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Gibt es bald bessere Arbeitsbedingungen für Fernfahrer in der EU?

20.08.2018, Niedersachsen, Bad Nenndorf: Lastwagen sind auf einem Parkplatz an der Autobahn 2 zwischen den Anschlussstellen Bad Nenndorf und Kohlenfeld abgestellt. Die Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf Europas Straßen beschäftigen das EU-Parlament. Foto: Holger Hollemann/dpa

AKTUALISIERT – Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des aktuellen Falls von Jost Group (siehe Artikel an anderer Stelle) stellt sich die Frage nach den Zuständen, unter denen Lkw-Fahrer ihren Beruf ausüben müssen. Jetzt soll es neue Regeln in Bezug auf Bezahlung und Ruhezeiten geben.

Sie sind wahre Arbeitsnomaden der Straße: Lkw-Fahrer, die zum Teil wochen- oder monatelang quer durch Europa unterwegs sind, ohne je ihre Heimat zu sehen. Dazu kommen eine oft schlechte Bezahlung, miserable Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Weg und extremer Zeitdruck.

Doch obwohl die Lage dramatisch ist: Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf EU-Ebene lässt bislang auf sich warten. Jetzt könnte es einen entscheidenden Schritt vorangehen.

Einer von rund zwei Millionen Fernfahrern, die auf den Autobahnen in Europa unterwegs sind. Foto: Shutterstock

Das EU-Parlament sollte an diesem Mittwoch über ein ganzes Paket an möglichen Maßnahmen abstimmen- knapp zwei Jahre, nachdem die EU-Kommission entsprechende Vorschläge auf den Tisch gelegt hat. Zur Abstimmung ist es aber (noch) nicht gekommen.

Es seien über 1.000 Änderungsanträge an den abzustimmenden Berichten eingegangen, sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani am Mittwochmorgen in Straßburg. Ein effizientes Votum sei so nicht mehr zu bewerkstelligen; es könne passieren, dass am Ende niemand mehr wisse, worüber eigentlich abgestimmt werde.

Tajani beauftragte den zuständigen Verkehrsausschuss, schnellstmöglich zusammenzutreten und das Paket neu zu bearbeiten, damit noch im April darüber abgestimmt werden könne.

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) ist die Situation vieler Fernfahrer vor allem aus Osteuropa absolut untragbar. Stanislava Rupp-Bulling vom DGB-Projekt «Faire Mobilität» berät regelmäßig Fahrer auf Rastplätzen rund um Stuttgart zu ihren Rechten. „Es ist beschämend, was man dort sieht“, sagt sie. „Viele Fahrer hausen unter menschenunwürdigen Bedingungen.“

Weil sie sich das Essen in den Raststätten nicht leisten könnten, bereiteten viele sich notdürftig ihre Mahlzeiten auf Gaskochern zu, erzählt Rupp-Bulling. Wochen- oder monatelang sähen manche Fahrer ihre Familien nicht. „Sie leben in ihren Lkw-Kabinen.“ Es fehle an Platz auf den Rasthöfen, weshalb Transporter oft auf Seitenstreifen parkten – gefährlich, nicht nur für die Fahrer.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Noch dazu machten osteuropäische Speditionen regelmäßig die Fahrer dafür verantwortlich, auf die Ladung aufzupassen. Schlügen Diebe zu, werde das vom ohnehin kärglichen Lohn abgezogen. „Die meisten Fahrer sagen: Ich bin nicht zufrieden mit meiner Situation, aber ich muss es machen, um meine Familie zu ernähren»“ sagt Rupp-Bulling.

Dass sich etwas ändern muss, ist auch in der EU angekommen. Bislang schleppte sich der politische Prozess für verbesserte Arbeitsbedingungen aber zäh dahin.

02.04.2017, Nordrhein-Westfalen, Freudenberg: Abgestellte Lastwagen stehen auf der Rastätte Siegerland Ost (A45). Die Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf Europas Straßen beschäftigen das EU-Parlament. Foto: Arnulf Stoffel/dpa

Im Prinzip geht es bei der angepeilten Reform darum, ob auch für Fernfahrer das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten soll. Bislang sind zum Beispiel auf deutschen Straßen oft Lkw-Fahrer aus Osteuropa unterwegs, die nach den dortigen niedrigeren Löhnen bezahlt werden. Außerdem liegt die Frage auf dem Tisch, ob die Fahrer ihre wöchentlichen Ruhezeiten in der Kabine des Lastwagens verbringen dürfen.

