Gesellschaft

Voll aggro! Kinder werden immer aggressiver – was tun?

Zwei Mädchen lassen ihrer Aggressivität freien Lauf. Foto: Shutterstock

Am Montagabend stellte Mona Oellers in Eupen ihr Buch „Voll aggro! – Warum Kinder immer aggressiver werden und was wir dagegen tun können“ vor. „Du hast mir gar nichts zu sagen, Schlampe“, „Du kannst mir mal die Eier lecken“, „Halt die Klappe, du Hurensohn“ sind Beschimpfungen, die immer häufiger von immer Jüngeren geäußert werden. In vielen Fällen schlagen diese Verbalattacken früher oder später in körperliche Gewalt um.

Dass Jugendaggression auch in der DG ein leider sehr wichtiges Thema ist, dem kann sich auch Ministerin Isabelle Weykmans (PFF) nicht entziehen. Zirka 35% der Jugendlichen aus Ostbelgien sind einer Umfrage zufolge bereits mit Gewalt in Kontakt gekommen, sei es als Zeuge, Opfer oder Täter.

„Mit dem Jugenddekret ist ein wichtiger politischer Anstoß gegeben worden. Und ich bin froh, dass wir es trotz anstrengender Wahlkampfperiode geschafft haben, die heutige Veranstaltung zu organisieren“, sagte Weykmans.

Vorbeugung ist der beste Ansatz

Buchautorin Mona Oellers bei ihrem Vortrag am Montagabend in Eupen. Foto: Jannis Mattar

Buchautorin Mona Oellers bei ihrem Vortrag am Montagabend in Eupen. Foto: Jannis Mattar

Vorbeugung ist auch bei Problemem mit Gewalt und Aggression der beste Ansatz. Dass das in der Praxis aber nicht die Regel ist, weiß Sozialcoach Mona Oellers aus eigener Erfahrung. Denn viele Eltern oder Lehrer trauen sich aus Scham nicht, rechtzeitig um Hilfe zu bitten.

„Dabei bewundere ich diejenigen, die offen zugeben: Ja, ich bin mit der Situation überfordert“, so Oellers. Wenn sie um Hilfe gebeten wird, gibt es oft schon eine lange Leidensgeschichte. In diesem Falle kann man nur noch versuchen, die Gewaltsituation zu deeskalieren, wenngleich das kein leichtes Unterfangen ist: „Eine bestimmte Lösung für alle Situationen habe ich nicht, aber ich habe oft Ideen, die bei der Lösungsfindung helfen.“

Ein Ansatz, der laut Mona Oellers in fast allen Fällen die Lage entschärft, ist die Fähigkeit zu Empathie, also zu versuchen, sich in das aggressive Kind hineinzuversetzen und die Lage nachzuvollziehen. „Oftmals ist es die halbe Miete zu sagen: ‚Ich verstehe dich und ich weiß, warum du damit nicht zurechtkommst‘.“

Das zahlreich erschienene Publikum im Europasaal. Foto: Jannis Mattar

Das zahlreich erschienene Publikum im Europasaal. Foto: Jannis Mattar

Vor allem im Kleinkindalter sei das Übertreten von Grenzen nicht direkt als böswilliges oder aggressives Verhalten zu verstehen. „Jedes Kind will testen, wo die Grenzen sind. Die Aufgabe der Eltern ist es an dieser Stelle, dies auch klar und deutlich zu zeigen. Sie müssen ganz klare Zeichen geben, bis wo ein Verhalten toleriert wird.“

Jedoch solle man nicht erwarten, dass sich das eventuelle Fehlverhalten sofort in Luft auflöst. In vielen Situationen müsse man sich damit zufriedengeben, abzuwarten, nachdem eingegriffen wurde. „Auch bei mir kann es vorkommen, dass mir etwas zu viel wird und ich etwas Abstand brauche, um angemessen reagieren zu können.“

