Politik

Die Wahl in Deutschland wird zeigen, was die angeblich repräsentativen Meinungsumfragen noch wert sind

19.09.2021, Berlin: Olaf Scholz (l-r), SPD-Spitzenkandidat in der Bundestagswahl und Bundesfinanzminister, Annalena Baerbock, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen deren Parteivorsitzende, und Armin Laschet, Spitzenkandidat von CDU/CSU in der Bundestagswahl, CDU-Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, stehen bei dem Dritten TV-Triell, der Kanzlerkandidatendiskussion bei ProSieben und Sat.1, im Studio H im Stadtteil Adlershof. Foto: Willi Weber/Prosieben/Seven.One/dpa

In Deutschland wird an diesem Sonntag ein neuer Bundestag gewählt. Der extrem langweilige Wahlkampf wurde von fast täglichen Umfragen beherrscht, die angeblich repräsentativ sind, von denen man aber nicht weiß, was sie in der heutigen sehr komplexen Welt noch wert sind.

In den Umfragen der vergangenen Tage kommt die SPD durchgängig auf 25 oder 26 Prozent, CDU und CSU liegen bei 20 bis 23, die Grünen bei 15 bis 17 Prozent. Die FDP erreicht 10 bis 13 Prozent, die Linke kommt auf 6 bis 8 und die AfD auf 11 oder 12 Prozent.

In einer neuen Insa-Umfrage im Auftrag der „Bild“-Zeitung legten CDU und CSU um 1,5 Punkte auf 22 Prozent zu, die SPD verliert einen Punkt und kommt auf 25 Prozent. Grüne (15 Prozent) und Linke (6,5 Prozent) bleiben gleich. AfD (11 Prozent) und FDP (12 Prozent) verlieren im Vergleich zur Vorwoche jeweils einen halben Punkt.

Foto: Pixabay

Zweifel an den Ergebnissen sind indes mehr denn je angebracht. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Demoskopen am Wahlabend zu den eigentlichen Verlierern gehören, weil sie mit ihren Prognosen mal wieder daneben lagen.

Der Journalist und Autor Gabor Steingart misstraut denn auch den Prognosen der Meinungsforscher. Die Zahlen böten nur eine „Scheingenauigkeit“, sagt er. In einem Gespräch mit dem WDR erklärte Steingart, die Grundgesamtheit der Umfragen sei einfach zu klein. Viele Menschen, vor allem jüngere Menschen, würden die Demoskopen erst gar nicht erreichen, weil deren Handynummer nicht bekannt sei.

Im Übrigen, so Steingart, gebe es heute viel mehr Unentschlossene, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die größte Partei sei die der Wahlberechtigten, die sich noch nicht entschieden hätten. 2013 waren etwa zwei Wochen vor der Wahl 24 Prozent noch unentschlossen, 2017 waren es 35 Prozent und diesmal sogar 40 Prozent.

10.02.2020, Berlin: Journalist, Autor und Medienmanager Gabor Steingart. Foto: Kay Nietfeld/dpa

„Es ist nur eine Scheingenauigkeit, die Wahl wird anders verlaufen, als dies heute gesehen wird“, ist Steingart überzeugt.

Der Belgische Rundfunk (BRF) und die DG beauftragen regelmäßig das Institut Forsa mit einer Umfrage, deren Ergebnisse Forsa-Chef Manfred Güllner dann persönlich in Eupen präsentiert. Zu 99,9 Prozent fallen die Befragungen auch im Sinne des jeweiligen Auftraggebers aus. Die Frage ist indes nicht nur, wie teuer solche Umfragen sind, sondern auch, ob sie überhaupt zuverlässig sind.

Die Demoskopie steckt schon länger in der Krise. Viele Medien beschäftigen sich neuerdings mit dem Thema. Das Misstrauen gegenüber angeblich repräsentativen Meinungsumfragen wächst, zumal sich inzwischen durch Online-Befragungen im Internet andere und deutlich kostengünstigere Methoden anbieten, um zumindest einen Trend in der öffentlichen Meinung zu gleichwelchem Thema zu erkunden.

„Es ist ganz schön lädiert, das Image der Meinungsforscher“, schrieb die renommierte deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“: „Trump und Brexit nicht vorhergesagt, die AfD lange unterschätzt. Vorhersagen mögen als Gesprächsstoff taugen, aber kann man ihnen noch trauen?“

Ministerpräsident Oliver Paasch (r) und Forsa-Chef Manfred Güllner (l) bei der Vorstellung der Ergebnisse einer Forsa-Umfrage in Eupen. Auch die DG-Regierung beauftragt regelmäßig das Institut Forsa mit einer Umfrage. Foto: OD

Elisabeth Noelle-Neumann, die 2010 verstorbene Grande Dame der Demoskopie in Deutschland und Gründerin des Allensbach-Instituts, sagte schon vor vielen Jahren zum Thema Meinungsforschung:

„In vielerlei Hinsicht war die Qualität der Demoskopie 1947 besser als jetzt. Erstens werden Umfragen heute statt nachhaltig zu oberflächlich und billig produziert, weil die Auftraggeber den Unterhaltungswert erkannt haben und die Umfrageunternehmen gewinnorientiert statt fundiert arbeiten. Weder bei Emnid noch bei Forsa gibt es einen Mitarbeiter, der einen Vortrag an der Universität halten könnte. Und zweitens macht sich in der Demoskopie immer mehr eine politische Orientierung bemerkbar – deshalb weichen die Ergebnisse der Wahlprognosen immer häufiger so grotesk voneinander ab.“

Es sind vor allem die vielen suggestiven Fragen, die Meinungsforschungsinstitute nicht selten ins Zwielicht bringen und immer wieder den Verdacht aufkommen lassen, dass sie allein schon aufgrund der Fragestellungen nichts unversucht lassen, damit die Ergebnisse letztlich auch im Sinne des Auftraggebers ausfallen. (cre)

7 Antworten auf “Die Wahl in Deutschland wird zeigen, was die angeblich repräsentativen Meinungsumfragen noch wert sind”

  1. besserwisser

    Viele Umfragen sind Manipulert von speziellen Unternehmen die versuchen die Menschen zu beeinflussen mit ihren Zahlen;
    Der Mensch reagiert aber anders, schliesslich gehts doch um viel Soziales, , Es ist bewiesen das gesunder Menschenverstand sich an seinen persönlichen Lebenstandard orientiert und hält.
    Ihr werdet sehen, für Vernunftige Wähler ist Die Umwelt sicher bedeutend aber lange noch nicht an erster Stelle.

  2. Corona2019

    @ – besserwisser

    Sind es wirklich die Umfragen die manipuliert sind? Oder versucht man die Umfragen ins Lächerliche zu ziehen , ?
    weil die weil die Wahlen manipuliert werden?
    In der heutigen Zeit traue ich der Politik alles zu

  3. Verulkung pur

    Die Situation bei unsern Nachbarn von z Zeit, zeigen uns ein vollkommenes Durcheinander und Schlamasel unter den TV Anstalten, den Medien aller Art, ob ältere und neuerer Art!
    Da überschlagen sich die Journalisten mit Fragen, Bohrungen, Behauptungen der skurilsten Art und Weise.
    Ob Fleischhauer, Siri, Plasberg, Zervakis, und wie sie alle heissen, einjeder will der bessere wie der andere sein?!
    Der Konsument und Wähler wird zugedeckt bis obenhin von derartig vielem Mist und Tralala, dass es Kotzesatt wird.
    Gutenacht seriöser und ehrlicher Journalismus!
    Na dann viel Vergnügen nächstes WE!

  4. Hausmeister

    Also, wie gesagt, als „Rääächter“ wundere ich mich, dass in den Triells und auch in anderen politischen Formaten das Thema Migration völlig fehlte. Angeblich sollten sich doch Hunderttausende von Afghanen nach Europa aufmachen. Wo sind die denn jetzt? Oder warten die noch bis der Wahlsonntag vorbei ist?

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