Politik

Populismus wird allmählich zum Massenphänomen

Demonstration gegen die rechtspopulistische AfD am 27. Mai 2018 in Berlin. Foto: Shutterstock

Immer mehr Menschen sind für populistische Parolen empfänglich. Gleichzeitig nimmt laut einer Umfrage die Zufriedenheit mit der gelebten Demokratie ab.

In Deutschland ergab eine Untersuchung von Infratest dimap, dass 59 Prozent mit dem Funktionieren der Demokratie „sehr zufrieden“ sind. Bei der gleichen Befragung im Vorjahr war der Wert noch deutlich höher gewesen (68 Prozent).

Der Duden definiert „Populismus“ als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, mit dem Ziel, durch eine Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Wähler zu gewinnen. Mehr und mehr handelt es sich hierbei um ein Massenphänomen, wenn auch von unterschiedlicher Tragweite je nach Staat.

In der politischen Arena ist „Populismus“ ein Kampfbegriff, um Stammtisch-Polterer und unrealistische Vorschläge abzuqualifizieren. Doch auch Wissenschaftler nutzen den Begriff, um bestimmte Positionen und Kommunikationsmuster zu beschreiben.

Populismus – eine Warnung für wen? Foto: Shutterstock

Die Deutschen waren gegen Populismus lange Zeit weitgehend immun – anders als viele EU-Bürger in Italien, Österreich, Ungarn oder Frankreich.

Doch das ändert sich gerade. Und zwar obwohl die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosenquote auf ein historisch niedriges Niveau gesunken ist. Mehr als drei von zehn Wahlberechtigten (30,4 Prozent) sind laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung «populistisch eingestellt». Das sind etwa vier Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die „Intensität“ dieser Einstellung habe zugenommen, stellen die Forscher fest.

Populismus ist aus wissenschaftlicher Sicht eine „dünne Ideologie“, bei der die Gesellschaft in zwei Gruppen aufgeteilt wird: Hier das „reine Volk“. Dort die „korrupte Elite“. Hinzu kommt die Kritik an den politischen Eliten, dem sogenannten Establishment. Darunter fallen Politiker, Wirtschaftsbosse und Journalisten.

Ein dritter Aspekt ist die Vorstellung, es existierten einheitliche Meinungen sowohl auf der Seite des Volkes als auch bei der politischen Elite. Für Meinungsvielfalt ist im Populismus kein Platz.

Daraus ergibt sich eine oft diffuse Unzufriedenheit mit dem aktuellen politischen Angebot. Und eine Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer durch Globalisierung und Digitalisierung immer komplexer werdenden Welt.

Davon profitiert in Deutschland laut Studie derzeit am stärksten die AfD. Aber auch die Linkspartei kann bei den Populisten punkten. In Belgien gilt dies für die PTB, welche im frankophonen Landesteil den Sozialisten (PS) immer mehr zu schaffen macht.

Für die Traditionsparteien wird dieser Trend dagegen zunehmend zum Problem, zumal sich abzeichnet, dass die Populisten, je mehr man ihre Wähler in die rechtsradikale Ecke rückt, zusammen mit Neonazis, was sie als Verunglimpfung empfinden, noch mehr Zulauf bekommen – gemäß dem Motto „Jetzt erst recht!“.

14.09.2018, Hessen, Wiesbaden: Die Spitzenkandidaten der Grünen für die Landtagswahl in Hessen, Priska Hinz und Tarek Al-Wazir, stehen vor einem Wahlkampfplakat, das die beiden zeigt und mit dem Slogan „Haltung zeigen: Vernunft statt Populismus“ versehen ist. Foto: Andrea Lübbecke/dpa

Die Grünen sind nach Einschätzung der Forscher die deutsche Partei, die am wenigsten populistische Positionen im Angebot hat. Das sei für die Grünen aber kein Problem, da ihre Anhängerschaft fast ausschließlich dem Drittel der Bevölkerung zuzurechnen sei, dass für populistische Parolen absolut unempfänglich ist.

