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Krisenprofiteur „Big Oil“: Warum Exxon, BP, Shell und Total im Geld schwimmen [Fragen & Antworten]

Foto: Shutterstock

Es ist einer der großen Aufreger der Energiekrise: Während Verbraucher unter hohen Preisen fürs Heizen oder Tanken ächzten, verdiente die Ölindustrie im vergangenen Jahr besser denn je.

Shell und BP in Großbritannien, ExxonMobil und Chevron in den USA, TotalEnergies in Frankreich – dank der infolge des Ukraine-Kriegs kräftig gestiegenen Öl- und Gaspreise fuhren die „Big Five“ genannten Schwergewichte der Branche horrende Gewinne ein. Fragen und Antworten.

– Warum ist das Thema so umstritten?

Dass in Zeiten hoher Inflation und steigender Leitzinsen, aber auch globaler Erwärmung und Klimakrisen ausgerechnet der Öl- und Rohstoffsektor im Geld schwimmt, sorgt bei vielen Menschen für Empörung. Kritiker fordern höhere Investitionen in Förderprojekte und Erneuerbare Energien von den Konzernen, die über Aktienrückkäufe und Dividenden enorme Summen an ihre Investoren verteilen.

11.05.2022, Hamburg: Blick auf die Öltanks der Shell-Raffinerie im Hafen. Foto: Marcus Brandt/dpa

– Wer sind die größten Profiteure?

Allein der größte US-Ölkonzern Exxon strich 2022 einen Nettogewinn von knapp 56 Milliarden Dollar ein – rund 140 Prozent mehr als im Vorjahr und das höchste Ergebnis in der mehr als 140-jährigen Geschichte des Unternehmens. Experten gehen davon aus, dass Exxon, Chevron, BP, Shell und Total im vergangenen Jahr zusammen einen Profit von rund 190 Milliarden Dollar gemacht haben.

– Weshalb verdienten die Ölmultis so viel?

Entscheidend waren die gestiegenen Energiepreise. Der Preisschock durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine machte Rohöl im Frühjahr so teuer wie seit über zehn Jahren nicht. Das Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zeitweise fast 140 Dollar. Seitdem ging es aber wieder nach unten, zuletzt lag das Barrel bei rund 80 Dollar.

Die hohen Preise sind nicht der einzige Grund für die Mega-Profite. „Anders als die Gewinne haben die Ölpreise keine Rekorde erreicht“, erklärte die Ökonomin Isabella Weber von der University of Massachusetts im September bei einer US-Kongressanhörung. Niedrige Produktionskosten seien auch ein wichtiger Faktor. So habe die Branche teure Förderanlagen wegen des Nachfrageeinbruchs in der Pandemie stillgelegt und noch nicht wieder voll in Betrieb genommen – obwohl die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise den weltweiten Ölbedarf wieder erhöht habe und das Angebot durch den Ukraine-Krieg und Sanktionen gegen Russland beschränkt worden sei.

08.10.2022, Belgien, Feluy: Aktivisten der Gruppe „Code Rouge“ blockieren einen Zug der Firma TotalEnergies bei einer Protest-Aktion in Feluy in der Provinz Hennegau. Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA/dpa

Der globale Ölverbrauch lag 2022 laut US-Regierungsangaben leicht unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019. Es gebe schlichtweg wenig Anreize für Ölkonzerne, die Produktion auszuweiten, meint Expertin Weber. „Wer will schon mehr fördern, um weniger zu verdienen?“

– Was unternimmt die Politik?

Im Oktober bezeichnete US-Präsident Joe Biden Unternehmen wie Exxon öffentlich als „Kriegsgewinnler“, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nachkämen. Die Verbalattacke erfolgte im US-Wahlkampf, sie zeigt jedoch, wie die Branche die Gemüter erhitzt. Biden kündigte an, Optionen prüfen zu lassen, um die Ölindustrie in die Pflicht zu nehmen.

