Nachrichten

EU-Partner drängen deutsche Regierung zur Verschiebung des geplanten Atomausstiegs

21.07.2022, Bayern, Essenbach: Wasserdampf steigt aus dem Kühltum vom Atomkraftwerk (AKW) Isar 2. Foto: Armin Weigel/dpa

Deutschland bittet andere EU-Staaten um Solidarität beim Gassparen, will gleichzeitig aber an seinen Plänen für den Atomausstieg festhalten. In manch einem EU-Staat sorgt das für Unmut – und für klare Forderungen.

Auf die deutsche Regierung wächst der Druck, den Atomausstieg zu verschieben. Angesichts der Gaskrise dringen nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur nicht nur Parteien wie CDU und CSU, sondern auch mehrere EU-Staaten darauf, die verbliebenen drei Kernkraftwerke nicht wie geplant Ende des Jahres abzuschalten. Zudem wird gefordert, ein Wiederhochfahren der drei zuletzt vom Netz genommenen Meiler zu prüfen.

Aus Sicht von Ländern wie Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Frankreich könnte ein Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke erheblich dazu beitragen, Gas zu sparen, da in der Bundesrepublik zuletzt noch immer etwa 15 Prozent des Stroms von Gaskraftwerken erzeugt wurde. Sollte Russland seine Gaslieferungen in die EU komplett einstellen, wären dann mehr Reserven für das Heizen von Haushalten und für die Industrie verfügbar.

27.07.2022, Niedersachsen, Lingen: Blick auf das Kernkraftwerk Emsland (KKE) mit seinem Kühlturm. Die Bundesregierung steht zunehmend unter Druck, den Atomausstieg zu verschieben. Foto: Friso Gentsch/dpa

„Wenn Deutschland Gas sparen möchte, dann möge es doch bitte seine Atomkraftwerke weiterlaufen lassen – beziehungsweise die drei, die letztes Jahr abgeschaltet wurden, die könnten ja wieder ans Netz gehen“, kritisierte etwa der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulík am Dienstag am Rande von EU-Beratungen in Brüssel. Seinen Angaben zufolge könnten mit dem Weiterbetrieb der sechs AKW 15 Milliarden Kubikmeter Gas gespart werden. Dies sei die Hälfte der Menge, die die EU mit ihrem Gassparplan einsparen wolle, sagte er.

Ähnlich hatte sich kurz zuvor bereits der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban geäußert. Er kritisierte explizit die EU-Kommission dafür, Deutschland nicht zum Weiterbetrieb der AKW zu zwingen. Obwohl die Atomkraftwerke billige Energie produzierten, lasse die Brüsseler Behörde zu, dass diese geschlossen würden, sagte Orban am vergangenen Samstag. Wenn die Energie dann ausgehe, werde man stattdessen versuchen, Ungarn sein gespeichertes Gas wegzunehmen.

Orban spielte damit auf den am Dienstag gegen den Willen Ungarns beschlossenen EU-Notfallplan für die Gaskrise an. Er sieht vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken.

29.06.2022, Brandenburg, Schwedt/Oder: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft. Foto: Patrick Pleul/dpa

Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben. Staaten, die kein Gas mehr haben, um zum Beispiel Haushalte zu versorgen, sollen dann von Ländern mit noch vorhandenen Vorräten versorgt werden.

In Deutschland sind derzeit noch drei Atomkraftwerke am Netz: Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Nach geltendem Recht müssen sie eigentlich spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden.

In der Bundesregierung sind die Grünen strikt gegen eine weitreichende Laufzeitverlängerung. Als Option wird lediglich gesehen, die noch laufenden Atomkraftwerke mit den noch vorhandenen Brennelementen etwas länger zu betreiben. So könnte insbesondere das Atomkraftwerk Isar 2 vermutlich noch bis mindestens Mai nächsten Jahres laufen.

Eine Neuanschaffung von Brennelementen wird von den Grünen derzeit ausgeschlossen. Auch ein Weiterbetrieb von Isar 2 soll nur möglich gemacht werden, wenn dies für die Absicherung der Stromnetzstabilität nützlich sein könnte.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte zuletzt immer wieder, dass eine volle Ausnutzung der noch vorhandenen Brennelemente in den drei AKW lediglich eine Reduzierung des deutschen Gasverbrauchs um bis zu 0,7 Prozent ermöglichen würde. SPD-Regierungspolitiker argumentieren ähnlich, wohingegen die FDP für eine Laufzeitverlängerung ist.

27.06.2022, Baden-Württemberg, Stuttgart: Aus einem Kühltum vom Kernkraftwerk Neckarwestheim 2 steigt Wasserdampf auf. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Die drei Atomkraftwerke, die nach Angaben von Experten in Deutschland wieder in Betrieb genommen werden könnten, sind die Kernkraftwerke Brokdorf (Schleswig-Holstein), Grohnde (Niedersachsen) und Gundremmingen C (Bayern).

