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Temperaturen steigen: Immer mehr Wein aus Belgien

Zwei Gläser Rotwein mit Panoramablick von oben auf das pulsierende Stadtzentrum von Brüssel. Foto: Shutterstock

Belgisches Bier ist weltweit bekannt – belgischer Wein bald auch? Der Weinbau in unserem Land boomt.

Als der Crémant de Wallonie vom Weingut Chant d’Éole 2019 bei einem Wettbewerb die Goldmedaille in der Kategorie Schaumwein international bekommt, machen Weinkenner große Augen. „Ein köstlicher Wein“, sagt Marc Declerck, Chef der Gourmetführer-Marke Gault&Millau in Belgien zu dem Tropfen, der sich auch gegen Hunderte verschiedene Champagner aus Frankreich durchsetzte.

06.09.2024, Belgien, Heuvelland: Eine Weinrebe des Weinguts Entre Deux Monts. Foto: Katharina Radanz/dpa

Vor einigen Jahrzehnten wäre der Weinbau in dem Land im heutigen Ausmaß nicht möglich gewesen, sagt Declerck. Aber im Gegensatz zu südeuropäischen Landwirten könnten Winzer in Belgien sich die mit dem Klimawandel durchschnittlich steigenden Temperaturen zunutze machen.

Forscher aus Frankreich schreiben in einer Studie, dass in Europa allgemein die Gebiete nördlich des 46. Breitengrades – der Linie, auf der etwa Bern, das österreichische Sölden und das französische Poitiers liegen – von der globalen Erwärmung profitieren. Sie sind im Großen und Ganzen noch Gewinner des Klimawandels – die Risiken steigen aber. Mit der zunehmenden Erwärmung – von mehr als einem Grad in der Vegetationsperiode der vergangenen 30 Jahre – haben die Trauben höhere Reifegrade erreicht, was letztendlich zu besseren Weinqualitäten führt. Davon profitieren besonders Rotweine.

Mit dem Merlot, dem Cabernet Sauvignon, dem Shiraz/Syrah und dem Cabernet Franc würden zunehmend Rebsorten aus dem Mittelmeerraum angebaut, allerdings erst auf etwa 1,5 Prozent der Rebfläche. Auch Weinbau in Norddeutschland wurde möglich. Wetterextreme wie Hagel, Spätfrost, starke Niederschläge oder intensive Sonneneinstrahlung führten aber auch hier zu Schäden. Mit Blick auf die zunehmende Erwärmung pflanzen Winzer ihre Reben beispielsweise in höheren oder weniger sonnenreichen Lagen an oder entscheiden sich für tiefer wurzelnde Reben – oder mehr Beschattung der Trauben. Zugleich wird an auf den Klimawandel angepasste Sorten geforscht.

06.09.2024, Belgien, Heuvelland: Ein Weinberg des Weinguts Entre Deux Monts. Foto: Katharina Radanz/dpa

– Nicht alle haben etwas von der Erwärmung: In traditionellen Weinbauregionen werde die geeignete Fläche wegen des Klimawandels den Forschern zufolge bis Ende des Jahrhunderts deutlich zurückgehen. Denn: „Die Kombination aus steigenden Temperaturen und geringeren Niederschlägen wird in Südiberien, im mediterranen Frankreich und Spanien, in der Po-Ebene, in den Küstenregionen Italiens, auf der Balkanhalbinsel und im Südwesten des Schwarzen Meeres zu schweren Dürreperioden führen“, so die Wissenschaftler.

So haben zum Beispiel in Frankreich die Winzer zu kämpfen: Wasserstress im Süden, Schäden durch Starkregen und Hitzewellen und Einbußen durch Nachtfrost im Frühjahr machten sich in den vergangenen Jahren immer wieder bemerkbar. In Italien fiel die Lese wegen der klimatischen Gegebenheiten immer geringer aus, auch in Spanien leiden die Weinbauern unter immer heißeren Sommern, längeren Dürreperioden und Wetterextremen. Viele Kellereien reagieren und setzen unter anderem auf nachhaltigere Anbaumethoden und hitzeresistentere Rebsorten.

– Land des Schaumweins: Selbst in Belgien ist mit Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels nicht alles super, sagt Jelle Steel vom Weingut Entre Deux Monts in Westflandern. Weil Wetterlagen unvorhersehbarer und ungleichmäßiger seien, müsse man viel mehr auf den Weinberg schauen. Generell aber würde es mit dem Weinbau einfacher. Das zeigen auch die Zahlen. Nach Angaben des belgischen Wirtschaftsministeriums wurde 2023 so viel Wein im Königreich hergestellt wie noch nie zuvor. Auch die Zahl der Winzer und der bewirtschafteten Hektar wuchs.

Eine Nahaufnahme eines Glases, das mit Weißwein aus Brügge, Belgien, gefüllt ist. Foto: Shutterstock

Vor allem die Nähe zum Meer mache Wein aus Belgien besonders, sagt Steel. „Wir haben diese Meeresbrise, die die meisten anderen Weinregionen mit kühlem Klima nicht haben.“ Dabei sei Belgien laut Experte Declerck wegen des nördlichen Klimas vor allem bei Schaumweinen stark. Fast die Hälfte aller hier produzierten Weine sind ihm zufolge prickelnd. Weitere 35 Prozent sind Weißweine, der Rest ist Rot- oder Roséwein. Das passt zu belgischen Fritten: Zu den fettigen Pommes müsse am besten etwas mit Säure oder Bubbles getrunken werden, sagt Steel – ein Sekt oder ein Weißwein etwa.

