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Geht die Imagekampagne von Katar nach hinten los? – Bewerbung um Olympische Spiele 2036 als nächstes Ziel

18.12.2021, Katar, Doha: Tamim bin Hamad Al Thani (M), Emir von Katar, winkt, während er im Rahmen des Nationalfeiertags in Katar an einer Militärparade teilnimmt. Foto: Mahmoud Hefnawy/dpa

Das schwerreiche Emirat Katar steht für klimatisierte Moderne und Aufbruch im Eiltempo. Die dort laufende Fußball-WM wird aber von negativen Schlagzeilen begleitet. Nun kommen Vorwürfe zur illegalen Einflussnahme in Brüssel hinzu. Endet der Höhenflug als Bauchlandung?

Eigentlich hätte es für Katar ein gutes Jahr werden können: Gastgeber der Fußball-WM und damit wochenlang im Fokus der Weltöffentlichkeit, dazu zahlungsstarke Regierungen, die der Führung in Doha wegen seiner Gasvorkommen den Hof machen. Außerdem eine wachsende Rolle als Vermittler bei internationalen Konflikten, etwa durch seine Kontakte zu radikalen Gruppen wie Hamas und Taliban sowie zum Iran.

Das Emirat am Persischen Golf, hätte man meinen können, war auf dem Weg nach oben. Mit dem Korruptionsskandal im EU-Parlament scheint der Höhenflug in einer Art Bauchlandung zu enden.

30.03.2022, Katar, Doha: Dhow-Boote, wie sie früher die Perlentaucher genutzt haben, fahren mit Touristen im Meer vor der Skyline von Doha. Foto: Christian Charisius/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

Im Raum steht, dass Katar dort mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben soll, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Auch wenn die Vorwürfe, die Katar bestreitet, nicht bestätigt sind: Nach vielen negativen Schlagzeilen rund um die Weltmeisterschaft in Katar – zur Lage der Menschenrechte, den Arbeitsmigranten, den Korruptionsvorwürfen bei der WM-Vergabe – dürfte das Image einen noch tieferen Kratzer bekommen haben.

Katar, das steht für Aufbruch im Eiltempo, für klimatisierte Moderne und Wolkenkratzer, wo noch vor 100 Jahren vor allem Wüstenvölker lebten. Die Staatskassen füllt das Land, das mit dem sogenannten North Field über das größte Gasfeld weltweit verfügt, vor allem durch Langzeitverträge für die Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) unter anderem nach Asien. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise ließ die Nachfrage noch kräftig steigen.

Auch international ist Katar, eine Halbinsel etwa viermal so groß wie das Saarland, zu fast überproportional hohem Ansehen gelangt. Doha vermittelte den – wenn auch später katastrophal verlaufenen – US-geführten Truppenabzug aus Afghanistan und nahm 60 000 Evakuierte vorübergehend auf. Die USA, die in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten unterhalten, verlegten ihre Botschaft nach Doha und lassen sich in Afghanistan durch die Katarer vertreten. Nachdem 2021 eine jahrelangen Blockade durch Saudi-Arabien und Verbündete endete, ist das Emirat auch regional gestärkt. Im Konflikt des Westens mit dem Iran ist Doha ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner.

30.03.2022, Katar, Doha: In Doha kann man auf der Promenade Corniche am Wasser entlang spazieren. Foto: Christian Charisius/dpa

Aber die Öffentlichkeitsarbeit steckte dabei „in den letzten Jahren noch in den Kinderschuhen“, sagt Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandfunk. PR-Firmen seien spät engagiert worden. Wenn die katarische Führung oder deren Diplomaten wirklich glaubten, dass sie durch Geldgeschenke Einfluss in Europa erkaufen könnten, sei das ein „Hinweis auf große politische Dummheit“, sagt Steinberg. Womöglich wüssten sie einfach nicht, wie politische Einflussnahme in Brüssel abläuft.

Dort greift nach dem ersten Schock auch das Misstrauen um sich. Der französische Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann schrieb auf Twitter bereits, das aufgedeckte Netzwerk sei überwältigend. „Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang…“ Die gesamten Beziehungen der Europäischen Union zu Katar dürften auf den Prüfstand gestellt werden. Jeder Kontakt wird im Nachhinein argwöhnisch begutachtet.

So etwa die zahlreichen Treffen des Vize-Präsidenten der EU-Kommission Margaritis Schinas. Der Grieche ist in der Behörde unter anderem für Sport zuständig, traf in dieser Funktion zuletzt regelmäßig katarische Regierungsvertreter – und lobte die Reformen und Fortschritte des Landes etwa bei Arbeitnehmerrechten. Die französische Fraktionschefin der Linken forderte angesichts derlei „Lobeshymnen“, die Verbindungen zwischen Katar und den Mitgliedern anderer EU-Institutionen zu überprüfen.

20.03.2022, Katar, Doha: Robert Habeck (l, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Scheich Mohammed bin Hamad bin Kasim al-Abdullah Al Thani, Minister für Handel und Industrie von Katar. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Schinas wiederum hält die Kritik für unbegründet. „Alle meine öffentlichen Äußerungen zu Katar, jedes einzelne Wort, sind zu hundert Prozent mit der Politik der Kommission vereinbar“, sagte er unlängst. „Das ist die Europäische Kommission. Wir improvisieren nicht, wir erfinden keine Positionen.“ Als Geschenke von katarischen Regierungsvertretern habe er einen Fußball und eine Schachtel Pralinen erhalten, die er seinem Fahrer überlassen habe; außerdem einige WM-Souvenirs.

Wichtige Gasabkommen mit Katar würden sicher nicht gekippt, weil das Land „irgendwelche obskuren Politiker in Brüssel möglicherweise hat bestechen lassen“, sagt Experte Steinberg. In eine ähnliche Richtung äußerte sich am Dienstagabend der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der erklärte, die mutmaßliche Bestechung von EU-Politikern und das Thema Gaseinkäufe seien „zwei verschiedene Sachen“.

Auch bei der Fußball-WM werde der Nutzen für Wirtschaft und Image trotz vieler Kritik langfristig überwiegen, meint Robert Mogielnicki von der US-Denkfabrik AGSIW, etwa für den Tourismus und andere große Vorhaben in der Zukunft. Berichten zufolge plant das Land bereits eine Bewerbung, im Jahr 2036 die Olympischen Spiele auszurichten.

Mit einer Reihe von Top-Ereignissen hat Katar in den vergangenen Jahren seine sportpolitische Strategie untermauert. Die Handball-WM 2015, die Rad-WM 2016, die Turn-WM 2018 und die Leichtathletik-WM 2019 richtete Doha bereits aus.

01.10.2019, Katar, Doha: Stabhochspringer Raphael Holzdeppe aus Deutschland bei der Leichtathletik-WM 2019 in Doha. Foto: Michael Kappeler/dpa

Die vorläufige Krönung ist das Gastspiel der Fußball-Weltelite um Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Auch die Formel 1 und die Profi-Tennistour machen in den nächsten Jahren regelmäßig Station in Katar. 2024 kommt dann die Schwimm-WM nach Doha.

Der dritte Anlauf auf Sommerspiele wirkt da schon fast wie eine logische Konsequenz. Mit den Bemühungen um Olympia 2016 und 2020 war Katar schon in der Vorauswahl gescheitert. Die nächsten drei Ausgaben sind bereits an Paris 2024, Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 vergeben. 2036 könnte dann wieder Asien an der Reihe sein, so das mögliche Kalkül in Katar. Erstmals Olympia in der arabischen Welt und in einem islamischen Land, auch damit könnte das Emirat beim für solche Argumente empfänglichen Internationalen Olympischen Komitee (IOC) werben.

Doch die jüngsten Erfahrungen mit Katar könnten den bei der Gastgeber-Auswahl nicht zimperlichen Ringe-Zirkel abschrecken. Bei der Leichtathletik-WM verstörten Bilder von in der Hitze kollabierten Marathon-Läufern die Sportfans, ähnlich war es davor bei der Rad-WM. Auch das Zuschauer-Interesse hielt sich in Grenzen.

Vor der Fußball-WM brüskierten die Organisatoren mit dem kurzfristigen Ausschank-Verbot für alkoholisches Bier einen der Top-Sponsoren des Weltverbands FIFA. Und nun sorgt auch noch Katars mögliche Verwicklung in einen Korruptionsskandal im EU-Parlament für negative Schlagzeilen. (dpa)

6 Antworten auf “Geht die Imagekampagne von Katar nach hinten los? – Bewerbung um Olympische Spiele 2036 als nächstes Ziel”

  1. Wunder Katar

    um Katar mache ich mir keine Sorge, denn für sie geht es immer weiter und alles wird besser.
    Das schwerreiche Emirat Katar lacht sich tot, denn sie können mit ihrem Geld unsere
    Politiker kaufen und die funktionieren dann wie Marionetten.
    Die die Geld annehmen verraten unsere Werte und unser Land.
    Machen wir uns lieber Sorge um Europa, bezw. um Belgien.
    Nicht die Katarer die bezahlen sind schuld sondern die korrupten Europäer die das Geld annehmen. Ohne diese Menschen hätte das Geld der Katarer keinen Wert.

  2. Quo vadis AS Eupen?

    Apropos Katar: wenige Tage vor dem WM-Finale in Doha darf man gespannt sein, wie es demnächst um das Engagement der Wüstensöhne bei der AS Eupen bestellt sein wird. Nachdem endgültig feststeht, dass das „Experiment“ Ausbildung von Fußballern für die katarische Nationalmannschaft aus sportlicher Sicht als gescheitert betrachtet werden muss, besteht eigentlich kein Grund mehr, einen Club wie die AS Eupen noch weiter zu alimentieren. Sportlich gesehen sicher KEIN Verlust, aber es wäre sehr schade für die zahlreichen Beschäftigten aus der Region. Hoffentlich geht das gut aus.

  3. Fußball Fan

    Also wenn man von der wahrscheinlich besten WM aller Zeiten geht dann dürfen die ruhig Die Olympia austragen .
    So stell ich mir ein Event auf sportlicher Ebene vor .
    Bravo Katar und danke für die geile WM

  4. Solche „Feste“ sollen ruhig dort bleiben, wo auch Geld und Platz für einen solchen Zirkus ist.
    Wenn man verfolgt, was in Paris alles platt gemacht wird, ist die Wüste eigentlich eine sehr gute Lösung.
    Die Pharaonen bauten sich Pyramiden, die Scheichs Fussballstadien und Wolkenkratzer.

    • 9102Anoroc

      @ – 5/11
      15:58

      In der Wüste sind auch die Arbeiter leichter gestorben, die die Stadien errichtet haben.
      Bestimmt nicht alle , aber jeder einzelne war zu viel.
      Wenn dann noch ein männliches Kopftuch zu diesem Skandal den Spruch raushaut – das eben sterben zum Leben gehöre –
      , muss man sich fragen wie überhaupt ein Europäer diesen Zirkus besuchen konnte.

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