Einige sprachen schon von einem „historischen Tag für Belgien“: Die sogenannte Comori-Gruppe – bestehend aus Premier Elio Di Rupo (SP), dem Staatssekretär für institutionelle Reformen, den Vorsitzenden der 6 Mehrheitsparteien (Sozialisten, Christdemokraten und Liberale) sowie Vertretern der frankophonen und flämischen Grünen – hat am Dienstag die 6. Staatsreform abgerundet.
Mit dem Abkommen, laut Di Rupo das größte, das Belgien je gekannt hat, wird offiziell ein Schlusspunkt unter die institutionelle Krise gesetzt, die das Land seit spätestens 2010 blockiert hatte.
Die 5 vorherigen Staatsreformen hatte es 1970, 1980, 1988-1989, 1993 und 2001-2002 gegeben. Seitdem ist Belgien etappenweise von einem Einheitsstaat zu einem Bundesstaat umgebaut worden. Und wenn man den Ministerpräsidenten der DG, Karl-Heinz Lambertz (SP), reden hört („Belgien zu viert“), dann ist die 7. Staatsreform bereits im Anmarsch…
Gesicht des Bundesstaates spürbar verändert
Die 6. Staatsreform sieht die Übertragung von Zuständigkeiten vom Föderalstaat an die Regionen und Gemeinschaften in einem Umfang von 20 Milliarden Euro vor. Sie werde das Gesicht des Bundesstaates Belgien spürbar verändern, hieß es.
Das Finanzierungsgesetz, über das am Dienstag Einvernehmen erzielt wurde, definiert die Geldflüsse zwischen Föderalstaat und Teilstaaten. Die Regionen erhalten mehr Steuerautonomie.
Die 6. Staatsreform bringt eine Fülle von Veränderungen mit sich. Nachstehend einige Beispiele.
Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV): Der erste Teil der Staatsreform mit dem Titel „Ein effektiverer Föderalstaat und mehr Autonomie für die Teilstaaten“ wurde im Juli 2012 verabschiedet. Dieser Abschnitt betrifft in erster Linie die Spaltung des Bezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde (BHV). Zusätzlich zur Spaltung des Wahlbezirks wird auch der Gerichtsbezirk BHV reformiert.
Unvereinbarkeiten: Künftig ist in der Gesetzgebung verankert, dass Mitglieder eines Parlaments, die für ein neues Mandat gewählt wurden, auch genau dieses Mandat ausüben und ihr altes verlieren. Es wird also nicht mehr möglich sein, gleichzeitig als ordentlicher Kandidat und als Ersatzkandidat im Wahlverzeichnis zu stehen, genauso wenig, wie es möglich sein wird, sich bei regionalen oder europäischen Wahlen, die am selben Tag stattfinden, auf verschiedene Listen setzen zu lassen. Dieses Sondergesetz tritt am 1. Januar 2014 in Kraft, mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Wahlen vom 25. Mai 2014.
Der Senat wird künftig andere Aufgaben wahrnehmen
Reform des Senats: Der Senat wird im Zuge der 6. Staatsreform einer weitgehenden strukturellen Veränderung unterzogen. Die Anzahl Senatoren wird bedeutend verringert, und es wird keine direkt gewählten Senatoren mehr geben. Der Senat wird zu einem zentralen Treffpunkt der Vertreter der Teilstaaten umfunktioniert. Der „neue“ Senat ist strukturell vergleichbar mit dem Bundesrat in Deutschland, der mit den Vertretern der Bundesländer besetzt ist. Die Befugnisse des Senats werden sich jedoch größtenteils auf Empfehlungen und Überprüfungen beschränken.
Konstitutive Autonomie für DG und Brüssel: Das Parlament der DG verfügt künftig über die sogenannte „Konstitutive Autonomie“. Damit ist das Recht gemeint, über Organisation und Funktionsweise von Parlament und Regierung (insbesondere über die Zahl der Parlamentarier und Minister) selber entscheiden zu können. Das PDG kann also in Zukunft selbst entscheiden, ob es die Zahl seiner Mitglieder von derzeit 25 auf 20 reduziert oder auf 30 erhöht bzw. mehr als 5 Minister (3 bis 5 sind heute schon möglich) zulässt. Dieses Recht wird mit der sechsten Staatsreform nicht nur der DG, sondern auch der Region Brüssel-Hauptstadt zuerkannt. Bereits seit 1993 verfügten Flandern sowie die Französische Gemeinschaft und die Wallonische Region über die Konstitutive Autonomie. DG und Brüssel ziehen nun also nach.
Auszahlung von Familienzulagen: Die Verteilung des Kindergeldes, der Geburtsprämien und der Adoptionsprämien wird den Gemeinschaften übertragen.
Beschäftigung – Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosen- und Arbeitsmarktpolitik wird weitgehend von den Teilstaaten wahrgenommen. Dazu gehören die Kontrolle und Sanktionierung von Arbeitslosen ebenso wie die Begleitung und die Aktivierung von Arbeitsuchenden. (cre)
Ich fürchte das Happy end gibt es dann 2014 aber die Einzigen die dann Happy sind, werden die Flamen sein.
Vielleicht könnte man noch ergänzen, wer dann genau im Senat sitzt? Beim Budesrat in Deutschland sitzen die Vertreter der Länderregierungen im Bundesrat. Es ist also eine Kammer der Exekutive wenn man so will. Werden im Senat Vertreter der Regierungen der Teilstaaten sitzen, oder Vertreter der Parlamente der Teilstaaten? Wenn dem so wäre, wäre der Senat eine Kammer der Legislative. Wirkliche „Macht“ im Sinne von Gesetzgebungskraft scheint er ja nicht zu haben, wenn er sich auch Empfehlungen und Überprüfungen beschränken soll. Jedenfalls ein interessantes Thema.