Der Geschäftsführer des Tüv-Verbands, Joachim Bühler, sagte der „Bild“-Zeitung jüngst dazu, die Wiederinbetriebnahme der 2021 abgeschalteten Meiler wäre „keine Frage von Jahren, sondern eher von wenigen Monaten oder Wochen“ – und vor allem eine Frage des politischen Willens. „Die drei Kraftwerke befinden sich nach unserer Überzeugung in einem sicherheitstechnischen Zustand, der es möglich machen würde, sie wieder ans Netz zu nehmen“, sagte Bühler.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies zuletzt den Vorwurf zurück, sich nicht in die Atomdebatte einzuschalten. „Der Energiemix ist in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten“, sagte sie in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Sie beobachte aber, dass viele EU-Mitglieder davon ausgingen, dass die Atomkraft als Brückentechnologie gebraucht werde.

So hat zum Beispiel die belgische Regierung bereits im März beschlossen, eine Verschiebung des eigentlich für Ende 2025 geplanten Atomausstiegs vorzubereiten. Er soll nun erst zehn Jahre später erfolgen. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

7 Antworten auf “EU-Partner drängen deutsche Regierung zur Verschiebung des geplanten Atomausstiegs”

  1. Corona2019

    Was für eine heuchlerische Schauspielerei .
    Ausgerechnet im Land der Autobauer ist schon lange klar , das Atomkraftwerke überhaupt nicht abgeschaltet werden können.

    Wenn die gesamte europäische Wirtschaft und Politik hinter verschlossenen Türen schon vor langer Zeit beschlossen hatte, seinen Wählern bzw Konsumenten das Fahrzeug mit Verbrennermotor zu verbieten, dann sollte auch klar sein, dass man ein Theaterstück vorbereitet hatte, in dem dramatische Streitszenen den Schein erwecken sollen es gäbe für Atomkraftgegner noch Hoffnung das Ruder rumzureißen.
    Es gibt aber keine Hoffnung .
    Es gibt in diesem Fall nur eine Profitgier , für die der europäische Konsument teuer bezahlen wird, wenn auch von Wirtschaft und Politik ebenfalls in bester schauspielerischer Manier, dem Konsument das Gesamtpaket Elektrofahrzeug und Atomstrom als günstiges Schnäppchen präsentiert wird.

    Nein , könnt ihr vergessen, hat auch nichts mit dem Ukraine Krieg zu tun.
    Das ist alles schon vor dem Krieg beschlossen worden.

        • Ist es denn keine Kritik an dem Vorhaben Deutschlands, wenn Sie schreiben: „Ausgerechnet im Land der Autobauer ist schon lange klar , das Atomkraftwerke überhaupt nicht abgeschaltet werden können.“
          Als Gegner des Atomstroms hätten Sie schreiben müssen: „Deutschlands Ausstieg aus dem Atomstrom ist richtig, auch wenn Sie das Land der Autobauer sind.“
          Na ja, bei Ihrem ganzen Posten kann man schon mal den Überblick verlieren, wo man für oder gegen ist.

  2. Corona2019

    @ – Logisch 12:08-16:33

    Im Lande der Autobauer hat man sich schon vor langer Zeit hinter verschlossener Türe mit der Politik darauf geeinigt den Verbrenner vom Markt zu nehmen.
    Das Ziel ist , das Elektrofahrzeug ausschließlich zu gestatten und deshalb auch die Spritpreise steigen, um dies zu beschleunigen, was sie ja schon vor Monaten bestritten haben .
    Und jetzt stellen Sie sich noch ein bisschen doof, weil sie merken dass ich Recht hatte.
    Deutschland wird es sich nicht leisten können die Atomkraftwerke alle abzuschalten wegen des zusätzlichen Strombedarfs von Elektrofahrzeugen.
    Ich wäre aber schon ganz klar für die Abschaltung, nirgendwo erwähne ich dass ich den Weiterbetrieb befürworte.
    Und verstanden haben sie genau was ich meine.

    Traurige Entscheidungen die dort getroffen worden sind, und man jetzt nur noch vor den Medien ein Schauspiel inszeniert und so tut als gibt es noch eine Chance die verbleibenden Atomkraftwerke doch abzuschalten.
    Daraus wird nichts , was ja klar sein sollte wenn man plötzlich Unmengen an Strom mehr nötig hat als ohne Elektrofahrzeuge.

    Mindestens ebenso traurig das bei Ihnen aus einer Mischung von Unwissenheit und beim bemerken ihrer fehlerhaften Kommentare, fast immer noch dümmere Kommentare hinten dran kommen bei denen sie versuchen anderen das Wort im Munde zu verdrehen.
    Halten Sie sich doch einfach bei Themen zurück von denen sie nichts verstehen wollen und man ihnen vermutlich von politischer Seite Kommentare in den Mund legt die sie hier niederzuschreiben haben.
    Es sei denn sie verstehen wirklich die einfachsten Zusammenhänge nicht .
    Dann möchte ich mich für meine Behauptung im Voraus entschuldigen.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern