Politik

PTB-Chef Hedebouw wettert gegen die Großkonzerne: „Staat muss Energiesektor wieder in die Hand nehmen“

Der Vorsitzende der linksextremen Partei PTB, Raoul Hedebouw, setzt sich auf einer Kundgebung in Brüssel am 1. Mai gegen die hohen Energiepreise demonstrativ und spektakulär eine Kraftstoff-Pistole an den Kopf. Foto: Hatim Kaghat/BELGA/dpa

Die galoppierenden Energiepreise sorgen allgemein für ein Umdenken. „Die Preise müssen eingefroren werden und der Staat muss in den Markt eingreifen“, fordert Raoul Hedebouw, der Vorsitzende der linksradikalen PTB, in einem Interview mit Sudpresse.

Noch vor einem Jahr hätte man Hedebouw als „linken Spinner“ beschimpft, wenn er behauptet hätte, die Liberalisierung des Energiesektors sei ein großer Fehler gewesen. Inzwischen wird seine Kritik an den multinationalen Energiekonzernen, die durch einen „Raubüberfall auf die Brieftaschen der Arbeitnehmer“, wie er sagt, Milliardengewinne machen, nicht nur in linken Kreisen geteilt.

23.02.2019, Belgien, Brüssel: Firmensitz des Energieunternehmens Engie in Brüssel. Foto: Shutterstock

„Es ist klar, dass wir einen Überfall der Finanzwelt auf unsere Geldbeutel erleben. Es ist eine soziale Krise für sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rechnungen von 600 oder 700 Euro im Monat bezahlen müssen. Und gleichzeitig verkündet uns Total Energie einen Gewinn von 5,7 Milliarden für die ersten drei Monate des Jahres. Bei Engie werden wir auf 9 Milliarden Überprofite für das ganze Jahr kommen“, so Hedebouw in dem Interview mit Sudpresse.

Laut Hedebouw prangert die PTB schon seit Jahren an, dass man aufhören müsse, den multinationalen Konzernen die Macht über den Energiesektor zu geben: „Das ist unerträglich, es ist ein Raubüberfall dieser multinationalen Konzerne auf die Brieftaschen der Arbeitnehmer. Der Staat sollte sie schützen, aber er tut es nicht.“

Raoul Hedebouw, Vorsitzender der PTB, bei einer Wortmeldung in der Kammer. Foto: Belga

Alle traditionellen Parteien hätten seinerzeit für die Liberalisierung gestimmt und dies damit begründet, dass der Wettbewerb die Preise senken würde. „Falsch“, so der PTB-Chef, „im Kapitalismus führt der Wettbewerb dazu, dass die Großen die Kleinen fressen. In Europa gab es 700 Fusionen, und heute wird der Energiemarkt von sieben multinationalen Konzernen beherrscht.“

Auf die Frage, ob er denn eine bessere Lösung anzubieten habe, wenn die Liberalisierung nicht die Lösung war, antwortete Hedebouw: „Zunächst muss man kurzfristig die Preise einfrieren, wie in Spanien und Portugal. Warum nicht auch in Belgien? Man sagt mir, dass Europa das nicht akzeptieren wird. Bei den Banken hat die EU damals nicht gezögert: Innerhalb von 12 Stunden war das Problem gelöst. Wir müssen aufhören, uns hinter Europa zu verstecken.“

Hedebouws Fazit: „Die Preise müssen eingefroren werden, und mittelfristig muss die öffentliche Hand den Energiesektor in Belgien wieder in Besitz nehmen.“ (cre)

23 Antworten auf “PTB-Chef Hedebouw wettert gegen die Großkonzerne: „Staat muss Energiesektor wieder in die Hand nehmen“”

  1. Michaela F.

    Ich stimme Hedebouw voll und ganz zu.
    Ein weiteres Problem ist, dass die Energieträger mittlerweile an den internationalen Börsen gehandelt werden, wobei natürlich das Gestz von Angebot und Nachfrage herrscht.

  2. Hirn Ein

    Die Grundversorgung sollte in staatliche Händen. Wasser und Strom!
    Übrigens, wie geht es jetzt mit den E-Autos weiter? Das wird doch nicht mehr finanzierbar sein.
    Das sind alles hausgemachte Probleme. Industrie ausgelagert in Billiglohnländer und jetzt hat man den Salat.
    Es lebe Europa!

