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Die Eumavia wird 90: Revolutionen und Konterrevolutionen

Der Vorstand 2016-2017 der Aktivitas der Eumavia. Foto: eumavia.be

Die Löwener Studenten-Vereinigung Eumavia feiert an diesem Wochenende in Eupen ihr 90-jähriges Bestehen. Die Entwicklung der Verbindung ist bisweilen ein Spiegelbild ostbelgischer Geschichte mit all ihren Höhen und Tiefen. 

Alles begann an einem Tag im Dezember im Jahr 1926 im Löwener Café „Suisse“. Noch heute, wenn man durch die Löwener Altstadt geht, also durch Leuven, erkennt man an verschiedenen Fassaden französische Namen: „Café de la Gare“, „Café Royal“ usw. Ein Überbleibsel aus der Zeit, als in Belgien noch die frankophone Bourgeoisie das Sagen hatte.

Eumavia steht für „Eu“ wie Eupen, „Ma“ wie Malmedy und „Via“ wie St. Vith, also für die ehemaligen Ostkantone. Die Vereinigung sollte eine Anlaufstelle sein für die in Löwen lebenden ostbelgischen Studenten.

Erste Stiftungskneipe nach Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1947.

Erste Stiftungskneipe nach Neustart im Dezember 1947.

Mit dem Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai 1940 in Belgien und der Annexion der Kantone Eupen und Malmedy an Hitler-Deutschland stellte die Vereinigung ihre Aktivitäten ein, um sie erst 1947 wieder aufzunehmen.

Im Laufe der folgenden Jahrzehnte erlebten die ostbelgischen Studenten in Löwen turbulente Zeiten. „Walen buiten“ (Wallonen raus) skandierten die Flamen in den 60er Jahren. Es kam wiederholt zu Straßenschlachten. Der Sprachenstreit gipfelte 1968 in der Spaltung der Katholischen Universität in eine flämische (KUL) und eine frankophone Hochschule (UCL).

Letztere „emigrierte“ in den Folgejahren nach Neu-Löwen (Louvain-la-Neuve), wo quasi auf einer grünen Wiese ein neuer Campus errichtet wurde, aus dem mit der Zeit eine Stadt hervorging. Die Medizin-Fakultäten der UCL wechselten ihrerseits nach Woluwé an den Stadtrand von Brüssel.

Im damaligen Sprachenkonflikt, der 1968 zum Sturz der Regierung von Premierminister Paul Vanden Boeynants führte und de facto die Geburtstunde der Föderalisierung Belgiens darstellte, verhielt sich die Eumavia weitgehend neutral, auch wenn die meisten ihrer Mitglieder der UCL angehörten.

Löwen (Leuven) war bis Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre die Stadt der Eumavia. Foto: Shutterstock

Löwen (Leuven) war bis Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre die Stadt der Eumavia. Foto: Shutterstock

Auch die immer stärkeren Autonomiebestrebungen in der ostbelgischen Heimat gingen an der Studentenvereinigung nicht spurlos vorüber.

Anfang der 70er Jahre wurde die PDB gegründet. Lorenz Paasch wurde von einem Teil der Eumaven bewundert und verehrt. Den größten Einfluss auf die Gesinnung der Aktivitas hatte in jener Zeit aber nicht die Ostbelgien-Politik, sondern das internationale Geschehen.

In Löwen kam es regelmäßig zu Protestkundgebungen gegen die Militärdiktaturen in Chile und Argentinien sowie gegen die Alleinherrschaft von Mobutu in Zaire, wie die belgische Ex-Kolonie Kongo damals genannt wurde.

Prägend war für die Eumaven in jener Zeit auch der Deutsche Herbst 1977 mit der Entführung des deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer und der Lufthansa-Maschine „Landshut“ durch Terroristen.

Auch innerhalb der Eumavia rumorte es. Die Aktiven probten in den 70er Jahren den Aufstand gegen die nach ihrem Dafürhalten viel zu konservative Altherrenschaft. Säbel, Tönnchen, Schärpe und alles, was irgendwie nach Uniform aussah, wurden abgeschafft, ebenso das altdeutsche Liedgut.

Die damalige Revolution führte dazu, dass in den 70er Jahren erstmals eine Frau Präsident wurde – für so manchen Nostalgiker in der Altherrenschaft ein Affront.

Eine Stadt aus dem Nichts war Louvain-La-Neuve Anfang der 70er Jahre. Foto: Wikipedia

Eine Stadt aus dem Nichts war Louvain-La-Neuve Anfang der 70er Jahre. Foto: Wikipedia

Die Revolution dauerte aber nicht länger als eine Generation. Danach wurde vieles von dem, was in den „wilden 70er Jahren“ abgeschafft worden war, wieder eingeführt. Es fehlten Tradition und Rituale, ohne die eine solche Vereinigung wohl nicht funktionieren kann.

Der Transfer von Alt-Löwen nach Neu-Löwen gestaltete sich anfangs etwas schwierig. Jene Eumaven, die noch das historische Leuven gekannt hatten, konnten sich mit Louvain-la-Neuve nie anfreunden. Einige zogen es sogar vor, in Alt-Löwen wohnen zu bleiben und für die Unterrichte und Seminare hin und her zu pendeln.

