Politik

Nachtreten statt Nachruf: Grieche Varoufakis kann seinem toten Ex-Kollegen Schäuble nicht verzeihen

05.02.2015 Berlin: Der ehemalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (l, CDU) und der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sprechen auf einer Pressekonferenz zu den Medienvertretern. Foto: Michael Kappeler/dpa

AKTUALISIERT – Nach seinem Tod gibt es eine Welle der Anerkennung für den im Alter von 81 Jahren verstorbenen ehemaligen deutschen Minister und Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Es wird aber auch nachgetreten. Harte Kritik kommt aus Griechenland.

Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise wurde Schäuble von vielen Griechen für den „brutalen Sparkurs“ verantwortlich gemacht, der dem Mittelmeerstaat aufgezwungen wurde. Hauptgegenspieler des damaligen deutschen Finanzministers Schäuble war Yanis Varoufakis.

Der Ökonom und frühere Finanzminister Griechenlands galt seit 2011 als einer der schärfsten Kritiker Schäubles. In seinem Nachruf, den der Grieche am Tag nach dem Ableben des CDU-Politikers auf seiner Website veröffentlichte und den „Bild“ als „Lügen- und Ekel-Nachruf“ geißelt, schreibt Varoufakis über den verstorbenen Schäuble:

11.02.2015, Belgien, Brüssel: Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, l) und der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis begrüßen sich vor Beginn einer Sitzung. Foto: Olivier Hoslet/EPA/dpa

„Die Geschichte wird ihn hart beurteilen. Wolfgang Schäuble verkörperte das politische Projekt einer Währungsunion, an das er selbst nicht glaubte. Dazu musste er selbst in Deutschland gewaltsame Sparmaßnahmen durchsetzen und in Ländern wie Griechenland demokratische Institutionen abbauen. Mit anderen Worten: Schäuble verkörperte den explosiven Widerspruch, der sowohl zur Euro-Krise als auch zu den Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung führte – Maßnahmen, die einerseits zur Verarmung Griechenlands und andererseits zur Deindustrialisierung Deutschlands und das Abgleiten Europas in die geopolitische Bedeutungslosigkeit führten.“

Varoufakis ist indes in Griechenland nicht der Einzige, der mit Schadenfreude auf Schäubles Tod reagiert. Einige Kommentatoren und Karikaturisten ließen an dem verstorbenen ehemaligen deutschen Finanzminister kein gutes Haar.

Eine Karikatur zeigte das Verlesen des Schäuble-Testaments: „Der letzte Wunsch des Verstorbenen war eine Beerdigung auf Kosten des griechischen Staates“. In einem Blatt war in großen Balkenlettern „SCHÄUBLEXIT“ zu lesen. (cre)

Ein Leben für die Politik: Wolfgang Schäuble ist tot

Der frühere deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend gegen 20 Uhr friedlich eingeschlafen, teilte die Familie am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur mit.

Schäuble war in seiner langen politischen Laufbahn Minister, CDU-Chef, CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er.

Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg (Baden-Württemberg) geboren. Er studierte Jura, es zog ihn aber früh in die Politik. Er trat 1965 in die CDU ein. 1972 errang er erstmals ein Mandat für den Bundestag, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod angehörte.

23.08.1998, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Der damalige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble (r) gratuliert dem damaligen CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzler Helmut Kohl, zu seiner Rede bei der traditionellen Wahlkampfauftakt-Veranstaltung in der Dortmunder Westfalenhalle. Foto: Franz-Peter Tschauner/dpa

Mit dem Namen Schäuble sind Jahrzehnte deutscher Politik verbunden. Unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) war er zunächst Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 Bundesinnenminister.

Schäuble handelte nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus. Seit dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 saß Schäuble im Rollstuhl, seine politische Karriere ging aber weiter. Von 1991 bis 2000 führte er die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach dem Machtverlust der Christdemokraten 1998 wurde Schäuble im Zuge der Neuaufstellung der CDU Parteichef. Angela Merkel wurde Generalsekretärin.

In den Turbulenzen der CDU-Spendenaffäre und nach Aussagen zu einer 100 000-Mark-Barspende trat Schäuble im Februar 2000 als CDU-Chef zurück. Merkel wurde Parteichefin, 2005 machte sie als Kanzlerin Schäuble zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Das Amt hatte Schäuble zwei Wahlperioden inne, er schafft die „schwarze Null“, also einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden.

Nach der Bundestagswahl 2017 wurde Schäuble als Nachfolger von Norbert Lammert zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Das höchste Amt im Staat, das des Bundespräsidenten, blieb Schäuble verwehrt.