  3. Der kleine Belgier

    Der Verdienst von Verkäufen in unserem Land müsste unbedingt im jeweiligen Land
    versteuert werden. Gelldverschiebungen über Zweit- oder Drittfirmen um Gewinne
    zu minimieren dürfte es so nicht geben. Erst durch solche Steuergesetze würde der
    Staat entsprechend Steuergelder einnehmen und könnte als Gegenleistung für den Bürger
    viele Kosten reduzieren. Das könnte eine freie Marktwirtschaft werden, denn wenn der
    Staat Strom oder Benzin usw. übernimmt, haben wir wie jetzt auch Monopolstellungen und
    das bedeutet, nur sie bestimmen den Preis.

  4. Die Liberalisierung ist nicht das Problem. Im Kapitalismus zeigen steigende Preise einen Mangel an, im Kommunismus ist der Mangel, auch bei nominal niedrigen Preisen, der Normalzustand. Die Bananen in der DDR waren billig, nominal, es gab nur nie welche zu kaufen…. 😁. Der ansteigende Preis ist wie das Fieber, er zeigt eine Infektion an. Jetzt kann man das Fieber senken, sprich „Preisdeckel“, aber dafür ist die Infektion nicht weg, man fühlt sich nur besser, eine kurze Zeit lang. Wird die Infektion, die Ursache des Fiebers, nicht beseitigt stirbt der Patient. Wenn man weiter auf die „Energiewende“ setzt kommt bald kein Strom mehr aus der Steckdose, egal wie „gedeckelt“ der Preis der nicht vorhandenen Energie auch immer ist…. 😜

  5. Die liberale Politik der letzten Jahre hier im Belgien beruhte auf die Privatisierung von Gewinnen und der Verstaatlichung der Schulden. Das vielgepriesene unternehmerische Risiko besteht seit langem nicht mehr. Gott sei Dank haben die Wähler dies in den letzten Jahren erkannt und deshalb auch hier in Ostbelgien due PFF abgestraft. Mit der oder mit den aktuellen Krisen werden es für die liberalen Parteien überall in Europa schwierig werden.

  6. @Dax
    „Im Kapitalismus zeigen steigende Preise einen Mangel an“

    Der Preis basiert auf die teuerste Herstellung von Strom und das ist zurzeit Gas.
    Wo ist der Mangel? Wachen Sie auf und schmeissen Sie endlich Ihre Schulbücher aus den 6Oer Jahren in die Tonne.

    • Wir haben genug Gas für den Strom- und Wärmemarkt? Gerade erst wach geküsst worden? Was das Prinzip der Merit-Order im Strommarkt, dem Angebot an KKW und Kohlestrom sowie dem Gaspreis zu tun hat habe ich an anderer Stelle erklärt. Bevor Sie anderen raten Bücher weg zu schmeissen sollten Sie selbst mit dem Lesen anfangen….

      • @Dax
        Erstmal selber lesen lernen. Wer spricht vom Wärmemarkt?
        Ich rede von Stromerzeugung und Gas ist die teuerste Variante und entscheidet so über dem Endpreis für den Kunden.

        „habe ich an anderer Stelle erklärt“
        Sie glauben doch nicht dass Sie hier Follower haben oder?

        @Mungo 19h09
        „Hab ich da etwas verpasst?“

        Ja aber wer hat schon etwas anderes erwartet

  7. @Daniel. Haben sich seit den 60er Jahren physikalische Gesetze verändert? Hab ich da etwas verpasst? Wurde Strom nur durch die Verbrennung von Gas „produziert“? Sie müssen ja sehr von sich überzeugt sein, wenn sie glauben DAX das Wasser reichen zu können.

    • Walter Keutgen

      Mungo, wirtschaftwissenschaftliche Bücher meinte Daniel wohl.

      Gaskraftwerke gab es schon Anfang der siebziger Jahre, allerdings nur um Verbrauchspitzen abzudecken. Es waren Hubschraubermotoren die Alternatoren antrieben. Sie liefen immer nur ein paar Minuten. In den achtziger Jahren ist eins bei Brüssel beim Anfahren in die Luft geflogen, dabei sind drei Arbeiter getötet worden. Die heutigen sind komplizierter, da man die Abwärme für ein beigeordnetes Dampfkraftwerk nutzt.

