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Das „Autohaus der Zukunft“ wird den Autohandel revolutionieren

Gino Decoster, Ausbilder beim ZAWM, bei der Vorstellung des Internet-Projekts „Garage 4.0“. Foto: Gerd Comouth

Der KfZ-Bereich steht vor großen Veränderungen. Um morgen für die Herausforderungen von übermorgen gewappnet zu sein, ist man heute schon gezwungen, sich entsprechend vorzubereiten. Das fängt bei der Ausbildung an. Dazu führte „Ostbelgien Direkt“ ein Gespräch mit Gino Decoster vom ZAWM.

Seit mehr als 35 Jahren unterrichtet Gino Decoster am Zentrum für Aus- und Weiterbildung im Mittelstand (ZAWM) Eupen Lehrlinge und Meister im Kfz-Lehrfach. Ähnlich wie in anderen Lebensbereichen durchläuft die Branche eine rasante technologische Entwicklung.

Ausbildungsstätten, Hochschulen, Verbände (TRAXIO, ZDK, BOVAG) und Fachkräfte aus der Euregio möchten sich nun den Herausforderungen stellen und haben ein entsprechendes Interreg-Projekt gestartet.

Ausbildungsminister Harald Mollers, Gino Decoster und Thomas Pankert, Direktor des ZAWM Eupen (vlnr). Foto: Gerd Comouth

Unter dem Titel „Garage 4.0“ suchen die Projektpartner nach Ansätzen, um die hiesigen Kfz-Betriebe konkurrenzfähig zu halten und die zukünftige Generation in der Aus- und Weiterbildung entsprechend vorzubereiten.

Der Etat dieses Projekts beläuft sich auf über 2,4 Millionen Euro, wovon das ZAWM Eupen mit Hilfe einer Kofinanzierung durch die DG rund 300.000 Euro Eigenfinanzierung aufweisen muss.

In einem Netzwerk von betroffenen Einrichtungen und mit assoziierten Partnern will man vorausschauend alle Akteure auf ein „Autohaus der Zukunft“ vorbereiten.

„Autohändler muss auf den Kunden zugehen und nicht warten, dass dieser zu ihm kommt“

Technologie und Digitalisierung sind ein entscheidender Faktor in der Ausrichtung zukünftiger Gewerbstätigkeiten der Automobilbranche.

„Ostbelgien Direkt“ sprach mit Gino Decoster über die Projektinhalte von „Garage 4.0“ und die zukünftige Entwicklung im Automobilsektor.

OD: Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Garage 4.0“?

Gino Decoster: Die korrekte Bezeichnung in der deutschen Sprache müsste „Kfz-Betrieb 4.0“ lauten. Für den Eupener ist die Bezeichnung „Garage“ schon verständlich, doch unsere deutschen Nachbarn können diese nicht zuordnen. Ziel des grenzüberschreitenden Projekts ist die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen in unserer Grenzregion im Kfz-Bereich. In den kommenden fünf Jahren wird die laufende Entwicklung des Sektors noch wesentlicher voranschreiten. Der Automobilverkauf wird sich nicht mehr ausschließlich auf den Autohändler beschränken. Vielmehr zeichnet sich jetzt schon ab, dass der Ankauf im Onlinehandel stattfindet.

OD: Heißt das, dass man künftig ein Auto kauft wie jetzt schon ein Buch oder eine DVD über Amazon?

Decoster: Grundsätzlich wird sich der potenzielle Käufer im Internet kundig machen. Er hat dann die Möglichkeit, in großen Zentren (sprich: Stores) das gewünschte Auto in Augenschein zu nehmen. Hier ist die neue Autogeneration bereit, mal schnell über 100 km zu fahren. Jedoch für die spätere Wartung des Fahrzeugs sucht sie sich regionale Standpunkte aus. Sicherlich ist die Sorge unserer Händler um ihre Zukunft berechtigt, und hier setzt das Projekt an.

OD: Ersetzt zukünftig das Internet den Autoverkäufer?

Gino Decoster (links) und Michael Johnen auf dem Brüsseler Automobilsalon im Januar 2016 an einem ausgestellten Wasserstoff-Fahrzeug von Hyundai. Foto: OD

Decoster: Die heutigen Händler werden das Fahrzeug weiterhin ausliefern. Daran wird sich höchstwahrscheinlich nichts ändern. Die aktuelle Form des Verkaufs wird aber komplett wegbrechen. Für den Betrieb bleiben dann neben einer Auslieferungsprämie lediglich noch die Wartung und der Unterhalt der Fahrzeuge als Serviceleistung erhalten. Hier müssen nun neue Geschäftsfelder eröffnet werden, um den Kunden an sich zu binden. Die Automobilbranche tendiert schon in diese Richtung, ähnlich wie es beim Mobiltelefon schon ist: ein kompaktes Fahrzeuggefüge, das man nicht mehr rein mechanisch öffnen kann.

OD: Verbirgt sich hinter diesen Aussichten nicht die Gefahr, dass die Betriebe weniger Arbeit haben werden?

Decoster: Die Wartungsintervalle bei den Fahrzeugen werden immer länger. Das bedeutet: weniger Arbeit im Betrieb, die Wartungsarbeiten werden verkürzt, und die neuen Antriebstechnologien werden zusätzlich dazu führen, dass der Arbeitsaufwand sich verringert. Umso wichtiger ist, dass die Betriebe ihre zukünftige Ausrichtung schon heute planen. Wir wollen über das Projekt in Form von Unternehmer-Rundtischen einen Aktionsplan anbieten, damit in Zukunft der Autohändler auf den Kunden zugeht und nicht wartet, dass dieser zu ihm kommt.

OD: Wo setzt das Interreg-Projekt an?

Decoster: Wir wenden uns an alle Akteure des Kfz-Bereichs: Mechatroniker, Karosserieschlosser, Verkäufer, Serviceberater. Hier haben wir verschiedene Arbeitspakete, die sowohl theoretisch als auch praxisbezogen agieren werden, wie z.B. Multimedia-Lehrgänge, Fahrerassistenzsysteme, Erstellen von hilfreichen Apps zu offenen Fragen, Workshops, Messen zu bestimmten Kfz-Themen. Nach Abschluss der Projektlaufzeit sollen die erprobten Lehrgänge dann im Unterricht angewandt und ein Leitfaden für die Meisterausbildung sowie praxisbezogene Module erstellt werden.

OD: Wie sieht Ihrer Meinung nach der Autoverkauf in 10 Jahren aus?

Thomas Pankert, Direktor des ZAWM Eupen, äußert sich zum Projekt „Garage 4.0“. Foto: Gerd Comouth

Decoster: Künftig wird der Service das „Lockmaterial“ unserer Kfz-Betriebe sein. 2028 sind immer noch der Einsatz, die Leistung und die Nutzung meines neuen Fahrzeugs wichtig. Den Verbrennungsmotor wird es dann ganz sicher noch geben. Aber die alternativen Antriebe werden sich weiterentwickelt haben, so dass ich mich je nach Sach- und Kenntnisstand für einen auf meine Bedürfnisse zugeschnittenen Fahrzeugtyp entscheiden muss.

OD: Was heißt das konkret?

Decoster: Es wird fraglich sein, ob mein Autohändler noch die ganze Palette Fahrzeuge vorrätig hat oder ich auf die eingangs erwähnten Center ausweichen muss. Als Kunde habe ich mir alle notwendigen Infos bereits im Internet zusammengestellt. Natürlich kann ein Beratungsgespräch vor Ort stattfinden. Doch dieses erhöht wieder den Kaufpreis. Sicherlich gibt es die preisgünstigere Version in Form einer virtuellen Beratung. So werden wir wohl beide im Autohaus der Zukunft antreffen. Ob man in Zukunft jede Automarke beim gleichen Händler erwerben kann, ist zur Zeit durch die sogenannte Gruppenfreistellungs-Verordnung reglementiert. Aber ganz ausschließen möchte ich das nicht, da es heute ja auch schon Mehrmarkenhändler gibt. (ehu/cre)

5 Antworten auf “Das „Autohaus der Zukunft“ wird den Autohandel revolutionieren”

  1. Ludwig Gielen

    Mit H. Decoster hat das ZAWM einen Superausbilder, der immer auf dem neuesten Stand der Technik war und ich bin mir ziemlich sicher, ist. Jahrzehnte lang haben Lehrlinge und Meister von seinem enormen Wissen profitieren können, ich hatte leider nur das Glück ihn bei einigen Lehrgängen kennen zu lernen. Die Zeit vor H. Decoster war allerdings alles andere als glorreich, in einer so kleinen Einrichtung wie das ZAWM hängt eben sehr viel vom Wissensstand und der Motivation des einzelnen Ausbilders ab.

  2. Herr Decoster geht in seiner Argumentation (leider) nur den halben Weg. In aktiveren Marktplätzen ist der Service schon heute nur noch termingeplant (4-6 Wochen), der Preis standardisiert. Bindung Service statt Verkauf ist eigentlich heute schon Geschichte. Nischenanbieter (im Service) haben über Preis und Zeitnähe noch eine Chance sobald die (dürftige, siehe VW) Werksgarantie keine Einschrnkungen mehr setzt. Das Thema Service statt Verkauf ist schon ca. 10 Jahre überholt.
    Ludwig könnte einsehen, dass das was man sich wünscht nicht zwingend Realität wird.

  3. Maurice Wuiddar

    Lassen wir noch bis zu zwei Jahren vergehen , dann sind die Hälfte der momentanen Autohäuser mit Kundendienst hier in unserer Gegend geschlossen . Viele dieser Garagen steht das Wasser jetzt schon bis zum Hals , oder haben schon dicht gemacht , ja dieser Trend wird sich unvermindert fortsetzen , weil die Mehrzahl aller Ankäufe werden übers Internet abgewickelt . Heutzutage bestimmt der Käufer den ankaufspreis , denn hier können die Autohäuser längst nicht mehr mithalten und sehen ihre Felle immer mehr dahinschwinden .

  4. Hausmeister

    Ich versteh‘ nur Bahnhof. Was soll in zehn Jahren los sein?
    Ich vermute stark dass das so ein vollmundiges Zukunftsgesülze ist, ohne Beweise. In zehn Jahren ist der Artikel hier natürlich Geschichte und längst vergessen, zu Recht. Da wird nicht viel anders sein als heute.
    Wetten?

  5. Alfons Van Compernolle

    Ich erinnere mich noch gut, als Automechaniker noch die Faehigkeit besessen haben, Motoren und Anbauteile eigenstaendig zu reparieren. Dann kam die Zeit wo die Automechaniker, nach der Einfuehrung
    der „Arbeitswerte“ zum Ersatzteiltauscher wurden. Die Mechanik ist gleich geblieben auch heute noch, nur die Motorsteuersysteme werden per Computer ( Motorsteuergeraet ) und Software angesteuert.
    Aus dem Automechaniker wurde ein Ersatzteiltauscher und ohne Testgeraete sind die heutigen Generationen Automechaniker nicht einmal mehr in der Lage eine simple einfache mechanische Fehlerbehebung / Reparatur auszufuehren. Sicher ich stamme aus einer anderen Zeit, aber das Handwerk in seiner Vielfaelltigkeit ist ein anderes , und durch den Verlust von handwerklichen Faehigkeiten nicht unbedingt besser geworden, zumindest im KFZ.-Bereich!

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