Nach der von der CDU/CSU verlorenen Bundestagswahl 2021 zog sich Schäuble aus den Führungsgremien zurück. Im Bundestag wurde die SPD-Politikerin Bärbel Bas Präsidentin, Schäuble war nun einfacher Abgeordneter.

07.11.1998, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Der damals neue CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble gratuliert auf dem CDU-Parteitag in Bonn der soeben zur CDU-Generalsekretärin gewählten Angela Merkel. Foto: Michael Jung/dpa

In seiner Rede als Alterspräsident – jener Abgeordnete mit den meisten Dienstjahren – warb er für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgn seiner Partei zählte Schäuble eher zu den konservativen Politikern, hinter den Kulissen hatte sein Wort stets Gewicht. Auf der anderen Seite hatte er früher als andere die CDU zur Offenheit für Bündnisse mit den Grünen aufgerufen. Schon 2007 sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Schwarz-Grün ist nicht unser Wunsch, aber eine Option für die Union.“

Im Ringen um die Kanzlerkandidatur 2021 schlug sich Schäuble auf die Seite des damaligen CDU-Chefs Armin Laschet und stellte sich gegen CSU-Chef Markus Söder. Laschet verlor die Wahl gegen Olaf Scholz (SPD).

Auch im Privaten spielte bei Schäuble oft die Politik eine Rolle. Schon Vater Karl Schäuble war CDU-Politiker und gehörte dem Badischen Landtag an. Schäubles jüngerer Bruder Thomas war ebenfalls Politiker, 13 Jahre lang war er Landesminister in Baden-Württemberg. 2013 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts.

Der CDU-Spitzenpolitiker Thomas Strobl war Schwiegersohn Wolfgang Schäubles, Tochter Christine, die ARD-Programmdirektorin, Strobls Ehefrau. Schäuble hinterlässt insgesamt vier Kinder und seine Ehefrau Ingeborg, mit der er seit 1969 verheiratet war. (dpa)

41 Antworten auf “Nachtreten statt Nachruf: Grieche Varoufakis kann seinem toten Ex-Kollegen Schäuble nicht verzeihen”

  1. Kasperle

    Wiedermal wird einer der politischen Selbstbedienungskaste zu Grabe getragen.
    Mit großem Entsetzen und Lobeshymnen der übrigen Schmarotzer werden sich die Bäuche gefüllt und darauf hingewiesen wie wichtig sie doch sind und er doch war.
    Mit dem Blick auf ihre persönliche Karriere gerichtet und sonst nichts.
    Finanziert von Menschen die diese Leute schon lange aus den Augen verloren haben.
    Beschämend, peinlich und heuchlerisch.

  2. Peer van Daalen

    Mein kann von seinem politischen Lebenswerk halten was man mag – ich mochte ihn nicht besonders – aber er war und blieb bis zum Schluß immer noch menschlich auch über den Tag des Attentats durch Adelheid Streidel gegen ihn am 25. April 1990 hinaus.

    Heute sind nur noch intellektuell retardierte Schmerbäuche und politische Volksschmarotzer am Werk …

    Unvergessen sein gemütliches Beisammensein mit den Punkerinnen und Punkern auf Sylt im vergangenen 9-€-Ticket-Sommer

    https://www.shz.de/lokales/sylt/artikel/schaeuble-diskutiert-mit-punks-auf-sylt-mit-polohemd-im-punkcamp-42656975

    https://www.stern.de/panorama/wolfgang-schaeuble-besucht-punks-auf-sylt–um-mit-ihnen-zu-diskutieren-32604180.html

    Er möge in Frieden ruhen!

  3. Francis Colaris

    Ich kenne nicht den ganzen Nachruf von Herrn Varoufakis auf Wolfgang Schäuble aber ich kann aus den von Ihnen zitierten Passagen beim besten Willen keine Schadenfreude herauslesen. Dass beide nicht einer Meinung waren und wahrscheinlich nicht die besten Freunde ist wohl unbestritten, aber hier Schadenfreude über Herrn Schäuble‘s Tod hineinzuinterpretieren ist doch wohl ein wenig sehr weit hergeholt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Francis Colaris

    • Nicht zu vergessen, dass sich Griechenland schon vor der Aufnahme zur EU in Sachen Finanzen geschwindelt hatten. Das hielt die griechischen Politiker nicht davon ab, obwohl stark verschuldet, weiterhin zu schwindeln und auf den Putz zu hauen. Damit machte Schäuble Schluss.

