Politik

„Rentrée politique“ im Senat: Die wohl überflüssigste Institution Belgiens kostet 43 Millionen Euro pro Jahr

Senatorin Liesa Scholzen (ProDG) bei ihrer Eidesleistung am Donnerstag im Senat. Foto: Belga

Am Donnerstag war „rentrée politique“ im belgischen Senst. Obwohl die zweite Kammer schon seit zehn Jahren keine nennenswerte Rolle mehr spielt, gibt es  sie immer noch. „Der Senat, der im Laufe der Jahre als Finanzmoloch und leere Hülle bezeichnet wurde, steht im Visier des Regierungsbildners“, schreibt Sudinfo.

In der Tat hat sich Bart De Wever (N-VA) in der Vergangenheit für die Abschaffung des Senats ausgesprochen. Vor einem Jahr kündigte sogar die Präsidentin der Versammlung, Stephanie D’Hoose (Open VLD), einen Vorschlag zur Abschaffung der ehrenwerten Institution an. D’Hoose sagte damals, sie habe mit den verschiedenen politischen Fraktionen darüber gesprochen, ohne auf wirklichen Widerstand gestoßen zu sein. Aus dem Vorhaben wurde aber nichts.

Innenansicht des belgischen Senats, der sich aus 50 Senatoren der Regionen und Gemeinschaften sowie 10 kooptierten Senatoren zusammensetzt. Foto: Shutterstock

Seit der Reform von 2014 ist der Senat zu einer Art Treffpunkt zwischen der föderalen Ebene und den Teilstaaten geworden. Es ist diese Art der politischen Koordinierung, die von mehr als einer Partei hervorgehoben wird, um die angebliche Bedeutung des Senats zu betonen. Außerdem werden die 43  Millionen Euro pro Jahr, die diese zweite Kammer laut Sudinfo den belgischen Steuerzahler kostet, damit rechtfertigt, dass der Senat gegebenenfalls bei möglichen Interessenkonflikten zwischen den parlamentarischen Versammlungen unseres Landes eingreift.

Am Donnerstag leisteten die 50 Senatoren der Regionen und Gemeinschaften ihren Eid, darunter auch Liesa Scholzen (ProDG). Eine Woche später folgen die 10 kooptierten Senatoren: vier französischsprachige (MR, PS, Les Engagés und PTB) und sechs flämische (darunter zwei von der N-VA). Diese werden von den Parteien bestimmt. Es sind oft „Versorgungsfälle“, die anderweitig nicht gewählt bzw. nicht untergebracht werden konnten.

„Im ursprünglichen Sinne des Wortes ging es darum, Leute hereinzuholen, deren Überlegungen die Debatten bereichern könnten“, erklärte Jean Faniel, der Generaldirektor des Centre de recherche et d’information sociopolitiques (Crisp), gegenüber Sudinfo. Bei der Änderung der Verfassung von 1921 wurde die Kooptierung von Senstoren eingeführt, „um der Hohen Versammlung zu ermöglichen, herausragende Vertreter der Zivilgesellschaft hinzuzuziehen“, so Faniel.

Der Palast der Nation in Brüssel, Sitz der Abgeordnetenkammer und des Senats. Foto: Shutterstock

Anfang der 1970er Jahre erregten sich in Ostbelgien die Gemüter, weil der CSP-Politiker Johann Weynand trotz einer Masse an Vorzugsstimmen von der frankophonen Schwesterpartei PSC nicht kooptiert worden war. Mehr Glück hatte Jahre später der Eupener Bürgermeister Fred Evers (PFF), der in den Senat kooptiert wurde, nachdem er bei der Parlamentswahl nicht direkt als Kammerabgeordneter gewählt worden war.