Wenn Erwachsene das schlechte Beispiel geben

Bei besonders schwierigen Fällen könne es daher hilfreich sein, sich im Vorfeld ein Drehbuch bereitgelegt zu haben: „Auf diese Weise sind Sie nicht nur auf etwaige Schikane vorbereitet, sondern gehen direkt mit einer komplett anderen Körpersprache in die Situation. Das alleine reicht oft aus.“

Gegen das Phänomen Mobbing bleibt noch viel zu tun. Foto: Shutterstock

Gegen das Phänomen Mobbing bleibt noch viel zu tun. Foto: Shutterstock

Gleiches gelte im Übrigen auch bei Mobbing, einem Phänomen, das immer häufiger auftritt. „Ein Großteil des Geschehens wird davon bestimmt, wie Sie auf die ersten Mobbing-Anstöße reagieren“, sagt Mona Oellers. Dabei habe man immer die Wahl, ob man sich auf die Provokation einlasse oder nicht. „Ich habe immer die Wahl und kann daher entscheiden, was passieren wird.“ Wenn man durch bedachtes Verhalten das Mobbing im Keim ersticke, indem man auf die Provokationen nicht eingeht, komme der Stein gar nicht erst ins Rollen.

Im Fall von Cybermobbing sind es oft Erwachsene, die den Jugendlichen ein ansteckendes Fehlverhalten vorleben. „Wenn Jugendliche mitbekommen, wie sich viele Erwachsene im Internet verhalten, muss man sich im Nachhinein nicht wundern, wenn sie im sozialen Netzwerk ähnlich vorgehen.“

Daher sei es wie bei allen sozialen Problemfeldern so, dass Eltern, Lehrer und andere Erwachsene durch ein positives Vorleben einer erhöhten Gewaltbereitschaft vorbeugen können. „Ich will nicht sagen, dass wir alle den Weltverbesserer spielen sollen“, sagte Oellers zum Abschluss, „aber wir müssen dennoch Stellung beziehen und Vorbild sein.“

JANNIS MATTAR

Mona Oellers: Voll aggro! Warum Kinder immer aggressiver werden und was wir dagegen tun können. Piper, München 2014, IBN 978-3-492-05651-9, € 19,90

9 Antworten auf “Voll aggro! Kinder werden immer aggressiver – was tun?”

  1. Noah Toen

    Sehr geehrter Herr Mattar,

    Mich würde sehr interessieren, ob Frau Oellers Ihrer Behauptung, dass Kinder und Jugendliche immer aggressiver werden, auch entsprechende, vertrauenswürdige Statistiken zugrundelegt. Ansonsten bertrauert Ihr Buch ein rein fiktives Problem. Ein „ich habe schon das Gefühl, dass Kinder immer aggressiver werden“ reicht nicht wirklich aus, um eine ernsthafte Debatte zu führen.

    „Zirka 35% der Jugendlichen aus Ostbelgien sind einer Umfrage zufolge bereits mit Gewalt in Kontakt gekommen, sei es als Zeuge, Opfer oder Täter.“ Die Zahlen sind ja schön und gut, nur leider haben sie keine Aussagekraft wenn man sie nicht mit anderen Erhebungen vergleichen kann. Kann man denn ausschließen, dass es vor einigen Jahren nicht noch 38-40% waren?

    Als „Sozialcoach“ mag Sie durchaus Expertise im Fallmanagement haben, aber dann gleich einen allgemeinen Trend herauszufiltern, ist etwas voreilig. Wäre es möglich zu erfahren, ob Frau Oellers Ihre These auf die nötigen Studien/Statistiken fundiert?
    Vielen Dank!