Europa war da schon einen Schritt weiter: Die EU beschloss im September, die spektakulären Profite von Energiefirmen mit einer sogenannten Übergewinnsteuer zu belegen. Mit dem Geld sollen Entlastungen für Bürger und Firmen finanziert werden. Exxon hat bereits angekündigt, die Steuer juristisch anzufechten.

– Hätten die Unternehmen die Preissteigerungen vermeiden können?

Einzelne Konzerne produzieren meist zu wenig, um das globale Ölangebot stark zu beeinflussen. Preismacht hat vor allem die Öl-Allianz Opec+. Der Einfluss des von dem großen Förderstaat Saudi-Arabien angeführten Kartells, das 2016 um zehn Nicht-Opec-Länder – darunter Russland – erweitert wurde, ist mit einem weltweiten Marktanteil von etwa 40 Prozent erheblich.

USA, Deer Park: Eine Flamme brennt in der Shell Deer Park Ölraffinerie in Deer Park, Texas. Foto: Gregory Bull/AP/dpa

Entscheidend ist zudem der weltweite Ölbedarf, der von der Konjunktur abhängt. So mussten die Multis während der Wirtschaftsflaute in der Corona-Krise zeitweise weit unter ihren Produktionskosten verkaufen. 2020 machte Exxon 22,4 Milliarden Dollar Verlust. Die Konzerne sehen sich zu Unrecht am Pranger: „Die Dämonisierung der Ölindustrie muss aufhören“, klagte der US-Branchenverband WSPA im Oktober.

– Was wird den Ölkonzernen konkret vorgeworfen?

Dass die Unternehmen nicht mehr Geld in die Hand nehmen, um in Zeiten von Knappheit und hohen Preisen mehr Energie bereitzustellen, ist ein häufig zu hörender Vorwurf. Exxon-Chef Darren Woods weist ihn zurück: „Unsere Ergebnisse haben zwar klar vom günstigen Marktumfeld profitiert, doch die antizyklischen Investitionen, die wir vor und während der Pandemie getätigt haben, lieferten den Menschen die benötigte Energie, als die wirtschaftliche Erholung einsetzte und das Angebot knapp wurde“.

Exxon als Helfer in der Not? Tatsächlich gab der größte westliche Ölkonzern 2022 nach eigenen Angaben rund 22,7 Milliarden Dollar für Investitionen in Ausrüstung sowie Erkundungs- und Förderprojekte aus – bei einem Umsatz von 413,7 Milliarden.

– Was machen die Unternehmen mit dem ganzen Geld?

Chevron kündigte jüngst an, in großem Stil Gewinne an seine Aktionäre zu verteilen. So sollen ab April Aktien im Wert von bis zu 75 Milliarden Dollar zurückgekauft werden. Dazu will Chevron den Anteilseignern eine Quartalsdividende von 1,51 Dollar je Aktie zahlen – gut sechs Prozent mehr als in den vorherigen drei Monaten.

01.09.2022, Deutschland, Aachen: Eine Shell-Tankstelle in der St. Vither Straße in Aachen. Foto: OD

Chevrons Gewinnausschüttungen sorgten angesichts des krassen Volumens für Aufsehen, doch auch der Rest der Branche vernachlässigt seine Aktionäre nicht. Den Puls von Kritikern, die sich mehr Investitionen wünschen, lässt das weiter steigen. US-Präsident Biden hat sich bereits für eine Sondersteuer auf Aktienrückkäufe ausgesprochen.

– Wie rechtfertigt die Branche ihre Gewinnausschüttungen?

Die Öl- und Gasindustrie sei ein robuster Treiber der US-Wirtschaft – von dem Millionen amerikanischer Haushalte durch direkten Aktienbesitz, Anteile an Investmentfonds, Altersvorsorge- oder andere Finanzprodukte profitierten, heißt es vom Lobbyverband American Petroleum Institute.