Und nicht zuletzt geht es darum, wie der umstrittenen Praxis der sogenannten Kabotage ein Riegel vorgeschoben werden kann. Dabei transportieren Lkws von Spediteuren aus Land X Waren innerhalb eines Landes Y – zu oft viel niedrigeren Preisen, als einheimische Unternehmen sie anbieten könnten. Kritiker sehen dadurch den Wettbewerb verzerrt und bemängeln Lohndumping.

Die Verkehrsminister der EU-Mitgliedstaaten hatten sich im Dezember nach zähen Verhandlungen auf eine gemeinsame Linie geeinigt. Demnach sollen die Fahrer ihre vorgeschriebene Wochenruhezeit von 45 Stunden nicht im Lastwagen verbringen dürfen, sondern beispielsweise in Hotels unterkommen. Nach der normalen Tagesschicht jedoch soll eine Übernachtung in der Kabine erlaubt bleiben. Mindestens alle vier Wochen sollen die Fahrer nach Hause dürfen – dafür müsste der Arbeitgeber sorgen.

Osteuropäische Staaten leisten Widerstand

Der Mindestlohn des Landes, in dem sich Fahrer aufhalten, soll jedoch nur unter bestimmten Umständen gelten. Bei direkten Lieferungen – also wenn ein Laster zwischen seinem Herkunftsland und dem Zielland seiner Warenlieferung unterwegs ist – soll nach Ansicht der Verkehrsminister auch weniger gezahlt werden können. Aber etwa bei Kabotage würde die Prämisse „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten – der Mindestlohn des jeweiligen Landes fiele an.

14.09.2016, Frankreich, Straßburg: Das Europäische Parlament in Straßburg. Foto: Patrick Seeger/dpa

Bevor allerdings irgendwelche neuen Regeln in Kraft treten können, muss das EU-Parlament sich auf eine eigene Linie einigen und dann einen Kompromiss mit den Verkehrsministern finden.

Doch was die Abgeordneten wollen, ist noch recht unklar. Der zuständige Ausschuss zeigte sich zuletzt zerstritten. Es ist fraglich, ob das gesamte Plenum überhaupt eine gemeinsame Position finden kann. Wenn nicht, wäre die Reform wohl vorerst vom Tisch – und bliebe als Baustelle für die nächste EU-Kommission, die nach den Europawahlen eingesetzt wird.

Doch warum sorgt das Thema für so viel Streit? Sollten sich nicht alle darauf einigen können, dass Lastwagen-Fahrer anständige Arbeitsbedingungen brauchen – und sei es nur, weil übermüdete Fahrer ein Sicherheitsrisiko darstellen?

Hinter dem Konflikt stecken vor allem die gegensätzlichen Interessen verschiedener Mitgliedstaaten. Während Länder wie Belgien, Frankreich und Deutschland erreichen wollen, dass der Mindestlohn durchgesetzt wird, fürchten Länder wie Rumänien, Bulgarien und Polen um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Logistikunternehmen. Das Nomadentum der Straße könnte also noch eine Weile erhalten bleiben. (dpa)

17 Antworten auf “Gibt es bald bessere Arbeitsbedingungen für Fernfahrer in der EU?”

  1. Ostbelgien Direkt

    AKTUALISIERUNG – EU-Parlament verschiebt Abstimmung über Fernfahrer-Arbeitsbedingungen

    Straßburg (dpa) – Das EU-Parlament wird am Mittwoch doch nicht über verbesserte Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf Europas Straßen abstimmen. Es seien über 1000 Änderungsanträge an den abzustimmenden Berichten eingegangen, sagte Parlamentspräsident Antonio Tajani am Mittwochmorgen in Straßburg. Ein effizientes Votum sei so nicht mehr zu bewerkstelligen; es könne passieren, dass am Ende niemand mehr wisse, worüber eigentlich abgestimmt werde.

    Tajani beauftragte den zuständigen Verkehrsausschuss, schnellstmöglich zusammenzutreten und das Paket neu zu bearbeiten, damit noch im April darüber abgestimmt werden könne.

  2. Warum passen wir uns nicht den Osteuropäischen Staaten an ,nur noch Löhne wie dort alles viel billiger und dass Problem ist gelöst. Komisch ein Slowake verdient 350€ im Monat und lebt aber gut . Oder sind alle Osteuropäer Hungerleider ?

    • versteh ich jetzt nicht. WAS soll dann gelöst sein???? Das spielt sich doch dann nur auf einer anderen finanzebene ab. Die jungs werden weiter ausgebeutet und verrichten weiter unter unmenschlichen umständen ihre arbeit.
      Oder sollen wir ALLE unsere standars aus der komfortzone wieder richtung mittelalter runterschrauben?