  2. Jannis Mattar

    Sehr geehrter Herr Toen,

    Frau Oellers hat immer wieder auf Info- und Kontaktadressen verwiesen,
    die im Anhang ihres Buches zu finden seien. Ich muss gestehen, dass ich mir dieses Buch nicht gekauft habe, um mich darüber aufzuklären. Generell war es so, dass man trotz der Aufforderung zum Fragen stellen häufig nur die Antwort bekam: „Kaufen Sie das Buch, dann wissen Sie es.“
    In meiner Funktion als Journalist darf ich es mir bei der informativen Berichterstattung kein subjektives Urteil dazu erlauben. Ich kann aber nicht verhehlen, dass ich nicht sonderlich überzeugt war.

    Beste Grüße

    Jannis Mattar

    • Noah Toen

      Vielen Dank für Ihre Antwort!

      Dass Sie sich kein subjektives Urteil erlauben können, ist mehr als verständlich. Für mein Empfinden klingt dieses Bucg nach der €19,90-teuren Meinung einer einzelnen Person. Und dass die Autorin bei einer Fragerunde eben dieses Preisschild an die eigenen Antworten hängt, ist schon nur bedingt nachvollziehbar.

      Wenn ich das richtig verstehe, darf man sich anhand der Info- und Kontaktadressen die nicht-mitgelieferten (aber notwendigen)Zahlen zur Unterstützung ihrer Thesen auch noch selber raussuchen.

      Reichlich vage, werte Frau Oellers…!

  3. Ich bin immer erstaunt, wie viele Banalitäten sogenannte Fachleute in Büchern zu einem in der Tat ernsten Thema preisgeben. Mir scheint, dass sie und ihre Buchverlage die berechtigten Sorgen der Leute instrumentalisieren, um Geld zu machen. Das scheint mir auch hier der Fall zu sein.

    • So ist es, „Knete“.Es gibt heutzutage kein Thema mehr, womit nicht versucht wird
      Geld zu verdienen. Vom Klima, über Ernährungsratschläge bis hin zu den Kids
      Wie sagte doch mal einst jemand: das Geld liegt auf der Straße, du brauchst es nur aufzuheben.

  4. Christophe Heuschen

    Das Thema ist durch aus wichtig!

    Ich denke, dass wir Erwachsene bereits ernsthafte Schwierigkeiten haben unseren alltäglichen Stress zu bewältigen. Leider hat unser Alltag, eventuell auch der Schulalltag einen negativen Einfluss auf unsere Kinder. Wer es nicht lernt dies besser zu kompensieren oder Stress zu vermeiden, wird wohl oder übel negative Folgen davon tragen. Der eine äußert es in Form von Gewalt, ein anderer in eventuell schlechten Noten oder Depressionen… Ich persönlich denke nicht, dass Gewaltspiele oder Filme der wahre Auslöser sind. Vielleicht bricht es dadurch leichter aus, das Problem liegt jedoch viel tiefer.

  5. Reiner Mattar

    Wenn 35% de Kinder und Jugendlichen schon mit Gewalt in Berührung gekommen sind, dann ist es ziemlich egal, wieviel Prozent es vor 1, 2, 5 oder mehr Jahren waren. Es ist HEUTE und JETZT ein Problem. Dass auch offensichtlich der Europasaal gut besetzt war, ist ein weiterer kleiner Beleg dafür, dass das Thema mehreren Menschen wichtig ist.
    Ob allerdings eine Buchverkaufsveranstaltung Hilfe bringt, wage ich zu bezweifeln!
    Eine Reihe von Grundschulen in der DG haben schon seit ein paar Jahren Hilfe gesucht ( und teilweise gefunden), wenn sie in bestimmten Situationen Unterstützung brauchten. Und diese zunehmende Offenheit ist aus meiner Sicht ermutigend.
    Leider scheint auch beim Erwerb der grundlegenden personalen und sozialen Kompetenzen die Schule der Ort der Wahl zu sein…

  6. Unparteiisch

    Es ist Fakt, dass man Anonym im Internet gezielt Leute angreifen kann ohne folgen befürchten zu müssen. Es haben sich schon viele deswegen das Leben genommen und es werden mehr.
    Dies ist eine Vorstufe der Aggression.

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