Laut Ökonomin Weber sind die tatsächlichen Gewinner der Öl-Bonanza aber vor allem wohlhabende Investoren, Finanzprofis der Wall Street und Vermögensverwaltungen. Verlierer seien hingegen arme Menschen sowie Firmen und Regierungen, die unter hohen Energiepreisen litten. Aktienrückkäufe und Dividenden dienen zudem der Kurspflege und der Aufhübschung bestimmter Bilanzkennziffern – das kann auch dem Management stark zugute kommen. (dpa)

22 Antworten auf “Krisenprofiteur „Big Oil“: Warum Exxon, BP, Shell und Total im Geld schwimmen [Fragen & Antworten]”

  1. delegierter

    es ist wie immer, jetzt wo die Staatsprämie beim Heizöl sinkt oder wegfällt, da fällt auch der Preis für den Sprit.
    Natürlich kann niemand nachweisen, daß da etwas manipuliert wurde. Das ist die freie Marktwirtschaft ;)
    Obwohl der Preis für Rohöl nie dramatisch hoch war. Was? Absprachen ? Neieinn, die hat es nie gegeben. Und natürlich sind dem Minister die Hände gebunden, der muß so viele Stricke halten.

  2. Warum handelt die Politik nicht? Inflation, Hohe Enriepreise, zum Teil Armut, Alles ist in die Höhe geschnellt! Der Bürger hat keine Wahl; er muss alles blechen!
    Währenddessen lässt die Politik laufen was läuft!
    Die konnten ja AUF ALLES EINEN DECKEL SETZEN!?
    Sich selber inklusiv, denn deren Löhne und Renten sind schon lange sehr viel zu Hoch und Völlig!
    Unerhörte Nachlässigkeit und Frechheit!
    Abwählen!

  3. Dass die Windbarone die hohen Preise an den Strombörsen natürlich ebenso gerne nehmen, und dann im Geldspeicher mitschwimmen, verschweigt der dpa Artikel. Wäre ja nicht politisch korrekt auf deren Gewinnmitnahmen zu verweisen. Des weiteren wird als alleinige Ursache der Preisrally der Ukraine-Krieg genannt, was nachweislich falsch ist. Schon im Jahre 2021 zogen die Energie- und Rohstoffpreise stark an, dass kann jeder Einkäufer aus der Industrie leicht nachweisen. Aber auch das passt nicht zum Narrativ der alleinigen Schuld Putins an unserer desolaten Energiesituation. Klar, Putin hat die Entwicklung beschleunigt, losgetreten hat sie aber unsere Politik mit ihrem „green deal“ und dem absolut irren „1,5° Ziel“ womit man alles an die Wand fährt was die letzten 70 Jahre aufgebaut wurde.

  4. der heilige josef

    Ohne all die Rohstoffe aus Russland werden die Normalbürger hierzulande enden wie die Arbeitnehmer in den USA, viel Arbeit wenig Geld oft keine Krankenversicherung. Denn ohne sie haben wir nur bedruckte Baumwolle mit Eurozeichen. Vorbei ist ist es mit dem Wohlstand für Alle, der alte Klassenstaat lässt schon lange wieder grüßen. Auf Wiedersehen du gute alte Soziale Marktwirtschaft, wir können uns so was nicht mehr leisten.

  5. DR ALBERN

    @ der heilige Josef, es ist nicht so, wie SIE es schreiben! Bereits 60% der DEUTSCHEN haben den Urlaub jetzt schon gebucht! Riesengrosse Häuser werden überall gebaut! Autos der Premiumklasse weit und breit! Also ist auch Geld da, denn ohne kann man sich dies sicherlich nicht leisten!

  6. Robin Wood

    @DR ALBERN
    Ich glaube Ihnen, was Sie schreiben. Aber wie ist es mit dem Rest der Deutschen? Tun wir um 10% Reiche weg und 10%, die gar nicht fahren wollen, könnte es vielleicht zwischen 10% und 20% geben, die sich keinen Urlaub leisten können? Ist jetzt meine Vermutung.
    Die Schere zwischen arm und reich wird immer grösser. Wenn weiterhin viele Firmen aus Deutschland abziehen, gibt es mehr Arbeitslose usw. Der Mittelstand schwächelt auch immer mehr und wir dürfen nicht vergessen, wie viele Menschen der Mittelstand beschäftigt.

    Hier eine interessante Diskussion mit Antje Hermenau:
    https://www.youtube.com/watch?v=zaEdtizcmYk

    (Achtung: Es ist eine Diskussion auf BILD TV – das tut zwar nichts zur Sache, was Frau Hermenau sagt, aber ich weiss ja, wie verpönt dieses Medium hier ist) ;-)

    • 9102Anoroc

      Manchmal werden Gewinne besonders hervorgehoben , wenn man für die Zukunft prognostiziert dass es bald bergab geht , mit dem Ziel noch mal neue Investoren für sich gewinnen zu können.
      Bei den Gewinnspannen für die Zukunft dieser Unternehmen könnte man wohl nur noch diese beiden Zeichen präsentieren❓️❓️
      Wenn man tatsächlich alle verbrennermotoren durch elektrische Motoren ersetzen wird, wird dies ein noch nie da gewesener rückgängiger Verkauf der waren dieser Konzerne bedeuten.

      Dem Steuerzahler sollte doch eigentlich das Geld für die Infrastruktur sowie der Ladesäulen einfach entwendet werden
      Damit das mit den E-Fahrzeugen auch funktioniert ?
      Oder bin ich wieder falsch informiert?
      Demnach haben die großen Konzerne, bzw Tankstellenbetreiber in Zukunft ja nichts mit den Ladesäulen zu tun, sonst müssten sie die kosten für Infrastruktur und Ladesäulen ja selber tragen?
      Nicht?
      Vielleicht investieren ja aber bereits schon große Konzerne durch die übermäßigen Gewinne, in Infrastruktur und Ladesäulen für Elektrofahrzeuge.
      Zweifeln darf man aber ob so Gewinne eingefahren werden können, es sei denn man gehört gleichzeitig zu den stromenergie-betreibern ;
      gibt es ja schon und dieses Geschäft wird man sich wohl nicht entgehen lassen .
      Also gibt es einen Rückruf der Idee, für die 15 Milliarden die dem Steuerzahler eigentlich entwendet werden sollten❓️
      Für die Zapfsäulen von Brennstoffen musste schließlich auch niemals der Steuerzahler aufkommen , sondern logischerweise derjenige der den Sprit verkauft.
      Weshalb sollte es beim Stromverkauf anders sein ?
      Man hört jedenfalls nichts mehr davon, dass man uns 15 Milliarden nehmen möchte, um an weiteren Milliarden durch unseren Verbrauch zu verdienen.
      Ein Vorteil hat es natürlich für manche.
      Wer kein Auto hat oder sich in Zukunft kein E-Fahrzeug leisten kann, darf diese Infrastruktur zum Gelingen des Betreibens von E-Fahrzeugen gleich für die wohlhabende Schicht mitbezahlen.
      Nutznießer also wie immer die gleichen.
      Die Lösung ist ganz einfach .
      Derjenige der den Strom verkauft, muss auch finanziell dafür sorgen dass er ihn überhaupt verkaufen kann.
      dazu zählt selbstverständlich die Ladesäule selbst, sowie die finanzielle Beteiligung an den Kabeln für das gesamte Netzwerk und das Verlegen der Kabel.

  7. DR ALBERN

    @ Robin Wood, es kann aber etwas nicht stimmen! In NRW hat man noch nie so viele Leute in Arbeit gebracht, wie z. Zt. laut AKTUELLE STUNDE! Die Betriebe haben ihr Personal behalten, um für die Zukunft gerüstet zu sein, trotz Corona und Energiekrise!

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