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„Ostbelgien steckt Krise relativ gut weg“ – Nur kein Sozialdumping wie in Deutschland!

Das Eupener Kabelwerk, größter privater Arbeitgeber in Ostbelgien. Foto: Gerd Comouth

Am Donnerstagabend fand im „Jägerhof“ in Eupen eine Vortragsveranstaltung zum Thema „Wirtschaftsstandort DG“ statt. Initiator war die SP. Drei Experten sowie der Fraktionsvorsitzende der SP im PDG, Charles Servaty, referierten über die Lage und die Perspektiven der ostbelgischen Wirtschaft – mit sehr unterschiedichen Schlussfolgerungen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise vor 5 Jahren hat auch vor Belgien und der DG nicht Halt gemacht. Die Auswirkungen sind immer noch deutlich spürbar. Dennoch haben Belgien im Allgemeinen und die DG im Besonderen diesen Rückschlag vergleichsweise gut verkraftet.

Das sagte zumindest Charles Servaty, Franktionsvorsitzender der SP im Parlament der DG. „Wir stecken die Krise relativ gut weg“, betonte Servaty einleitend. Doch das sei noch lange kein Grund zur überschwänglichen Freude. Denn trotz eines stabilen und gut funktionierenden Sozialsystems und indexgebundener Löhnen liege ein Großteil der Problematik noch vor uns.

Starker Rückgang an offenen Stellen

Diskussion im "Jägerhof" (im Hintergrund von links): Volker Klinges, Renaud Rahier, Stephan Mathieu und Charles Servaty. Foto: Jannis Mattar

Diskussion im „Jägerhof“ (im Hintergrund von links): Volker Klinges, Renaud Rahier, Stephan Mathieu und Charles Servaty. Foto: Jannis Mattar

Stephan Mathieu, Vertreter des Wirtschafts- und Sozialrates der DG (WSR), wies darauf hin, dass Ostbelgien sich in manchen Bereichen zahlenmäßig wieder in Richtung 2009 begibt, dem Jahr des großen Einsturzes. „Bereits im Jahr 2012 hatten wir einen starken Rückgang an offenen Stellen zu verzeichnen“, so Mathieu, „und auch die Prognose für 2013 sieht nicht gut aus.“

Allerdings gab Mathieu zu bedenken, dass dies nicht auf eine Unproduktivität der DG zurückzuführen sei. Die Statistiken zeigten vielmehr, dass wir angesichts unserer geringen Größe gar nicht so schlecht abschneiden.

Ähnlich stellte sich auch die These von Gewerkschaftsvertreter (FGTB) Renaud Rahier dar. Ihm zufolge ist trotz der großen Krise und der damit verbundenen Rückschritte der durchschnittliche Umsatz der hiesigen Unternehmen seit 2005 gestiegen. „Auch das Eigenkapital steigt, es wird kräftig Geld in die Wirtschaft gepumpt, selbst die Gewinne und Dividenden steigen stetig“, fasste Rahier grob zusammen. „Zudem zahlen die Unternehmen durchschnittlich 8% weniger Steuern als gesetzlich festgelegt.“ Dennoch sinke der Anteil der Löhne am Umsatz. „Das durchschnittliche Einkommen steigt zwar, aber nicht gleichmäßig mit dem Index. Wir verlieren konsequent an Kaufkraft“, so Rahier.

Zusammengefasst bedeutet das: Die Unternehmen verdienen nach wie vor Geld, teilen dies aber nicht mit den Arbeitnehmern.

Lohnnebenkosten in Belgien deutlich höher

Das Gewerbegebiet Eupen. Foto: goeast.be

Das Gewerbegebiet Eupen. Foto: goeast.be

Gegensätzlicher könnte der Standpunkt von Volker Klinges in dieser Thematik kaum sein. Der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer stellte sich erwartungsgemäß vor die Unternehmen und war um Relativierung bemüht. So seien die hiesigen Unternehmen in der Konkurrenz zu den angrenzenden Nachbarländern entschieden benachteiligt. Klinges: „Die Lohnnebenkosten sind in Belgien deutlich höher als in den Nachbarländern. Folglich ist auch der durchschnittliche Stundenlohn eines ostbelgischen Unternehmens höher.“ Ganz im Gegensatz zu seinem Vorredner Rahier erachtete Klinges Einstellungsprämien von förderaler Seite nicht als ausreichend, um diese Unterschiede zu kompensieren. Schließlich seien diese Gelder im Vorfeld von den Unternehmen erwirtschaftet worden.

Da die DG allerdings nicht über die Kompetenzen verfügt, um entsprechende Umstrukturierungen durchzusetzen, hinken die Betriebe hinterher. „Aber selbst wenn wir die Kompetenzen hätten, glaube ich nicht, dass wir dazu fähig wären, viel zu ändern“, so Klinges.

In Zukunft zwar Stellen, aber weniger Personal

Das Gewerbegebiet St. Vith. Foto: goeast.be

Das Gewerbegebiet St. Vith. Foto: goeast.be

Dem demografischen Wandel ist es geschuldet, dass sich in einigen Jahren eine ganz andere Problematik stellen wird, als es jetzt der Fall ist. Die Stellen, die jetzt fehlen, werden dann im Übermaße vorhanden sein. Allerdings wird dann das Personal fehlen, alle Posten in hiesigen Unternehmen adäquat zu besetzen. Und schließlich sind es diese Stellen, die das Sozialsystem finanzieren werden müssen.

Die Folgen zeichnen sich heute schon ab: Immer mehr ausländische Unternehmen führen unter anderem auch hier die Arbeiten durch, zu denen ostbelgische Firmen teils aus Kostengründen, teils aus Fachkräftemangel nicht in der Lage sind. Und die Betriebe, die dieser Entwicklung nicht zum Opfer fallen, siedeln in steuerlich günstigere Nachbarländer um.

In einem Punkt waren sich Gewerkschafter und Arbeitgebervertreter jedoch einig. Das so hoch gelobte deutsche Modell mit Sozialdumping und Wettbewerbskannibalismus könne für die DG keine Lösung sein. Vielmehr müssten auf europäischer Ebene die Voraussetzungen geschaffen werden, damit der Wirtschaftsstandort DG der unlauteren Konkurrenz nicht zum Opfer fällt.

JANNIS MATTAR

4 Antworten auf “„Ostbelgien steckt Krise relativ gut weg“ – Nur kein Sozialdumping wie in Deutschland!”

  1. Kompliment Herr Cremer, sprachlich sehr nuanciert: 3 Experten und .. Charles Servaty; damit ist das Wesentliche schon gesagt. Der wird sich morgen melden.
    Starker Rückgang an offenen Stellen: in dem Club kommt nun wirklich keiner auf den Punkt.
    Herr Klinges: sind Sie sich da sicher, dass höhere Lohnnebenkosten „Ostbelgien“ zum teuerem Arbeitsstandort machen. Zumindest im Süden des Landes haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer dieses Problem schon gelöst. Darüber hinaus, Einstellungsprämien sind ja nun wirklich ein sozialistisches Instrument und die möchten Sie noch erhöhen. Und nun das Finale: selbst wenn wir die Kompetenzen hätten, … Hier stimme ich ja mit Ihnen überein: besser wir kriegen die gar nicht.
    Mehr Stellen, weniger Personal: also Einwanderung.
    Und das Finale: es ist Aufgäbe der EU den „ostbelgischen“ Wirtschaftsstandort zu schützen. Was hätten wir denn gerne: Freihandelszone, abweichende Mehrwertsteuersätze, …

    • Réalité

      @ Der.
      guter Kommentar von Ihnen!
      Anstatt all die Forderungen des Herrn Klinges,bitte mal Eigenständig und selbst aktiv werden!Es gibt ja Handelsdelegationen.Hängen Sie sich dran Herr Klinges!Fahren Sie mit unserm MP zu seinen Auslandsvisiten und sorgen für Demarchen in Sachen „Neuansiedlung von Unternehmen in der DG!“
      -Unsere hiesigen,Ostbelgischen Arbeitskräfte sind es wert!!Sie sind:Arbeitsam,loyal,sprachlich begabt und sehr mobil und flexibel!
      Das „wir die Krise gut wegstecken“ ist einzig und allein der Verdienst des Öslings,des Aachener- und Eifelerkreises!
      Eine solche Show,nur von einer Partei initiert,dient nur der „Selbstberäucherung“!Viel „Blabla“…und nix dahinter!

  2. gerhards

    Unser Vorteil ist unsere deutsche Muttersprache und Kultur.
    Diesen Trumpf können wir östlich der Itter voll ausspielen. Beste Kontakte und Aufträge aus der Wirtschatfsmacht D sichert uns unseren Wohlstand.
    Unser Status als Minderheit im Belgien beschert uns viele Beamtenposten und öffentliche Stellen die wir in der Anzahl in D nicht hätten auch wenn viele und ich selber schonmal über unsere Minister ärgern.
    Alles in allem gut gelaufen für eine deutsche Minderheit in Belgien. Oder Ostbelgistanies ;-)

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