Was die zehn kooptierten Senatoren betrifft, die also von ihrer Partei frei gewählt werden, so erhalten diese laut Sudinfo nur die Hälfte der klassischen parlamentarischen Entschädigung. Nach der letzten Indexierung im Juni sind dies 4.639,18 Euro (brutto) pro Monat, wobei noch 1.298,97 Euro (netto und immer noch monatlich) als Spesen hinzukommen.

„Es bleibt abzuwarten, ob die Senatoren, die am heutigen Donnerstag und erst recht am nächsten Donnerstag vereidigt werden (da die ersten ohnehin in ein anderes Parlament gewählt werden), die letzten einer aussterbenden Spezie sein werden“, schreibt Sudinfo.

In der DG fordert Vivant, dass die Ämter des Parlamentspräsidenten und des Senators zusammengelegt werden. Diese Forderung wurde auch von der CSP unterstützt, wenngleich davon im Koalitionsabkommen der DG-Regierung von ProDG, CSP und PFF nichts zu finden ist.

Senatorin Liesa Scholzen (l, ProDG) und Parlamentspräsidentin Patricia Creutz (r, CSP). Vivant fordert, dass beide Ämter zusammengelegt werden. Foto: Patrick von Staufenberg

„Wenn die DG das Amt des Parlamentspräsidenten mit dem Amt des Senators zusammenlegt, werden wir dieses Geld nicht mehr bekommen, weil der Föderalstaat nicht bereit ist, unseren Parlamentspräsidenten zu bezahlen. Würde er das tun, müsste er das auch für alle anderen Parlamente tun. Und das ist unvorstellbar“, sagte der ehemalige Senator und heutige DG-Minister Gregor Freches (PFF), der von der Bedeutung des Senats überzeugt ist.

Die neue Legislaturperiode müsse genutzt werden, um die Stellung des Senates als zweite Kammer zu stärken, so Freches: „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es zu einer weiteren Staatsreform kommen wird. Sollte es dazu kommen, so wird diese auch und vor allem im Senat vorbereitet und entschieden. Gemäß Artikel 77.4 der belgischen Verfassung werden im Senat die Gesetze zu den Einrichtungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft und deren Finanzierung bestimmt. Daher ist die Anwesenheit der neuen Senatorin Liesa Scholzen für die Deutschsprachige Gemeinschaft dort unabdingbar.“ (cre)

38 Antworten auf “„Rentrée politique“ im Senat: Die wohl überflüssigste Institution Belgiens kostet 43 Millionen Euro pro Jahr”

    • Die Quote verlangst… Jung (also NULL Erfahrung, in gar nichts), weiblich, usw. Wir richten uns selbst zu Grunde, deswegen hatte bereits Juvenal es erkannt: (aus dem Gedächtnis, aus der 5. ??? Satire) „Der Tyran hat Recht Sie so zu beleidigen, denn wer sie duldet hat sie verdient“.
      Wir haben nur das, was wir verdient haben.

  1. Sparbüxe

    Nun ja, wiedermal typisch für unsere Politikelite! Fast alle meinen dass dieses Ding überflüssig wäre, jedoch getan von derer Seite wird Null und nix! Da soll der Bürger nicht frustriert sein, wegen solchen Vergeudungen! Die sogenannten, dort tätigen Personen, sollten sich mal selber in Frage stellen, und nicht einfach nur drauf los Sitzungen abhalten!? Selbst ACHT im Jahr sind deren ACHT zuviele! Bei dem Kostenpunkt!? Eine Frechheit ohne Grenzen nennt man das.
    Denkt bitte eher mal an die Leute und Personal der Alten- und Pflegeheime!
    Die könnten das viele Geld viel besser gebrauchen als es in der Art und Weise zu verheizen!
    Unsere Medien sollten dabei mithelfen, und aufdecken.
    Ausserdem gibt es noch vieles andere mehr was überflüssig ist.
    Aber getan wird nichts! Es läuft alles so weiter wie es ist.
    Das nennt man Unfähigkeit!