1983 schloss sich die Eumavia der „Fédération Wallonne des Régionales“ an und führte mit der „Calotte“ eine neue Kopfbedeckung ein. Andere Zeiten, andere Sitten. (cre)

Die Feiern zum 90-jährigen Bestehen in Eupen beginnen an diesem Freitagabend um 19.30 Uhr mit einem großen Eumaventreffen im Kloster Heidberg. Am Samstag stehen um 15 Uhr eine Stadtführung und um 17 Uhr ein Gottesdienst in der Bergkapelle auf dem Programm. Um 18 Uhr findet ein Abendessen im Kolpinghaus statt, gefolgt von der Stiftungskneipe. Den Schlusspunkt bildet am Sonntag ein Frühschoppen im Café „Ratskeller“.

 

10 Antworten auf “Die Eumavia wird 90: Revolutionen und Konterrevolutionen”

  1. schlagende verbindung
    schmisse
    immenser alkoholkonsum
    auch das war eine der angesehendsten studentenverbindungen
    aber auch die haben nicht die welt verändert.das geschah meistens in stillen kämmerleins,wie
    die weltverändernde weiterentwicklung der radiologie.der erfinder erntete zunächst nur verachtung und später den nobelpreis.Alkoholiker war der nicht und cliquenwirtschaft brauchte der auch nicht.
    Mme. curie usw.ebenso.

  2. Alemannia4ever

    Die Eumavia hat bestimmt wie viele andere Studentenverbindungen herausragende Mitglieder hervorgebracht. Es gibt aber bestimmt genausoviele Herausragende Absolventen, die kein Mitglied einer Verbindung sind.
    Als Anlaufstelle in einer neuen Umgebung sind die Verbindungen bestimmt gut. Wer nicht Mitglied ist, sollte aber auch nicht ausgegrenzt bzw. zur Mitgliedschaft getrieben werden.

  3. Nachtrag zu Alemannia4ever

    die bemerkenswerten qualifizierten entstammen u.a.eliteuniversitäten und haben für wichtigtuerei
    und besäufnisvereinigungen keinen Sinn.
    Fürsprecher brauchen die keine.Man reisst sich um sie.
    In einigen wenigen Fakultäten,die auch keinen Anspruch auf Wissenschaft erheben können,herrschen zugegeben spezifische Karrieren.Da hilft nur Beten oder sich im Leben so aufzuführen,dass man diese
    Leute nie nötig hat.

    • Alemannia4ever

      Es tut mir leid, Eupener, ich verstehe nicht was Sie mir sagen wollen. Etwa das? Wer zur Eumavia gehört, der besucht(e) also eine Eliteuniversität. Und wer eine solche Universität nicht besucht, der besucht irgendeine Fakultät an irgendeiner anderen Universität oder Hochschule. Und da wird dann Ihrer Meinung nach keine Wissenschaft betrieben.

  4. Zaungast

    „schlagende verbindung
    schmisse
    immenser alkoholkonsum
    auch das war eine der angesehendsten studentenverbindungen“

    Meinen Sie die Eumavia damit? Sie waren wohl nie Mitglied dort? Ihr Schreibstil lässt darauf schließen.

    Die Eumavia war nie eine schlagende Verbindung (= Burschenschaften, meist rechts bis reaktionär, in denen „Mensuren“, sprich Duelle mit dem Degen „geschlagen“ wurden), und „Schmisse“ (= Schnittverletzungen im Gesicht mit bleibenden Narben – siehe Hanns Martin Schleyer) gab es deshalb dort auch nicht.

    Zumindest auf den regulären Veranstaltungen (Stammtische und Kneipen) gab es auch keinen „immensen“ Alkoholkonsum. Auch die „Taufen“ arteten nicht in solche Exzesse aus wie sie bei wallonischen Studentenverbindungen („Studierendenverbindungen“ muss man wohl heute dazu sagen). Allerdings weiß ich nicht, ob die heutige Eumavia, die ja den Habitus ihrer wallonischen Schwesterorganisationen angenommen hat, nicht auch deren Trinkgewohnheiten verinnerlicht hat.

    Es gab durchaus Studenten (zu meiner Zeit keine -innen!), die dem Alkohol mehr als zuträglich ergeben waren. Das wären die allerdings auch ohne die Eumavia gewesen. Manch einer strauchelte dadurch, brauchte einige Jahre mehr oder brach sein Studium ab.

  5. @Zaungast
    Als Einserabiturient verfüge ich über mehrere Schreibstile,auch die soziale Mathematik.
    Mit 15 Jahren Abitur gemacht,Sondergenehmigung durch das Kultusministerium NRW.
    Mein Fluch besteht darin,sich sehr schnell zu langweilen.
    Aber zumindest verfügen Sie über ein minimales Allgemeinwissen.
    Meine Beschäftigung mit diesem Forum empfinde ich als amüsant
    Die Reaktionen sind von unglaubl. niedrigem Niveau.
    Grenz-Echo,um bei diesem Niveau zu bleiben, ist besser.

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