      Strom wird durch allerlei Verfahren produziert. Im RTBf-Fernsehen (JT 19h30) erklärte ein Spezialist, dass jedweder Strom zum Preis des teuersten Produzenten bezahlt wird. Der Strommarkt sei so geregelt. Scheint auf die Liberalisierung des Strommarkts durch die EU zurückzugehen, die Belgien schleppend eingeführt hat. Die Eigentümer von Atomkraftwerken und Windrädern verdienen sich also eine goldene Nase.

      • Ich weiß nicht wer der „Experte“ war noch was er erklärt hat, aber die Aussage dass „jedweder Strom“ nach dem Merit-Order Prinzip bezahlt wird stimmt schon einmal nicht. Das Merit-Order Prinzip kommt nur im „Day-Ahead-Handel“ zum Tragen, die weitaus grösseren Strommengen werden im EEX-Terminmarkt gehandelt. Das Kabelwerk z.B. oder auch Fonk kaufen den Strom nicht „Day-Ahead“ ein sondern über ein Jahr als Terminkontrakt. Zudem gehen die Preisangebote im unteren Segment beim Merit-Handel nicht als Vollkosten sondern als Grenzkosten ein, so dass der „höchste Preis“ eigentlich die Vollkostenkalkulation der billigsten Anbieter abdeckt….
        Ist alles kompliziert, zu kompliziert für Grüne, Politiker und Journalisten. Hier braucht man einfache Lösungen und Erklärungen. Die einzig wahre Erklärung, egal welche Handelsplattform reagiert auf Angebotsmangel mit steigenden Preisen. „Atomausstieg“ plus „Kohleausstieg“ plus Gasembargo haben den Strompreis durch die Decke gehen lassen! Punkt! Und das sind politische Entscheidungen die von völlig ahnungslosen, verblendeten Leuten getroffen wurden. So ist es, und nicht anders….

        • Walter Keutgen

          Dax, wenn man Informationssendungen an Fernsehen sieht müsste man immer einen Notizblock zur Hand haben. Also, ich weiß den Namen nicht mehr. Es ging sicher nicht um professionelle Kunden, die ihre Verträge aushandeln. Zurzeit habe ich als Privatmann einen dreijährigen Festpreisvertrag. Früher war das anders. Ich erinnere mich, dass der Gaspreis an einen Index der holländischen Erdgasbörse festgemacht war. Eine Regel muss der Lieferant nennen, denn sonst könnte er machen, was er will. Für Elektro erinnere ich mich nicht. Eine schlechte Überraschung hatte ich damals nicht.

          • Darum geht es sich im Grunde auch nicht sondern um das neue Narrativ der Ökos „die Merit-Order Regelung ist schuld“. Nochmal, die aktuelle Preisentwicklung spiegelt nur den Mangel wieder der durch „Energiewende“ und „Gasembargo“ entstanden ist. Nur würden sich die dafür Verantwortlichen eher die Zunge abbeissen bevor man das zugäbe…

            • Walter Keutgen

              Dax, heute war ein anderer Experte in der Sendung „On n’est pas des Pigeons“. Der durch Energiewende und Gasembargo entstandene hohe Gaspreis sollte aber nur den durch Gaskraftwerke produzierten Strom verteuern. Desweiteren schwören die Stromanbieter für private Haushalte immer, sie würden nur Ökostromanbieten – ist Mode. Dieser müsste aber im Preis gleich bleiben.

    • Robin Wood

      Wer nicht produziert, der verkauft auch nicht. Und wer nicht verkauft, macht keinen Gewinn und muss Mitarbeiter kündigen. Wenn Firmen „aufhören zu arbeiten“, gibt es auch keinen Export mehr – die deutsche Wirtschaft geht zugrunde. Scheint den Grünen egal zu sein.
      Wenn z.B. der Bäcker „aufhört zu arbeiten“, haben wir zwar kein Brot mehr, können aber Kuchen essen. Ach nein, der kommt ja auch vom Bäcker.
      https://www.youtube.com/watch?v=rIDSmPGyfBo

  8. Neneewaa

    Es war einmal ein Angestellter, der arbeitete in einem gutgehenden Betrieb. Die Geschäftsführung beschloss an die Börse zu gehen und gab auch Aktien an die Belegschaft aus. Der Aktienkurs stieg und stieg, und da Mensch denkt viel ist nicht genug, forderte die Belegschaft noch höhere Dividenden für ihre Aktien. Die Geschäftsführung beschloss das Personal zu kündigen und durch Roboter und Computer zu ersetzen. Das macht noch mehr Gewinn.

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