Wie haben die Forscher das festgestellt? Das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap hat im Auftrag der Stiftung im Frühsommer mehr als 3.400 Wahlberechtigte befragt. Sie sollten angeben, welche Partei sie bei der Bundestagswahl 2017 gewählt haben und wo sie sich auf einer Links-Rechts-Skala selbst verorten. Außerdem sollten sie bestimmte Aussagen bewerten – zum Beispiel zur Frage der „Volkssouveränität“ und zur Einschätzung der politischen Elite.

Sieben von zehn Wahlberechtigten, die populistische Positionen gut finden und sich selbst politisch rechts verorten, wählen demnach die AfD. Dass die Partei von Alexander Gauland und Jörg Meuthen trotz der teilweise rechtsnationalen Äußerungen ihrer Spitzenfunktionäre auch in der politischen Mitte Wähler mobilisieren kann, liegt nach Einschätzung der Forscher am populistischen Angebot der Partei, die sich – obgleich inzwischen in fast allen Parlamenten vertreten – weiterhin als Speerspitze der Bürger im Kampf gegen das sogenannte „Establishment“ inszeniert.

01.06.2018, Rom: In Italien sind die Populisten bereits an der Macht. Giuseppe Conte (r), Ministerpräsident von Italien, steht neben Matteo Salvini, Innenminister, bei der Übergabe der Glocke zur Eröffnung des ersten Ministerrats der neuen Regierung. Foto: Claudio Peri/ANSA/AP/dpa

Allerdings hängt die „gläserne Decke“ beim Wählerpotenzial für die AfD den Angaben zufolge relativ niedrig. In der Befragung gaben 71 Prozent der Wahlberechtigten an, sie würden die AfD „auf keinen Fall wählen“. Das ist mehr als bei jeder anderen im Bundestag vertretenen Partei. Über die Linkspartei sagen dies 51 Prozent. Die Grünen halten 31 Prozent der Studien-Teilnehmer für unwählbar. Bei der FDP und den Unionsparteien sind es 29 Prozent.

Die SPD ist in den vergangenen Wochen zwar von einem Umfragetief zum nächsten getaumelt – und landete dabei erstmals bundesweit hinter der AfD. Das Potenzial der Sozialdemokraten ist aber zumindest theoretisch weiterhin groß. Nur 23 Prozent der Wahlberechtigten würden auf keinen Fall SPD wählen.

Die Studie zeigt außerdem: Politiker, die deutlich höhere Investitionen in den sozialen Wohnungsbau fordern, können bei den Wählern aktuell besonders viele Punkte sammeln. Wer sich gegen mehr Volksabstimmungen und für die Aufnahme von „sehr vielen neuen Flüchtlingen“ ausspricht, riskiert dagegen laut Umfrage seine Beliebtheit beim Wahlvolk. (dpa/cre)

43 Antworten auf “Populismus wird allmählich zum Massenphänomen”

  1. Auf der einen Seite steigende Mieten, Altersarmut, Niedriglöhne und auf der anderen Seite Massenzuwanderung. Die Leute, die davon betroffen sind, können das natürlich nicht verstehen. Sie werden zu Protestwählern. Davon profitieren am meisten die rechten Parteien.

