Gesellschaft

Handwerk statt Studium nach dem Abitur – warum nicht?

Die mittelständische Ausbildung in der DG ist ein Erfolgsmodell. Foto: Shutterstock

Das Abi-Zeugnis in der Tasche – und was nun? Studium oder berufliche Ausbildung? Während viele Jugendliche in diesem Sommer noch mit einer Entscheidung ringen, wartet der ostbelgische Mittelstand mit einem interessanten Lösungsvorschlag auf. Rechtzeitig vor Beginn des Semesters an der Uni oder des Ausbildungsjahres im Betrieb wirbt der Mittelstand bei Abiturienten für eine Karriere im Handwerk mit einem zusätzlichen Bonbon.

In dem am Donnerstag vorgestellten neuen Lehrprogramm „Angewandte Betriebslehre“ soll die berufliche Ausbildung aufgewertet werden, so dass die Jugendlichen für eine leitende Tätigkeit im Betrieb oder als Meister für eine Betriebsübernahme oder eine Existenzgründung qualifiziert werden.

180-stündiges Förderprogramm

Werben für Karriere mit Lehre (v.l.n.r.): Patrick Bonni, Geschäftsführer IAWM, Minister Oliver Paasch und Erich Hilger, Direktor des ZAWM St. Vith. Foto: Serge Heinen

Werben für Karriere mit Lehre (v.l.n.r.): Patrick Bonni, Geschäftsführer IAWM, Minister Oliver Paasch und Erich Hilger, Direktor des ZAWM St. Vith. Foto: Serge Heinen

Nach Ansicht von DG-Bildungsminister Oliver Paasch (ProDG) entscheiden sich inzwischen immer mehr Jugendliche für die berufliche Ausbildung als Alternative zum Studium. Von 750 Auszubildenden waren im letzten Jahr schon 150 Abiturienten. Das ist immerhin ein Fünftel.

Schon 1998 hatte die DG mit „Geselle plus“ ein obligatorisches Förderprogramm gestartet. Doch im Gegensatz dazu ist der jetzige Versuch freiwillig, endet allerdings mit einer Prüfung, die wiederum Voraussetzung dafür ist, dass der Kandidat zu Beginn des zweiten Lehrjahres bereits das volle Lehrlingsentgelt des dritten Jahres ausgezahlt bekommt. Konkret: statt 271 Euro dann 505 Euro.

Außerdem erhalten die Abiturienten und Gesellen einen direkten Zugang zu den Betriebswirtschaftskursen für Meister.

„Ökonomisches Denken“ vermitteln

Ein Hörsaal an einer Uni: Zum Hochschulstudium gibt es immer mehr Alternativen. Foto: Shutterstock

Ein Hörsaal an einer Uni: Zum Hochschulstudium gibt es immer mehr Alternativen. Foto: Shutterstock

Als Schwerpunkte des 180-stündigen Förderprogramms nannte Paasch die Vertiefung der manchmal lückenhaften französischen Sprachkenntnisse durch das entsprechende Fachvokabular und eine praxisnahe Gesprächsführung in der Zweitsprache. Daneben gelte es, ein „ökonomisches Denken“ zu vermitteln, um später einmal als Betriebsleiter Verantwortung zu tragen, ergänzte Patrick Bonni, Geschäftsführer des Instituts zur Aus- und Weiterbildung im Mittelstand (IAWM). Auch die angewandte Informatik im betrieblichen Kontext und die Wirtschaftdkommunikation zählen zu den Ausbildungsinhalten. Die ersten Kurse beginnen im September.

Erich Hilger, Direktor des ZAWM St. Vith, fasste das Ziel des Zusatzprogramms so zusammen: „Wir wollen Führungspersönlichkeiten im Handwerk heranbilden.“ Auch bei den Kursinhalten sei man flexibel. So kann er sich vorstellen, dass die Teilnehmer ein fiktives Mini-Unternehmen gründen, um so die realen Betriebsabläufe zu studieren.

ULRICH KÖLSCH

Weitere Information über: www.iawm.be

 

5 Antworten auf “Handwerk statt Studium nach dem Abitur – warum nicht?”

  1. Meinemeinung

    Handwerk hat goldenen Boden – das Sprichwort hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Wenn künftig mehr Abiturienten ein Handwerk erlernen, dann wird dies dem gesamten Handwerk gut tun. Gebildete Handwerker – Bildung im weitesten Sinne – sind gefragter denn je. Vor allem entscheiden sich Abiturienten ganz gezielt und bewusst für ein Handwerk – und nicht wie früher, als viele junge Leute vor allem deshalb einen Handwerksberuf erlernten, weil sie in der Schule zu schwach waren.

    • Zappel Bosch

      Stimmt, wenn sie dann hinterher nicht doch in ein Studium entschwinden. Dann war es für den Ausbildungsbetrieb nämlich wieder ein „schlechter Liebesdienst“ (s.Parallelthread), es sei denn, der Staat zahlt auch für Berufsausbildungen, wie bei technischen Schulen sowieso.

  2. Es gibt bestimmt ein paar gute Beispiele von Handwerkern die durch ihr seriöses Arbeiten und ihr handwerliches Können den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft haben. Leider gibt es aber auch mittelständische Betriebe die ihren Aufstieg nur durch Ausbeutung von billigen Arbeitskräften (sprich Lehrlingen) erreicht haben. Diese schwarzen Schafe gibt es leider immer noch.
    Das viele Schüler nach ihrem Abitur eine Lehre einschlagen spricht für die Mentalität unserer Abiturienten die sich lieber noch mal eine Ausbildung antun um nicht als arbeitslos eingestuft zu werden. Ich glaube kaum, dass man nach dem Abi noch mal freiwillig eine Lehre Antritt, da würde man doch lieber sofort ins ’normale‘ Arbeitsleben eintreten um einem ’normalen‘ Arbeitslohn zu erhalten.

    • Es kommt durchaus öfter vor als man denkt. Ich selber habe nach dem Abitur auch erstmal eine Lehre gemacht und nun ein Studium begonnen. Und ich bin da kein Einzelfall. Wenn ich da an mein Abijahrgang denke, die hälfte hat ein Studium begonnen und die andere hälfte eine Lehre.
      Auch bei mir im Studiengang sind viele Leute die vor dem Studium noch eine Ausbildung gemacht haben.

      Was zum Teil auch daran liegt, das man direkt nach dem Abi nicht so einfach einen Job findet, da immer gesagt wird, dass einen die Berufserfahrung fehlt. Daher versuchen viele den Berufseinsteig über eine Lehre und hoffen dann übernommen zu werden.

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