    • Unsere Medien sollen mithelfen … 😁🤣

      @ Sparbüxe

      Unsere Medien und „mithelfen“?! – Ist wie Feuer mit Benzin löschen!

      Unsere Mainstream Medien werden größtenteils von diesen Leuten, die Sie „Elite“ nennen, finanziert und sind somit abhängig … => „Wes Brot ich ess‘ des Lied ich sing“ … etwas aufzudecken, käme in dieser Situation einem Selbstmord gleich. Plattformen wie OD, haben diese staatlichen Zuwendungen nicht, daher sind die freier in ihrer Berichterstattung, was ihnen den Unmut der Politiker beschert!

      Übrigens, das Wort „Elite“ ist positiv besetzt, ob man das unbedingt im Zusammenhang mit Politikern verwenden sollte, die schon einen Tag nach der Wahl ihr eigenes Wahlprogramm „vergessen“ haben (Senator UND PDG Präsident) – ich denke eher nicht.

  2. Viktor Krings

    Mit 43 Millionen pro Jahr, könnten so einige Übersetzer eingestellt werden, damit den deutschsprachigen Belgiern auch alle Informationen in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden.

    • Billiger wäre es wenn hier alle eine 2. Landessprache sprächen Herr Krings, Sie wollen doch sparen.
      Es gibt auch Übersetzungsprogramme, aber ich habe den Eindruck dass Sie einfach wahrgenommen werden wollen.

      • Viktor Krings

        Hallo Hans. Ich weiß sehr wohl, dass es Übersetzungsprogramme gibt. Aber in einem Land, wo es 3 anerkannte Sprachen gibt, sollen diese auch absolut gleichbehandelt werden. Oder halt alles in einer Fremdsprache und alle, d.h. die französischesprechenden-, die niederländischsprechenden- und die deutschsprechenden Bürger müssen sich alle Informationen mittels Übersetzungsprogrammen übersetzen. Ich möchte nur eine gleiche Behandlung aller Bürger in unserem Staat.

  3. Goodbye Belgien

    Nun regt euch mal l nicht so auf, diese Summe ist doch nur ein Bruchteil der Summe die ausgegeben muss um „überflüssige Corona- Schutzmaßnahmen“ durch die „Hintertür“ still und leise zu entsorgen.
    Ein Staat. der genügend Geld hat in um Leben zu vernichten (Kriege finanziell unterstützen), müsste doch auch genug Geld haben „um Leben zu retten“ !! (Gesundheitssektor besser unterstützen) Habe die „Impfplörre“ zum Glück nicht „angenommen“ , habe auch im Gegensatz zu vielen „Gespritzten“ kein Covid gehabt. Es ging also auch “ ohne“ !!
    Und für die „armen Volksvertreter“, die soviel Steuergeld verplempern, sind die 43 Millionen doch nur „Pinnatz“ , darüber spricht man nicht !!

  4. Sich als Ostbelgier, Parlament, Regierung, 4 Minister… für 77.000 Leutchen, über „unnötige Institutionen“ aufregen hat den Charakter einer Satire. Wenn jemand zu dem Thema besser schweigt, dann sind wir das… 🤐

      • 7 Riesen?

        Weiblich, jung, unerfahren sind doch ihre Qualis! Genau das ist gewollt. Und diese Leute entscheiden über unser Leben (ich weiß, im Senat nicht unbedingt – dann darf sie ja spielen, wie davor der Herr Miessen). Was bekommen die im Monat? 7 Riesen? + jede Menge Vorteile, wie fette Kiste, Chauffeur, uvm.
        Wir haben nichts Anderes verdient, wir lassen es zu, seit Langem.

  5. Subjektiv

    Glückwunsch Frau Scholzen. Sie haben das große Los gezogen. Fett Kohle verdienen ohne dafür einen Beitrag für uns Bürger zu leisten. Sie verstehen schon, Senat!! Muss man neidlos anerkennen.

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