  2. Die Grünen sind nach Einschätzung der Forscher die deutsche Partei, die am wenigsten populistische Positionen im Angebot hat.
    Was die so im Angebot haben ist wie folgt:
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    Was kostet die Ökostromförderung die Verbraucher? Legendär ist dazu der Satz von Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) aus dem Jahr 2004: „Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund 1 Euro im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis.“
    ….
    In dem Eintrag vom Montag schreibt Claudia Roth auf ihrer Facebook-Seite wörtlich: „Heute vor zwei Jahren ereignete sich die verheerende Atom-Katastrophe von Fukushima, die nach Tschernobyl ein weiteres Mal eine ganze Region und mit ihr die ganze Welt in den atomaren Abgrund blicken ließ. Insgesamt starben bei der Katastrophe in Japan 16 000 Menschen, mehr als 2700 gelten immer noch als vermisst.“ Daran anschließend fordert Roth, den Ausstieg aus der „Hochrisikotechnologie Atom“ nun „so schnell wie möglich umzusetzen“.
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    „Wenn die Integration teuer wird, wollen die Leute nicht länger an der Nase herumgeführt werden. Die Politik müsse den Menschen nun sagen: Ja, Leute, es kostet was, aber am Ende profitieren wir alle davon – mit mehr Sicherheit, übrigens auch sozialer Sicherheit.“ – Focus: Katrin Göring-Eckardt am 30. April 2018
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    „Wir wollen, dass in den nächsten vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“ – twitter: Grünen-Fraktionschefin am 25. November 2017
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    „Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!“ – Spiegel: Rede zur Flüchtlingswelle auf dem Parteitag der Grünen am 21. November 2015
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    „Wir kriegen jetzt plötzlich Menschen geschenkt“ – idea e.V. Evangelische Nachrichtenagentur: EKD-Synode in Bremen am 8. November 2015
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    „Es geht einerseits darum, sind wir ein Land, was für Migrantinnen und Migranten offen ist, was Leute anzieht. Die wir übrigens dringend brauchen. Nicht nur die Fachkräfte, sondern weil wir, weil wir auch Menschen hier brauchen, äh die äh in unseren Sozialsystemen zu Hause sind und sich auch zu Hause fühlen können.“ – ARD Morgenmagazin am 09.10.2013,

    Fazit: Wieder nur eine „Studie“ die die moralische Überlegenheit der Ökos zeigen soll und dabei selbst nur Audruck des allgegenwärtigen Öko-Populismus darstellt.

  3. Pensionierter Bauer

    Wenn der normale Bürger sieht, wie zögerlich die Staatsmacht geltendes Recht im Hambacher Forst durchsetzt, ist doch klar dass die Menschen rechts wählen. Ich bin mir fast sicher dass die Kuscheljustitz im Falle des Ökoterroranschlags von letzter Nacht in Willich auch nur halbherzig ermitteln wird.

    • deuxtrois

      Dieser „Ökoterror“ ist gar kein Terror. Es ist eine aktive Form von Protest, und es gibt weitaus größere Probleme die es zu lösen gibt, als ein paar Spinner auf Bäumen. Die wollen nur das Fällen von Bäumen verhindern und egal wie man dazu steht – es gibt sicherlich andere Baustellen.
      Von Kuscheljustiz kann hier auch kaum die Rede sein, informieren Sie sich mal vorab, bevor Sie so etwas schreiben.

      • Pensionierter Bauer

        Aha, einen Brandanschlag wie den von mir hier gemeinten, finden Sie als aktiven Protest. Wäre so etwas aus der rechten Ecke heraus geschehen, dann wären die Nachrichten mit Sicherheit voll davon gewesen. Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich verurteile solche Anschläge aufs schärfste, gleich aus welcher Richtung sie verübt werden.

        • @ PB

          Ich sehe nicht wo deuxtrois die Brandstiftung bei „Bols“ als Form des Protestes gutheißt.
          Bislang ist der Zusammenhang mit der „Waldbesetzung“ im Hambacher Forst auch nur ein Ermittlungsansatz den die Polizei verfolgt.

  4. abendland

    populismus???
    ich dachte, so was nennt man demokratie.

    aber langsam verstehe ich, was es ist…
    also, wer gegen die EU-politik ist und dagegen auch noch den mund aufmacht, ist ein nazi.
    stimmt das so ungefähr, oder gibt es irgendwelche staatsfördernde untersuchungen (studien) darüber?

    • Red Devil

      So einfach ist es natürlich nicht! Ihre Feststellung ist pures Schubladendenken und kann auch als Populismus bezeichnet werden. Wer gegen de EU-Politik ist, ist Nazi, wer aber dafûr ist, ist links grûn versifft und realitätsfremder Gutmensch. Schwarz-weiss. Das ist in einen Augen populistisches Denken.

      • abendland

        da gebe ich Ihnen 100% recht; ich wollte hiermit auch nur ausdrücken, wie dieses thema in den medien gehandhabt wird. die medien wollen uns politisch korrekt weismachen, dass fast ALLE punkte, die von ‚populisten‘ bedient werden, grösstenteils total falsch und unrealistisch seien.
        demletzt sah ich ein ARD-magazin (glaube es war ‚monitor‘), wo ein reporter am ende eines berichtes über qualitätsjournalismus und dessen niedergangs (die leute glauben nicht mehr alles) meinte, man könne die situation nur retten, indem „man in zukunft verstärkt werteorientiert berichten müsse“.
        aha… man soll also noch mehr berichten, wie es sein soll, und nicht wie es ist. der „qualitätsjournalismus“ im mainstream hat nichts dazu gelernt; so interpretiere ich das. das schubladendenken in den medien, aber auch in der politik, wird leider noch mehr zunehmen.
        verkehrte welt.