  3. TRUCKER bill

    Die Lösung mit der Wochenruhezeit nicht mehr in der Kabine zu verbringen ist ein Witz.
    Zum einen gibts entlang der Autobahnen kein Infrastuktur in Form von Hotels mit Lkw Parkplätzen.
    Die Kosten für die übernachtung blieb beim Unternehmer hängen , im schlimmsten Fall beim Fahrer.
    Der Transportpreis wird vom Kunden bestimmtund nicht mehr vom Transportunternehmen.
    Dh der bestimmt den Preis und drückt den wo er nur kann.
    So liegt der Preis pro km ca bei 1,70€ pro km das beinhaltet Fahrzeugkosten, Lohn….. um wirtschaftlich arbeiten zu können. Der Kunde möchte aber nur 1,20€ zahlen.
    Wer schon mal an Stellen an denen sich viele Trucker aufhalten , die Sanitären Anlagen aufgesucht hat weiß, da zu ka…ist eine zumutung.
    Vergleichen wir mit der Rollenden Landstraße Freiburg nach Chiasso.
    Fahrerkabinen auf der überfahrt wo du nicht weißt mit wem du das Zimmer teilst, dreckig und mit fremden ein Zimmer teilen.
    Dann bleiben viele lieber in ihrer Kabine.
    Fernfahrerromantik mit WE irgendwo mit dem Truck in der Sonne am Strand gibts nur in Märchenfilmen
    Die Realität sieht anders aus, Fahrt nur mal zur Grene oder wenn in D Feiertag ist zur Rasstätte Barchon

      • Walter Keutgen

        gast, „Fernverkehr auf die Schiene“, ist das nicht die rollende Landstraße von Freiburg nach Chiasso, s. oben. Leider haben die Bahnen es vor 40 Jahren verpasst, sich anzupassen. Damals kam die elektronische Revolution, die es sicher möglich gemacht hätte mit Lastwagen auf der Schiene zu fahren. Man wollte aber unbedingt immer längere Züge mit Elektroantrieb.

        • deuxtrois

          Unsinn. Man hat schlicht und einfach den Fernverkehr über LKWs jahrelang subventioniert, mit dem Diesel. Das hat diese Form des Transportes attraktiver gemacht als alle Konkurrenten. Mit der Privatisierung oder Teilprivatisierung der Zugunternehmen hat man es erneut verpasst in die nötige Infrastruktur zu investieren. Heute sind alle Linien schon überbelegt, die meisten wurden ganz abgeschafft (zu hohe Kosten), jetzt auf Gütertransport um zu stellen ist beinahe unmöglich. Nun ist der Zug abgefahren und Pendler können sich jeden Morgen darüber ärgern, von LKWs ausgebremst zu werden und doppelt soviel Zeit für die Wegstrecke einplanen zu müssen.

          • „Man hat schlicht und einfach den Fernverkehr über LKWs jahrelang subventioniert, mit dem Diesel.“
            Wieso hat man den Diesel subventioniert? Weil man nur 120 % Steuern berechnet anstatt 150 % oder warum/
            Subventioniert man dann auch die Arbeit weil man „nur“ 50 % Steuern bezahlen muss?

  4. Truckerbill

    @Gast
    Leider liegen Supermärkte noch nicht an den Bahnhöfen der Republik.
    Aldi , Lidl und co kaufen Europweit ein.So gibt’s in der Provinz Luxemburg ein Lager in dem Lidl seine Logistik von Waren aus Benelux Richtung Frankreich, Spanien und Portugal regelt.
    So wird dort ein Auflieger komplett für dort mit den bestellten waren an zu liefern.
    Dies geschieht mit Subunternehmen aus den neuen Eu Ländern.
    Ebenso in Zeebrügge für den englischen Markt.
    Fahren sie mal durch den Hafen von Antwerpen und zählen sie dort mal die belgischen Zugmaschienen.
    So und nun zum Hauptproblem.
    Die Kosten für den Führerschein, die gesetzlichen Anforderungen an Aus und Weiterbildung.
    Dann das fern der Heimat zu geringem Lohn.
    Bitte wenn sie wollen , melden sie sich.
    Es werden Fahrer gesucht

    • ich erinnere mich daran, das
      * ich als ehemaliger fahrlehrer omnisbu- und lkw fahrer qualifiziert und zum führerschein geführt habe
      * ich als ehemalioges prüfungsmitglied der industrie und handelskammer Aachen in der berufskraftfahrerausbildung tätig war
      * ich über 30 jahre in einem omnibusunternehmen auch leitend tätig war

      was ich sagen will……..aber sagen sie es mir.

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