, das zu verstehen und als Vorbild zu nehmen. Z.B.: Einerseits „wie einst die Händler aus dem Tempel vertrieben“ gegen „wenn, man Dir auf die rechte Wange schlägt, halte die linke hin“ und „wenn jemand deinen Mantel will, gib ihm auch den Rock“, also Gewalt gegen Gewaltlosigkeit. Letztere Beispiele sind Gift für einen Familienvater, seine Kinder würden letztendlich verhungern. Ihr Beispiel aus dem Matthäus-Evangelium gegen den Vorwurf der Pharisäer, Jesus nehme an Banketten bei den stinkreichen Steuereintreibern Teil, wovon er einem auf die Frage eines „Was soll ich tun“ antwortete: „Begnüge dich damit, nach Tarif zu kassieren“. Was auch stimmt, ist, dass wir Westeuropäer seit etwa dem Konzil Vatikan II in unerhörtem Wohlstand leben und die Priorität sich vom einfachen Überleben zu Höherem verschiebt. Und nicht vergessen Vatikan II ist das erste Konzil seit Vatikan I, das wegen Garibaldi abgebrochen worden ist. Dann kamen die unsäglichem Weltkriege. In fast einem Jahrhundert konnte die katholische Kirche nur auf Sicht fahren.

  3. Guido Scholzen

    Was war Küng denn schon? Er war doch nur ein Theoretiker wie alle anderen Theologen auch.
    Küng hat gezeigt, was jeder Mensch kann: nämlich die Kirche kritisieren – ja und das war auch alles, was er konnte.
    Die römische Kirche kritisierte er als zu zentralistisch, und den Papst auf den Stuhl Petri als zu autoritär. Wenn er sich aber mit dem Dalai Lama abgab, der in seiner Funktion als oberster Würdenträger des tibetischen Buddhismus ein ebenso absoluter Chef seiner Glaubensgemeinschaft ist, damit hatte Küng nie Probleme.
    Und den Kapitalismus, vor allem amerikanischer Prägung, kritisieren, das konnte er.
    Mit sozialistischen Ideen hatte Küng, ebenso wie sein Kirchenkritikerkollege und Befreiungstheologe Leonardo Boff, offenbar nie Probleme. In den 1980er und 1990er, als ich einige Interviews mit Küng sah, war auch vom Umbruch in Europa die Rede, doch anscheinend interessierte es ihn nicht viel. Sein Augenmerk war doch eher theoretischer Natur. Seitdem war Küng für mich nur noch ein sinnfreier Theoretiker ohne prakmatischen Hintergrund.

    Und dann gründete er sein Projekt „Weltethos“. Für mich eine Gutmenschen-Wohlfühl-Gruppierung wie Greenpeace oder FFF, aber eben mit religiösen Ideen, die bei näherer Betrachtung sehr weltfremd bis lächerlich wirken.
    „Weltethos“ bedeutete für Küng vor allem eines: Rom darf ohne Einschränkung kritisiert werden, und bei allen anderen Religionen drücken wir ein Auge zu, und sowas nennen wir dann Dialog. Er vertrat sogar die Idee, dass der Westen sich den Islam zurechtgebombt hat, und nur deshalb hätten Reformkräfte im Islam sehr wenig Chancen. Das andere Religionen, wie z.B. Islam, von sich aus menschenverachtend sein können, solche Ideen versuchte er stets zu entkräftigen.
    Typisch Gutmensch.

    Nein, es ist kein herausragender Denker von uns gegangen.