  4. Guido Scholzen

    Zur Abwechslung habe ich heut mal Deutschlandfunk gehört, und weil Schäuble starb, kam da genug über diesen Politiker, ohne auch nur einen einzigen wirklich kritischen Gedanken aufkommen zu lassen. Gesendet wurde heute Morgen ein Audio-Podcast nach dem Anderen.
    Hervorgehoben wurde von der Ansagerin in erster Linie die Interviews mit Schäuble, wo er von seiner Familie erzählt, und ihm Klimaschutz für seine Enkel wichtig sind. Auch wurde erwähnt, dass er als Bundestagspräsident die AfD öfters zur Raison rufen musste und sich gegen Corona-Querdenker aussprach. Das Schäuble auch manchmal im Streit mit Merkel lag, wurde nur am Rand erwähnt.

    So habe ich mich danach gefragt: Wird einem Politiker nur Ehre entgegen gebracht, wenn der politisch korrekt war? Wo sind die kritischen Bewertungen? Oder was war sonst noch wichtig?

    Wenn ich an Schäuble denke,
    …so denke ich an seine Rede im Bundestag, wo er leidenschaftlich dafür plädierte, Berlin zur neuen Hauptstadt zu machen, im Rahmen der Deutschen Einheit.
    …dann denke ich an jemanden, der es fertig brachte, mit Helmut Kohl von heute auf morgen Schluss zu machen, ohne dessen Verdienste für Deutschland herabzusetzen.
    …so war da ein Attentat auf ihn, das ihn in den Rollstuhl versetzte.
    …war er einer der wenigen Politiker „des Establishment“ im Bundestag April 2020, der eine ordentliche Debatte über Corona-Bestimmungen einforderte, damit das Parlament nicht ausser Kraft gesetzt werde.

    Diese vier genannten Punkte wurden nur am Rande erwähnt (auch das Attentat; die Corona-Debatten-Forderung überhaupt nicht), obwohl diese Gegebenheiten wichtige Momente seiner Karriere waren. Nee, Aussagen für Klimaschutz und gegen AfD und gegen Querdenker waren wichtiger.

    Schäuble war ein wichtiger deutscher Politiker, er war kein Heiliger aber auch kein Unmensch.
    Ich habe ihn in vielen Dingen geschätzt und auch nicht geschätzt. Als Bundestagspräsident war er o.k.
    Jedoch diese Berichterstattung des Deutschlandfunkes heute war kein Nachruf auf einen wichtigen Politiker, es war vielmehr Propaganda, wo die politisch korrekte Seite einer Person hervorgerufen wurde, denn ansonsten könnten wiederum unangenehme politische Fragen gestellt werden, nicht wahr…?
    R.I.P.

  5. Frankenbernd

    Dieser Varoufakis war auch derjenige, der wollte, dass in jedem EU Land das damalige griechische Rentenniveau verpflichtend eingefuehrt wuerde. Das Niveau war damals fuer Griechen bei weniger Einzahlungen ueber weniger Jahre doch deutlich hoeher als z.B. in Belgien und Deutschland. Die ‚reichen‘ Laender sollten fuer die ‚armen‘ die Differenz ausgleichen. So einer war das. Er wollte sich die griechische Korruption und komplettes „uber die Verhaeltnisse leben‘ einfach von anderen alimentieren lassen.
    Heute sieht Griechenland ziemlich gut aus, es war eine (noetige) Rosskur. Aehnliches haben auch die Balten erlebt. Und, man schaue sich diese Laender, allen voran Estland, heute an.

    Varoufakis war auch derjenige, der den Griechen Wasser predigte und sich gleichzeitig bei einem ueppigen Mahl in seinem (Lage 1A) Haus in Athen filmen liess. 500 Meter weiter standen Menschen in langer Schlange an der Foodbank. Und Hamas verurteilen fuer den 7. Oktober hielt er ‚fuer nicht angemessen‘. So einer ist das. Schaeuble war sicher nicht ueberal richtig und ok, aber er hatte Charakter, Varoufakis nicht. Der ist uebrigens laengst weg aus Griechnland, zureuck an Harvard in USA wo er Vorlesungen haelt ueber ‚linke Oekonomie, die kaum einer besucht.

    • Piersoul Rudi

      @ Frankenbernd(28/12/2023 20:25);
      War Varoufakis denn so einer???.
      Und wie ist es zur heutigen Zeit geworden???
      Wer zahlt denne für die Länder die nicht Sparen WOLLEN???
      Wer zahlt denne für diejenigen die weniger i/d EU einbringen???
      Varoufakis hat an sein Volk gedacht und das vehement verteidigt, weil er auch wusste welche Opfer sein Volk machen musste.

  6. Peter Müller

    Gut das Schäuble den Griechen mal die Grenzen aufgezeigt hat,
    Jahre lang Misswirtschaft betrieben, und dann um Hilfe jammern. Ihm ist es doch nicht schlecht gegangen. Er hat sich doch nur als Retter aufgespielt.

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