  5. Marcel Scholzen Eimerscheid

    Die Gesellschaft veraendert sich, anders als erwartet. Und damit auch die Parteienlandschaft. Es ist eine Reaktion auf Misstaende. Und wenn die parlamentariche Demokratie die Misstaende nicht in den Grif bekommt, wird sie verschwinden wie einst das Feudalsystem.

      • Dass viele Afrikanische Länder sich schwer damit tun ihren Platz im Welthandel zu finden liegt aber zuerst an ihnen selbst und nicht an uns! Süd-Korea war vor 50 jahren, nach dem Korea-Krieg, ein 4. Welt Land, kaputt, praktisch auf dem Stand von 1800, also vorindustriell. Und heute? Eine Industrienation auf Augenhöhe mit dem Westen. Aber das muss man sich erarbeiten, das bekommt man in 1.000 Jahren nicht durch Entwicklungshilfe geschenkt.

        • Marcel Scholzen Eimerscheid

          Entwicklungshilfe und gute Werke helfen Afrika nicht wirklich. Zuerst muss sich dort Moral und Mentalitaet aendern, noch vor juristischer Sicherheit oder gar der Einfuehrung der Demokratie.

          • @ Gott aus Eimerscheid

            Wie wollen Sie einen Menschen nach unserem Ebenbild erschaffen? Moralische Mentalitätsmonster.
            Fleissig, schön und gebildet? Na ja, schön ist relativ.
            Aber die Idee mit dem Eiheitsmenschen hat was. Das hat schon Mao probiert. Jeder der nicht fleissig genug war oder gar widersprochen hat kam in ein Erziehungslager und wurde „auf Linie“ gebracht. Es hat aber nicht funktioniert.
            Die Evolution hat die Vielfalt hervorgebracht und wie mir scheint auch die Einfalt.

            • Marcel Scholzen Eimerscheid

              Sie haben mich falsch verstanden. Aendern bedeutet nicht an unsere anpassen. In Afrika sind die Menschen genauso tuechtig und intelligent wie hier. Aufgrund der grossen Armut versuchen sie sich gegenseitig uebers Ohr zu hauen. Und deswegen herrscht grosses gegenseitiges Mistrauen , was wirtschaftliche Aktivitaeten erschwert und blockiert.

              • ….. Aufgrund der grossen Armut versuchen sie sich gegenseitig uebers Ohr zu hauen. …..

                @ Marcel Scholzen Eimerscheid

                Wo haben Sie denn das her? Als nächstes machen Sie wohl die Gloria und verkünden uns das „der Schwarze halt gerne schnaxelt“.
                Das sind genau die Zitate und Vorurteile die eine Stimmung erzeugen in der die Afrikaner, ob zuhause oder bei uns, nur verlieren können.
                Auch wenn es hier nichts zur Sache tut sollten wir etwas Zurückhaltung üben. Schliesslich sind unsere Vorfahren vor etwa 160.000 Jahren aus Afrika nach Europa eingewandert.
                So gesehen haben wir alle einen Migrationshintergrund und sind die Nachkommen von Flüchtlingen aus Afrika.

    • Red Devil

      Wieder vergessen, wie der Antwortbutton funktionniert?

      „Wir Europäer bezahlen in Afrika, was wir holen…“ Sie haben einen sehr gewöhnungsbedürftigen Humor oder sind dumm wie ein Stück Brot…wählen Sie selbst…

  6. Frankenbernd

    Waere interessant zu erfahren, wie denn die Belgier so ‚ticken‘ in Sachen Populismus. Auch unser Land ist diesbezueglich sicher keine „Insel der Glueckseligen“, siehe NVA oder ‚Vlaams Belang‘

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