Im Süden gleicher Boden wie in der Champagne:In den vergangen zwanzig Jahren hat sich die Qualität des Traubensaftes aus dem Land zwischen Ardennen und Nordsee Experten zufolge stark verbessert. Im Juni erschien die erst zweite Ausgabe des „Gault&Millau“-Weinführers für Belgien..

Auch der Boden trägt zum Erfolg bei: Das Weingut Le Chant d’Eole mit dem prämierten Cremant etwa befindet sich auf der gleichen Kalksteinader wie die Region Champagne in Frankreich. Der weiße Kreideboden, der im Winter – während der feuchtesten Monate – Feuchtigkeit speichert und sie im Sommer – wenn die Reben sie am meisten brauchen – wieder abgibt, sei für ihre Erzeugnisse charakteristisch, sagt Sprecherin Amélie Wuillaume.

Ob sich die Franzosen Sorgen machen müssen? Keinesfalls, sagt Declerck. „Wir lieben großen Champagner und wir glauben, dass sich daran nichts ändern wird!“ Es sei viel mehr ein „und? statt ein „oder“. (dpa)

29 Antworten auf “Temperaturen steigen: Immer mehr Wein aus Belgien”

  1. Pensionierter Bauer

    Also, ein inzwischen verstorbener Onkel von mir, der hat bereits vor Jahrzehnten an der Südseite seines Hauses Weintrauben angebaut und die schmeckten noch gar nicht mal so sauer, obwohl sie ziemlich klein waren.

    • Guido Scholzen

      So ist es!

      die politisch korrekten Quatschköpfe in der DG veranstalteten dazu dieses Jahr einen Vortrag:
      „Hohes Venn bekommt Klima von Lüttich“
      https://www.grenzecho.net/105056/artikel/2024-04-05/klimaforscher-hohes-venn-bekommt-klima-von-luttich
      Der belgische Klima-Guru Xavier Fettweis warnte davor, es könne wärmer werden. (hatte leider keine Zeit dahin zu eilen) Im Mittelalter war es übrigens viel wärmer als heute (Mittelalterliches Klimaoptimum); ich gehe davon aus, dass das heutige Klima Mittel-Frankreichs im Mittelalter auf Ostbelgien gepasst hat, auch Eifel. Ein warmes Klima war auch damals ein gutes Klima.
      Derselbe Klima-Quatschkopf Xavier Fettweis meinte vor Jahren in einem wallonischen Medium, wenn die Südküste Grönlands denn eisfrei bleiben würde, dann könnte man diesen Küstenstreifen doch wenigstens voll mit Windrädern zubauen!
      Soviel zur reellen Kompetenz solcher „Wissenschaftler.“🤔
      Alles Quatsch, alles Klimaquatsch!

        • Guido Scholzen

          Vielen Dank, sehr interessant.
          Nur in 2 Punkten muss eingewendet werden, denn es steht im Text (deutsche übersetzung) folgendes drin:
          „Es muss gesagt werden, dass das Wasser zu der Zeit [Mittelalter] weder gesund noch hygienisch war. Aber Wein bleibt ein Getränk, das vor allem der Aristokratie und den Reichen vorbehalten ist.“
          1. Die Behauptung, dass Wein aber vor allem Bier im Mittelalter getrunken wurde, weil das Wasser zu dreckig war, ist nachweisbar falsch. (Zuletzt wurde diese Behauptung bei ZDF-TerraX vertreten). Der gegenbeweis liegt in der Logik dieser Sache selbst: Die Leute tranken also Bier, weil das Wasser zu dreckig war???🤔 Aber mit diesem dreckigen Wasser wurde dann Bier gebraut??? 🙄 Nee, sorry, das kann nicht sein. Die meisten Menschen tranken meist Wasser gegen den Durst wie eh und jeh.
          https://www.youtube.com/watch?v=rZCVXqREHa4&t=6s
          2. Wein war auch in Nordeuropa (nördlich der Alpen) ein allgemeines Getränk. die Verstädterung seit dem Hochmittelalter begünstigte dieses und die Kirche brauchte auch Wein.
          https://www.youtube.com/watch?v=RzhjTWGZ2r4
          Da das Klima wärmer war, wuchs Wein auch im hohen Norden des HRRDN. In Hamburg gab es gar einen „städtischen Weingärtner“.
          Infoquelle: YT-kanal ‚Geschichtsfenster‘.

  2. In Recht, Gemeinde Sankt Vith gibt es eine kleine Straße die einen Hang raufführt deren Name „am Weinberg“ lautet. Wie konnte man denn den Flurnamen da hinsetzen wo der Weinanbau in unseren Breitengraden auf die Klimakrise und den bevorstehenden Weltuntergang hindeutet die unsere Vorfahren die dort Wein anbauten scheinbar noch gerade so abgewendet haben?

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