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Besuch eines Facharztes in Deutschland ab dem 1. Juli: Was besagt die „Ostbelgien-Regelung“?

Vorstellung der neuen "Ostbelgien-Regelung" am Dienstag im Europasaal des Ministeriums in Eupen. Foto: Gerd Comouth

Trotz des Protests der Krankenkassen und der Regierung der DG wurde das sogenannte IZOM-Abkommen über die fachärzliche Versorgung von belgischen Patienten in Deutschland Ende des Jahres 2016 für beendet erklärt. Eine Verlängerung bis zum 30. Juni 2017 konnte erreicht werden. Jetzt einigte man sich auch auf eine Nachfolgeregelung, „Ostbelgien-Regelung“ genannt, ab dem 1. Juli 2017.

Die Einzelheiten dieser „Ostbelgien-Regelung“ wurden am Dienstag im Europasaal des Ministeriums in Eupen vorgestellt.

Anwesend waren Vertreter der Freien Krankenkasse, der Christlichen Krankenkasse (CKK), der Neutralen Krankenkasse (Mutualia), der Sozialistischen Krankenkasse (Solidaris) und der Hilfskasse für Kranken- und Invalidenversicherung HKIV sowie Gesundheitsminister Antonios Antoniadis (SP) und sein Berater Olivier Warland.

Foto: Gerd Comouth

Was beinhaltet die neue „Ostbelgien-Regelung“, über die schon so viel geschrieben wurde, noch bevor sie überhaupt zustande kam und die auch schon im Vorfeld der Präsentation am Dienstag von der CSP-Fraktion im DG-Parlament kritisiert wurde?

Alle Bürger der 9 ostbelgischen Gemeinden sowie der Gemeinden Weismes, Malmedy, Baelen, Bleyberg und Welkenraedt können ab dem 1. Juli 2017 spezialisierte Gesundheitsleistungen bei Fachärzten oder Einrichtungen im Raum Aachen sowie in den Landkreisen Bitburg, Prüm und Daun in Anspruch nehmen und die Erstattung der Kosten bei ihrer Versicherung zu besonderen Bedingungen geltend machen.

A. Ambulante Gesundheitsleistungen

Eine ambulante Krankenbehandlung erfordert keinen tagesklinischen Aufenthalt und keine Unterbringung in einem Krankenhaus.
Es gibt zwei Möglichkeiten, um sich unter besonderen Bedingungen ambulant behandeln zu lassen.

1- Pauschale Rückerstattung OHNE Bescheinigung:

Wenn ein Ostbelgier direkt, ohne Überweisung durch einen belgischen Spezialisten, einen Facharzt in Deutschland aufsucht, geht der Patient in Vorkasse. Die Kosten kann er dann in Belgien bei seiner Krankenkasse geltend machen.

75% dieser Summe werden von der Krankenkasse übernommen. Seine Eigenbeteiligung liegt bei 25% des deutschen Preises für die Leistung, wenn die Rechnung geringer als 200 Euro ist.

Foto: Gerd Comouth

Liegt sie höher als 200 Euro, erfolgt die Erstattung auf Grundlage der entsprechenden europäischen Richtlinie. Konkret heißt das: Für jede Leistung wird die Erstattung errechnet, die auch in Belgien hierfür anfallen würde. Ohne diese Regelung würde der in Belgien Krankenversicherte auch bei Leistungen unter 200 Euro nur die Rückerstattung gemäß dem belgischen Leistungskatalog erhalten.

2- Erstattung der Kosten MIT Bescheinigung:

a. Wird ein Ostbelgier aus dem definierten geografischen Gebiet von einem ostbelgischen Spezialisten zu einem Facharzt im von der Regelung betroffenen Gebiet in Deutschland überwiesen, wird diese Behandlung über ein sogenanntes S2-Formular der Krankenkassen abgesichert. Dieses Formular ist vorher bei der Krankenkasse anzufragen.
b. Für fachärztliche Behandlungen eines deutschen Neuro- oder Kinderpsychiaters erhält man auch automatisch ein S2 bei der Krankenkasse;
c. Für Gesundheitsleistungen für ein Kind bis zum Erreichen seines 14. Lebensjahres nach Überweisung eines belgischen Kinderarztes aus dem von dieser Regelung betroffenen Gebiet.

In allen drei Fällen unter Punkt 2 erfolgt die Rückerstattung nach deutschem Tarif (ähnlich wie bei IZOM). Ohne diese Regelung würde der in Belgien krankenversicherte Patient nur die Rückerstattung gemäß dem belgischen Leistungskatalog erhalten.

B. Stationäre Gesundheitsleistungen

Man spricht von einer stationären Behandlung, wenn:

– der Patient mindestens eine Nacht im Krankenhaus verbringen muss;
– es sich um tagesklinische Behandlung handelt.

Foto: Gerd Comouth

Folgende Möglichkeiten bestehen für eine Hospitalisierung bzw. eine tagesklinische Behandlung und die Kostenübernahme mittels eines S2-Formulars:

a. Nach Überweisung durch einen Facharzt aus dem von der Regelung betroffenen belgischen Einzugsgebiet;
b. Als Fortsetzung einer ambulanten Behandlung bei einem Facharzt aus dem deutschen Einzugsgebiet, für die bereits ein S2-Formular ausgestellt wurde (siehe Punkt 2);
c. Als Fortsetzung einer ambulanten Behandlung bei einem Facharzt aus dem deutschen Einzugsgebiet, für die der Patient eine Rückerstattung in Höhe von 75% erhalten hat (siehe Punkt 1).

Ohne diese Regelung würde der in Belgien krankenversicherte Patient nur die Rückerstattung gemäß dem belgischen Leistungskatalog erhalten.

C. Medikamente

Die Erstattung von Medikamenten erfolgt nach dem belgischen Leistungskatalog.

Der Patient holt die Medikamente in einer belgischen oder deutschen Apotheke ab und streckt die Gesamtkosten vor, ehe er sie anschließend bei der belgischen Kasse zurückfordern kann.

Wenn das Medikament in Belgien nicht in der gleichen Form zugelassen ist, dann kommt die Krankenkasse für die Kosten nicht auf.

D. Nicht abgedeckte Gesundheitsleistungen

Eine nicht vollständige Liste definiert die Leistungen, die von der Kostenübernahme im Rahmen der „Ostbelgien-Regelung“ ausgeschlossen sind. Nicht abgedeckt sind u.a.:

Foto: Gerd Comouth

– Gesundheitsleistungen außerhalb des vorgegebenen geografischen Gebiets (z.B. eine Behandlung in Dortmund, ob mit oder ohne Überweisung durch einen belgischen Arzt). Hier greifen die üblichen europäischen Regeln;
– Medikamente, die nicht im belgischen Leistungskatalog aufgenommen wurden;
– Leistungen, die nicht durch einen Arzt/Spezialisten erbracht werden;
– Leistungen, die im Erstattungstarif der belgischen Krankenkassen nicht abgedeckt sind (z.B. Akupunktur);
– ästhetische Chirurgie;
– notärztliche Leistungen werden über die europäische Krankenversicherungskarte abgedeckt.

Sonderfälle

Damit Behandlungen, die vor dem 1. Juli 2017 begonnen haben, nicht von heute auf morgen beendet werden müssen, wird ein Gremium, bestehend aus Vertrauensärzten der örtlichen Krankenkassen, im Einzelfall über eine mögliche Fortführung der Behandlung im Rahmen des S2 befinden. Dies ist jedoch nur bis zum Ende der Behandlung und spätestens bis zum 31. Dezember 2017 möglich.

HINWEIS – Die „Ostbelgien-Regelung“ gilt bis zum 30. Juni 2018 und kann nach einer gründlichen Evaluation verlängert werden. Bei Fragen zu sämtlichen Details und Auswirkungen der Ostbelgien-Regelung wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse. Sie steht Ihnen als kompetente Ansprechpartnerin jederzeit zur Verfügung.

10 Antworten auf “Besuch eines Facharztes in Deutschland ab dem 1. Juli: Was besagt die „Ostbelgien-Regelung“?”

  1. im Fall von Unfall oder gar Körperverletzung hat man ja noch nicht mal die Wahl in das Spital seines Vertrauens gebracht zu werden – ob man will oder nicht man wird meistens nach Eupen gebracht und meine Erfahrungen dort – naja einen deutschrachigen Arzt muss man da wohl erst noch in der Notaufnahme erfinden und bei der Behandlung ect…..bisher obwohl Schmerzen genug vorhanden waren – wurde dort NIE was gefunden – nö auch nicht beim Röntgen oder vom Scanner her – man wird mit nem Rezept für Dafalgan oä dann abgespeist und entlassen…….was ist denn falls es doch was ernstes ist und ein Krankenhaus in Aachen als bsp das feststellt – wer kommt denn dafür auf ??? muss denn da der Betreffende alles aus eigener Tasche bezahlen – nur weil in Belgien Fehldiagnosen gestellt wurden ? Der Patient ist und bleibt in Belgien bei diesem System so oder so der Leidtragende und hat das Nachsehen, besonders die Bevölkerung der DG die keine eigenen UNI-Kliniken hat und gezwungener Masse nach Deutschland müsste wo man auch Verstanden wird………aber NEIN – in Belgien wird man diesbezüglich gezwungen nach Lüttich oder Brüssel zu gehen wo erst recht kein Arzt der deutschen Sprache mächtig ist und kein Patient wohl in der Lage ist sich nen extra Dolmetscher zu leisten.

    ARMES BELGIEN !

    • Pensionierter Bauer

      Die Chance in einem der Lütticher Großkrankenhäuser einen Arzt zu treffen welcher der deutschen Sprache mächtig ist mindestens genau so groß wie im Eupener Krankenhaus.
      Ich spreche aus Erfahrung.

  2. Caroline v.Keudell

    Was passiert, wenn man mit seinem Kind normalerweise bei einem deutschen Facharzt in einer Klinik ambulant behandelt wird, eine Zeit alles ok ist, aber dann ein Notfall auftritt. Dann will man doch direkt ins betreffende Krankenhaus z.B Klinikum und kann nicht erst Überweisung oder S2 anfordern. Weiß jemand, was in solchen dringenden Situationen zu tun ist.?Bisher holte man sich dann das IZOM nachträglich und brachte es zur Krankenhausverwaltung. Über eine Info hierzu würde ich mich freuen.

    • Pensionierter Bauer

      Europa stirbt…….., soviel ich weiß war dies das einzige grenzüberschreitende Gesundheitsprojekt dieser Art in der EU. Ob es gut war, dass man nach dem Land des Arztes die Kosten zurückerstattet bekam, wage ich zu bezweifeln. Einheitliche Regelungen in ganz Europa wären anzustreben, aber hier treffen 28 verschiedene Systeme aufeinander die auch noch sehr stark bei den Honoraren abweichen. Das Projekt Europa hat noch einen sehr weiten steinigen Weg vor sich. Europa braucht wieder Staatslenker die mit Einigungswille und realem Blick in die richtige Richtung schreiten.

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