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Eupen-Löwen-Eupen: Aus der wilden Studentenstadt von einst wurde eine „Schickimicki-Stadt“ [Fotogalerie]

Der Grote Markt lädt Besucher zum Verweilen ein, erst recht bei sonnigem Sommerwetter. Foto: OD

Unser nächster Tagesausflug – nach den Stippvisiten in Ostende und Maastricht – führte uns Anfang dieser Woche mit dem Zug von Eupen nach Löwen (Flämisch: Leuven). Kaum eine andere Stadt in Belgien hat sich im Verlauf der letzten 50 Jahre derart verändert wie die heutige Hauptstadt der Provinz Flämisch-Brabant.

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre machte die Stadt Löwen fast täglich von sich reden. Flämische Studenten und Aktivisten lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Mit dem Slogan „Walen buiten!“ (Wallonen raus!) forderten sie die Verbannung der frankophonen Universität aus Löwen.

Der Ladeuzeplein mit der Universitätsbibliothek. Foto: OD

Der Streit zwischen Flamen und Wallonen über die Zukunft der Katholischen Universität Löwen führte 1968 zum Sturz der Regierung unter dem damaligen PSC-Premierminister Paul Vanden Boeynants und zur Spaltung der Löwener Universität in eine flämische (KUL) und eine frankophone (UCL).

Die UCL wanderte in den Jahren danach in die Gegend von Ottignies aus, wo mit Louvain-La-Neuve eine neue Universitätsstadt entstand. Die medizinischen Fakultäten wurden ihrerseits nach Brüssel (Woluwe-Saint-Lambert) transferiert.

In Löwen haben viele Ostbelgier studiert, einige von ihnen haben dort sogar ihren Partner fürs Leben gefunden.

Heute erinnert in Löwen nur noch wenig an die turbulenten Sechziger und Siebziger. Allenfalls die französischen Namen einiger Cafés und Hotels in der Nähe des Bahnhofs („Hôtel de la Gare“, „Hôtel Industrie“, „Hôtel La Royale“…) lassen erahnen, dass hier mal viel Französisch gesprochen wurde.

Als besonders umweltfreundlich prämiert

Die Stadt hat mittlerweile Vorbildcharakter in Belgien. Erst kürzlich wurde sie von der EU-Kommission als besonders umweltfreundlich prämiert.

In der Kategorie der Städte zwischen 20.000 und 100.000 Einwohnern erhielt Löwen (knapp 100.000 Einwohner) den „European Green Leaf Award“ (Das grüne Blatt).

Bei der Verleihung des Umweltpreises lobte die Jury den seit 2016 geltenden Verkehrs- und Mobilitätsplan der Stadt Löwen, der zusätzlich zu der weitgehend verkehrsfreien historischen Innenstadt weitere verkehrsarme Zonen und neue Wege sowie zusätzliche Infrastruktur für Radfahrer vorsieht.

Der Oude Markt ähnelt heute mit seinen vielen Terrassenplätzen einer Touristenstadt. Foto: OD

Gemeinsam mit ihren Einwohnern hat sich Löwen zum Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-neutral zu sein. Zu diesem Zwecke wurde unter anderem die Vereinigung „Leuven 2030“ aus der Taufe gehoben, der rund 300 Partner angehören.

Neben der Universität zählt die Konzernzentrale der weltgrößten Brauereigruppe Anheuser-Busch-InBev zu den größten Arbeitgebern der Stadt.

Für die Studenten der ostbelgischen Vereinigung Eumavia hatte einst ein Besuch der Brauerei Stella Artois einen festen Platz im jährlichen Veranstaltungskalender. Wie man sich denken kann, endete der Besuch in der Regel feucht-fröhlich…

Trotz aller Fortschritte bemängeln indes gerade ehemalige Studenten, dass die Stadt Löwen nach dem definitiven Abzug der Frankophonen viel von ihrem früheren Flair verloren hat. Aus der wilden Studentenstadt sei bisweilen eine „Schickimicki-Stadt“ geworden, sagen sie. (cre)

Nachfolgend eine Fotogalerie mit Bildern, die wir am vergangenen Montag in Löwen gemacht haben. Zum Vergrößern Bild anklicken. Um von einem Bild zum anderen zu gelangen, genügt ein Klick auf den rechten Bildrand:

 

Zum Thema siehe auch folgende Artikel auf „Ostbelgien Direkt“:

5 Antworten auf “Eupen-Löwen-Eupen: Aus der wilden Studentenstadt von einst wurde eine „Schickimicki-Stadt“ [Fotogalerie]”

  1. Bernstein

    Bin in meinem Leben, berufsbedingt, mindestens 500 x in Leuven gewesen.
    Erst mit der Erinnerungen an dem ersten Weltkrieg von 1914-18 habe ich erfahren, wie grausam und menschenverachtend die kaiserlichen Truppen damals in Leuven gewütet haben.
    Allein die Tatsache, dass man die Universitätsbibliothek mit viele tausend unersetzlichen Büchern bewusst zerstört hat , kann man nur verurteilen.
    Im Internet kann man sich über diese Brutalität informieren.

  2. Frankenbernd

    Erst jagt man die Wallonen davon, jetzt beschwert man sich ueber mangelndes frz. Flair.
    Auf jeden Fall ist Loewen aber sehr sauber und es macht Spass dort zu sein. Ganz anders als bei den meisten wall. Staedten.

  3. Zaungast

    „Gemeinsam mit ihren Einwohnern hat sich Löwen zum Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-neutral zu sein.“

    Auch das noch! Jetzt verfällt auch schon Löwen dem CO2-Wahn. Eine Universitätsstadt mit geballtem Sachverstand in Naturwissenschaften. Und niemand hier unter den Fachleuten, der das entsprechend geißelt…

    Löwen hat sich in der Tat seit meiner Studentenzeit grundlegend gewandelt. Das hat wohl damit zu tun, dass die schmuddeligen Wallonen die Stadt verlassen haben (siehe hier oben: „Ganz anders als bei den meisten wall. Staedten.“

    Aber fast zu proper, irgendwie aseptisch, wenn ich die Fotos etwa vom Ladeuzeplein sehe. Ein Trost: das „Café du Commerce“ nahe beim früheren Eumavenhaus gibt es noch, und es heißt auch noch so. TAK und VMO haben das sicher bis jetzt übersehen, dieses Zeichen frankophoner Kolonisation.

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