  4. Pumpernickel

    @ Scholzen . Sehr geehrter Herr Scholzen, ich möchte Sie gerne fragen, in wie vielen Fachbereichen Sie Ihren Doktor gemacht haben. Es kann doch nicht sein, dass Sie zu jedem Thema den Oberlehrer machen müssen. Wer alles zu wissen glaubt, überzeugt schließlich auch sich selbst, dass er niemals irrt (Zitat).
    Ihre Meinung zu Küng ist Ihre Meinung. Punkt. Ein anerkannter Professor, der sich für den Weltfrieden einsetzt, kann in Ihren Augen nur ein links-grün Versiffter sein. Was hat man Ihnen nur angetan, dass sie so allergisch auf alles reagieren, was in Ihren Augen „links-grün versifft ist“?

  5. Pumpernickel

    Wer wissen möchte, was Hans Küng getan hat, der schlage bei Wikipedia nach. Er hat für den Weltfrieden eine Basis gelegt (Initiator der Stiftung Weltethos). Küng erhielt Ehrendoktorwürden der University of St. Louis, Missouri (1963), der Pacific School of Religion, Berkeley, California (1966), der Loyola University Chicago (1970), der University of Glasgow, UK (1971), der University of Toronto, Kanada (1984), der University of Cambridge, UK (1985), der University of Michigan, Ann Arbor (1985), der University of Dublin, Irland (1995), der University of Wales, Swansea (1999), des Ramapo College, New Jersey (1999), des Hebrew Union College – Jewish Institute of Religion, Cincinnati (2000), der Florida International University, Miami (2002), des Ecumenical Theological Seminary, Detroit (2003), der Università degli Studi di Genova, Italien (2004), der Universidade Federal de Juiz de Fora, Brasilien (2007) sowie der Universidad Nacional de Educación a Distancia, Spanien (2011).

    Küng war unter anderem Gründungsmitglied der Internationalen Zeitschrift für Theologie Concilium, Associate Editor des Journal of Ecumenical Studies, Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und des PEN American Center, der Académie Internationale des Sciences Religieuses, der American Academy of Religion, Präsident der Herbert-Haag-Stiftung für „Freiheit in der Kirche“, Luzern sowie Co-Präsident der World Conference on Religion and Peace, New York.
    Er hat vor der UN-Vollversammlung gesprochen, hat Holocaust-Gegner bekämpft. Außerdem war er erfolgreicher Schriftsteller, übersetzt in vielen Sprachen, mit dem einzigen Ziel: Wege zum Weltfrieden aufzuzeigen.
    Frage an Walter Keutgen, Pierre und Dr. Guido Scholzen: was haben Sie persönlich schon für den Weltfieden getan?

    • Walter Keutgen

      Pumpernickel, und Sie meinen solche Umtriebigkeit hätte zu mehr Weltfrieden geführt? Also theoretisch hat er offenbar Unmengen getan und ist dafür unmenglich geehrt worden. Wobei ich mir nicht die innere Frage unterdrücken kann, viel Antipapisten haben ihn geehrt. Meine Frage war aber „praktisch“. War nicht der Jugoslawienbürgerkrieg in den 90er Jahren? Da hätte er doch mit seinem Auto hinfahren können und den Mächtigen gut zureden können und sie überzeugen, so einen Krieg nicht anzufangen. Ich war damals im Hamsterrad und konnte nur staunen; die USA haben es am Ende gerichtet – nicht mit Büchern. Jetzt, wo ich endlich Zeit habe, staune ich, wie viele sich gegenseitig beweihräuchernde Gutmenschen, gute Menschen wage ich nicht zu schreiben, es gibt, die alle von dem, was die Hamsterräder überproduzieren, gut leben.

      PS: Hat er wirklich Holocaust-Gegner bekämpft? Ein verspäteter Nazi?

      • Guido Scholzen

        Sie sind leider auch nur ein Theoretiker wie Küng.
        Gleich und gleich gesellt sich gern.
        Sie wollen auf „schlimmes Gedankengut“ nicht mehr antworten.
        Ja, so hat Küng das auch gemacht nach Gutmenschen-Art, und das nennt man dann Dialog, wenn Gutmenschen einen Monolog vom Zaun brechen und nicht mehr zuhören wollen.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern