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100 Jahre Versailler Vertrag: Am 28. Juni 1919 wurde Eupen-Malmedy ein Vaterlandswechsel „aufdiktiert“

Grafik: picture alliance/dpa

Das Datum vom 28. Juni 1919 würden viele am liebsten für immer verschweigen. An jenem Tag wurde im Schloss von Versailles bei Paris zwar ein „Friedens-Vertrag“ unterzeichnet, doch dieser schuf letztlich die Voraussetzungen für einen neuen Krieg, den Zweiten Weltkrieg.

Mit dem Vertrag von Versailles, der am 10. Januar 1920 offiziell in Kraft trat, wurde das Gebiet von Eupen-Malmedy belgisch.

Im Ersten Weltkrieg hatten die Männer aus Eupen-Malmedy (später Eupen-Malmedy-St. Vith) noch als kaiserliche Untertanen im Heer von Wilhelm II. gekämpft. Die Zahl der Kriegsopfer war beträchtlich: Im Kreis Eupen verloren 766 Männer ihr Leben, und im Kreis Malmedy waren es deren sogar 1.082. Die Enttäuschung über die deutsche Niederlage sei „enorm“ gewesen, berichten Historiker.

Am 28. Juni 1919 wurde der Friedensvertrag im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles unterzeichnet. Foto: Shutterstock

Der Versailler Vertrag legte in den Artikeln 32, 33 und 34 fest, dass dieselben Gebiete, die im Jahr 1815 durch den Wiener Kongress Teil Preußens geworden waren, Belgien als Kriegsentschädigung zuerkannt werden müssten.

Die belgischen Ansprüche reichten zwar weiter, doch musste man sich schließlich mit den ehemaligen preußischen Kreisen Eupen, Malmedy und St. Vith begnügen. Auch das strittige Neutral-Moresnet wurde Belgien zuerkannt.

Voraussetzung war eine umstrittene Volksbefragung in den neu-belgischen Gebieten, die in Wirklichkeit eine Farce war und in der Folgezeit die Integration der Bevölkerung von Eupen-Malmedy ins belgische Staatswesen sehr schwierig gestaltete.

31.12.1918, Frankreich, Versailles: Die „Großen Vier“ von 1919, die über den Inhalt des Versailler Vertrages nahezu allein entschieden: (l-r) die Ministerpräsidenten David Lloyd George (England), Vittorio Emanuele Orlando (Italien), Georges Benjamin Clemenceau (Frankreich) und der amerikanische Präsident Woodrow Wilson (Archivfoto von 1919). Foto: -/dpa

Ein Jahrhundert nach dem Vertrag von Versailles neigen im heutigen Ostbelgien die politischen Repräsentanten dazu, fast ausschließlich die Sonnenseiten des am 28. Juni 1919 dem Gebiet von Eupen-Malmedy „aufdiktierten“ Vaterlandswechsels hervorzuheben, doch auf dem Weg zur Sonne musste dieses Gebiet viele Schatten überwinden.

Lange Zeit waren die „Ostkantone“, wie das Gebiet von Eupen, Malmedy und St. Vith genannt wurde, eine Minderheit, die erst einmal um einige elementare Rechte kämpfen musste, bevor die deutsche Sprache als Landessprache anerkannt und die Deutschsprachige Gemeinschaft immer mehr Befugnisse zugesprochen bekam. Und auf dem Weg dorthin musste man sich als Deutschsprachiger so manches Mal als Bürger der „cantons rédimés“ oder als „boche“ beleidigen lassen.

Dass der Vertrag von Versailles auch 100 Jahre später kein Grund zum Feiern ist, zeigt die Geschichte, die folgte. Aus der Sicht vieler Historiker war das „Diktat“ von Versailles einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Europa 20 Jahre später in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs stürzte. (cre)

Weitere Hintergrund-Informationen zum Versailler Vertrag unter folgendem Link:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Friedensvertrag_von_Versailles

Nachfolgend ein Gespräch des BRF-Fernsehens mit dem Historiker Dr. Herbert Ruland über 100 Jahre Versailler Vertrag:

Nachfolgend ein VIDEO als Erklärstück zum Versailler Vertrag. Weitere Videos finden Sie auf www.youtube.com unter dem Stichwort „Versailler Vertrag“:

26 Antworten auf “100 Jahre Versailler Vertrag: Am 28. Juni 1919 wurde Eupen-Malmedy ein Vaterlandswechsel „aufdiktiert“”

  1. Jockel F.

    Ich bezeichne mich selbst ja gerne als Deutschwallonen (germano-wallon, welsh german). Das sorgt insofern für klare Verhältnisse, als dass keine weiteren Fragen gestellt werden und man Leute nicht mit 100 Jahren im Zeitraffer belästigen muss, die ihr Abi mit einem Aufsatz über den Antisemitismus im Kaiserreich bestanden (!) haben. Unter Notenschutz natürlich.

  2. Ostbelgien Direkt

    ZUSATZ – Lange Zeit waren die „Ostkantone“, wie das Gebiet von Eupen, Malmedy und St. Vith genannt wurde, eine Minderheit, die erst einmal um einige elementare Rechte kämpfen musste, bevor die deutsche Sprache als Landessprache anerkannt und die Deutschsprachige Gemeinschaft immer mehr Befugnisse zugesprochen bekam. Und auf dem Weg dorthin musste man sich als Deutschsprachiger so manches Mal als Bürger der „cantons rédimés“ oder als „boche“ beleidigen lassen.

  3. Akneverkäufer

    Politisch gesehen ist Ostbelgien ähnlich wie Deutschland. Es wird stramm christlich gewählt, nur hat ein gewisser Kalle Lambertz früh genug gemerkt, dass es ohne die Christen besser läuft. Man sieht ja an Deutschland wie steil man fallen kann. Seitdem Merkel am Ruder ist, steht das Land still. Danke Kalle für deine Weitsicht!

    • Marsupilami

      @Akneverkäufer
      Deutschland steht doch nicht still… Es ist unter Merkel die reichste Nation der EU geworden, nachdem es unter Schröder noch ganz anders ausgesehen hatte. Zum Glück können wir in Ostbelgien durch die geografische Nähe auch etwas von der Dynamik des Aachener Raums profitieren. Wenn man sich anschaut was alleine da an wirtschaftlicher Zukunft in unserer Nachbarschaft aufgebaut wird können wir froh sein hier zu wohnen.

      • Der war gut! Deutschland war schon immer die „reichste Nation“ der EU. Allerdings galt das früher auch für die Einwohner Deutschlands. Bis Kanzler Schröder kam. Der hat Hartz IV eingeführt und damit die deutschen Arbeitnehmer in Zeitarbeits- bzw. Minijobs getrieben. Frau Merkel hat dann noch zusammen mit der SPD noch genau den Mindestlohn eingeführt, den die allermeisten deutschen Arbeitgeber seither mit dem Maximallohn verwechseln. Das Ergebnis daraus ist eine verarmte deutsche Bevölkerung und drastische wirtschaftliche Probleme bei den anderen EU- Ländern. Die haben mit ihren menschenwürdigen Löhnen nämlich keine Chance mehr gegen die deutsche Dumpinglohnwirtschaft!

        • Alfons van Compernolle

          Nennen Sie es ruhig die „SPD.-Armutskreationspolitik“ oder den Ausverkauf des Sozialstaat Bundesrepublik Deutschland !! Sie haben Recht !!
          Es gibt aber auch Mitbuerger, diese von eben diesem Ausverkauf der BRD erheblich profitiert haben und immer noch profitieren; die gewaehlten (angeblichen) Volksvertreter und die Reichen, deren Reichtum an dieser Armutskreationspolitik mit gut 50% gewachsen ist !

  4. Den „boche“ muss man sich leider noch heute rein ziehen. Da sind mir bei einer Bestellung doch glatt ein paar deutsche Worte rausgerutscht, tja dann war’s passiert. Übrigens in Flandern wird man extra nett bedient wenn man mal deutsch redet. Alles irgendwie verrückt aber eben halt typisch belgisch.

  5. Skeptiker

    „neigen im heutigen Ostbelgien die politischen Repräsentanten dazu, fast ausschließlich die Sonnenseiten des am 28. Juni 1919 dem Gebiet von Eupen-Malmedy „aufdiktierten“ Vaterlandswechsels hervorzuheben,“

    Was wären denn diese Sonnenseiten im Vergleich zu was?
    Da wir nicht wissen, wie es unseren Vorfahren nach 1920 und uns bis heute als reichs- und später bundesdeutsche Staatsbürger ergangen wäre, ist ein solcher Vergleich unmöglich.
    Geht es uns etwa besser als den Einwohnern von Prüm, Kalterherberg oder Aachen?

  6. de Fränz

    Wir sind doch auch heute noch die Letzten A….löscher in Belgien ich habe in 2017 eine Frau aus dem Französichsprachigen Raum auserhalb der EU geheiratet .und als meine Frau nach einem Jahr die Genehmigung bekam nach Belgien zu kommen wurde mir in der Gemeinde Kelmis gesagt fals ich vorhätte die Heirat in Belgien zu wiederholen sodass die Heirat komplett regularisiert würde müsste ich alle Papiere von einem anerkannten Übersetzer vom französichen ins Deutsche übersetzen müsste soviel zu der Anerkennung der drei Sprachen in Belgien Wir sind und bleiben das fünfte Rad am Wagen ich möchte aber trotzdem Belgier sein und bleiben .Vive la Belgique es lebe Belgien.

    • Skeptiker

      Verstehe ich nicht ganz.
      Dass die Dokumente ins Deutsche übersetzt werden mussten, zeigt doch gerade, dass die deutsche Sprache hier in Belgien zu 100% respektiert wird, zumindest auf diesem Gebiet.
      Sie haben wohl noch nie etwas von Sprachregionen, Sprachengrenze, Voeren, Hal-Vilvoorde und dergleichen gehört?
      In Flandern wäre Ihnen dass Gleiche passiert.
      Wieso wir da das „fünfte“ (eher das „vierte“, wegen der vier Regionen…) Rad am Wagen sein sollen, ist schleierhaft.

      • de Fränz

        So sie Schlaumeier da Sie sich ja anscheinend so gut auskennen hier in Belgien dann erklären sie mir mal zu welcher Region die DG gehört bis gestern wenigstens gehörten wir noch zur wallonischen Region und ich für meine Teil hoffe das dieses auch so bleibt mein Vater wurde gezwungen mit braunen Stiefeln durch die Gegend zu laufen mich zwingt keiner dazu

      • Schlaumeier

        Stimmt leider nicht, Herr Scholzen.

        „Fremdsprachige Urkunden müssen ins Niederländische, Französische oder Deutsche übersetzt werden, je nach der Amtssprache der Gemeinde, in der die Urkunde übertragen wird.“

        Amtssprache in Kelmis ist das Deutsche.
        Dass französischsprachige Bürger Formulare oder Auskünfte in Französisch erhalten können, ist eine andere Sache.

        Ich denke, das Außenministerium weiß, was es schreibt:
        https://diplomatie.belgium.be/de/dienste/dienste_im_ausland/personenstand/personenstandsurkunden – „HÄufig ggestellte Fragen, Punkt 2, vorletzter Abschnitt

        Ich werde mich allerdings gerne eventuell eines Besseren belehren lassen…

  7. Schlaumeier

    Na, sie Oberschlaumeier, da brauche ich nur die Verfassung zu bemühen:
    „Art. 2 – Belgien umfaßt drei Gemeinschaften: die Deutschsprachige Gemeinschaft, die Flämische Gemeinschaft und die Französische Gemeinschaft.
    Art. 3 – Belgien umfaßt drei Regionen: die Wallonische Region, die Flämische Region und die Brüsseler Region.
    Art. 4 – Belgien umfaßt vier Sprachgebiete: das deutsche Sprachgebiet, das französische Sprachgebiet, das niederländische Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt.
    Jede Gemeinde des Königreichs gehört einem dieser Sprachgebiete an.“

    Die 9 „deutschsprachigen“ Gemeinden gehören zum „deutschen“ (ja,ja!) Sprachgebiet und zur Wallonischen Region. Alles klar?

    In dem Zusammenhang hier gilt die Regel, dass „Les actes rédigés dans une langue étrangère doivent être traduits par un traducteur juré en néerlandais, français ou allemand, suivant la langue officielle de la commune où l’acte sera transcrit.“
    Deutsch ist nun mal die offizielle Sprache in Kelmis.
    Wieso soll die DG dann das fünfte Rad am Wagen sein? Wie gesagt, gehen Sie mal nach Flandern, da beißen Sie in Sachen Sprachengebrauch aber mächtig auf Granit.

    Der Schluss Ihres Kommentars ist unterste Schublade. Die Stiefel waren übrigens schwarz.

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