Fußball-Deutschland ist frustriert. Da überrascht Joachim Löw bei seinem letzten Auftritt als Bundestrainer mit Aussagen, die nicht ins Milliarden-Business passen. Wieder Mensch zu sein, ist sein Wunsch. Nachfolger Hansi Flick bekommt freundliche Grüße und viele Aufgaben.
Mensch, Jogi! Sein weinroter Kapuzenpulli sah aus wie eine Büßer-Kutte. Joachim Löw taugte nach dem schmerzhaften Wembley-K.o. aber nicht zum Sündenbock der schon wieder frustrierten Fußball-Nation.
Nach 15 Jahren als Bundestrainer will der gegen England im EM-Achtelfinale zum Karriere-Schlusspunkt zu früh gescheiterte Rekordcoach vor allem wieder eins sein: ein normaler Mensch und Fan. „Mein Herz schlägt weiterhin Schwarz-Rot-Gold“, lautete Löws Kernbotschaft bei seiner Abschiedspressekonferenz. Dann verließ er um 14.07 Uhr in einer schwarzen Limousine als Letzter den lieb gewonnenen „Home Ground“ in Herzogenaurach.
Die allerbesten Wünsche für seinen Freund und Nachfolger Hansi Flick hatte er zuvor noch ausgerichtet. „Ein Abendessen habe ich nicht geplant. Hansi hat seine eigenen Vorstellungen. Sollte er Fragen haben, stehe ich zur Verfügung“, sagte Löw über den Kontakt zu seinem einstigen Assistenten, der ab September die Nationalmannschaft so schnell wie möglich wieder dahin führen soll, wo sich der deutsche Fußball auch nach Tiefschlägen weiter selbst verortet.
„Wir wollen immer oben mitspielen“, sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff mit einem Anflug von Trotz nach der nächsten harten Turnier-Bodenlandung. „Das Herz schlägt, aber es tut gerade enorm weh“, nahm Bierhoff Löws Schwarz-Rot-Gold-Aussage auf.
Der mit sich selbst hadernde Thomas Müller, der in Wembley noch weinende Joshua Kimmich und deren 24 Teamkollegen hatten den EM-Campus längst verlassen, da startete Löw am Mittwoch seinen letzten 60-Minuten-Talk als Bundestrainer. Teils defensiv, mit verschränkten Armen, teils emotional mit stockender Stimme.
Es sind die menschlichen Beziehungen, die bleiben
Und Löw überraschte noch einmal: Nicht der WM-Triumph in Rio 2014, nicht die Demütigungen beim WM-Debakel 2018 und auch nicht der finale EM-Stimmungsdämpfer am Dienstagabend beim 0:2 gegen die Three Lions nannte er als seine bleibenden Erinnerungen. Nein, für Löw sind es die menschlichen Beziehungen, die bleiben, die Wege, die man gemeinsam gegangen sei, bog Löw leicht ins Philosophische ab.
„Es ist vielleicht in einigen Jahren nicht mehr so wichtig, ob eine Niederlage mehr oder ein Sieg mehr“, sagte er einen Satz, der so gar nicht ins Milliarden-Business Fußball passt und viele ernüchterte Fans in der Überzeugung bestärkt, dass der Abschied überfällig ist.
Ein sportliches Vermächtnis hatte Löw. „Wir brauchen Kultur im deutschen Spiel, wir brauchen Spielfreude“, postulierte er seine Überzeugung. Bloß nicht zurück zum Dogma der teutonischen Tugenden, die er mit seiner Dauerarbeit von der Tagesordnung verbannt hatte.
Nachfolger Flick ist frei vom Verdacht des taktischen Rückfalls, aber verantwortlich für die dringend notwendige Wiederaufbauarbeit mit einem seit Jahren desorientierten Team. Bierhoff kündigte baldige Gespräche mit dem ehemaligen Bayern-Erfolgscoach über den Kurs Richtung Weltmeisterschaft in Katar 2022 und zur Heim-EM 2024 an.
Als Löws größtes Verdienst des Jahres entpuppt sich nachträglich seine Rücktrittsankündigung vom 9. März. Er ersparte sich erst eine Dauerdiskussion und jetzt eine demütigende Vertreibung aus dem Amt. Bierhoff konnte die Nachfolge-Lösung Flick in Ruhe eintüten.
Der DFB-Direktor als Langzeit-Manager ist aber mitverantwortlich für den rapiden sportlichen Werteverfall und muss weitere Zeichen setzen. Die Fans haben keine Lust mehr auf den Orbit Nationalmannschaft im durchgestylten Marketing-Format. Umso überraschender meinte Bierhoff: Grundsätzlichen Veränderungsbedarf sehe er nicht.
Löw hätte schon nach Debakel der WM 2018 gehen müssen
Löw kann solche Themen hinter sich lassen. Der Kopf war gesenkt, die Schultern hingen schlaff herunter. So war er mitten in der Nacht nach der Rückkehr aus Wembley über das Rollfeld des Nürnberger Flughafens gegangen. Symbolik und Analogie zur Situation des deutschen Fußballs waren frappierend. Energie, Kreativität, Vision – alles aufgebraucht, schleichend verloren nach den weltmeisterlichen Jubeltagen in Brasilien. Das Heer an Kritikern ist sich einig: Löw hätte nach dem WM-Debakel bei der WM 2018 in Russland schon gehen müssen.
Die reinen Zahlen sind sogar schon seit dem Titelrausch 2014 ein Beleg für den sportlichen Niedergang. Den Weltruf als Turniermannschaft ist Deutschland los. Seit der EM 2016 wurden mit Ausnahme des Testturniers beim Confederations Cup nur vier von neun Gruppenspiele gewonnen. In den vier K.o.-Duellen jubelte Löw nach regulärer Spielzeit nur bei der EM 2016 gegen die Slowakei (3:0).
Der Thrill der von Löw so geliebten Alles-oder-nichts-Spiele endete zu oft in Tristesse. Eine weitere bezeichnende Bilanz: In acht Turnierspielen in Serie lief die DFB-Elf einem Rückstand hinterher. Antworten als aktiv coachender Trainer fand Löw nicht. Sein Dogma, einem Team in konzentrierten Mai-Wochen Titelreife verpassen zu können, entpuppte sich zum letztlich gescheiterten Risikoprojekt.
Jetzt muss Flick die Antworten möglichst schnell finden. Bis zur WM in Katar, für die im Herbst in sieben Spielen das Ticket erst noch gelöst werden muss, sind es nicht einmal mehr 17 Monate. Nie zuvor war die Spanne zwischen zwei Topereignissen so kurz. Deutschland geht als Tabellendritter hinter Armenien und Nordmazedonien ins Rennen um Platz eins – nur der garantiert die WM-Teilnahme.
Die Anzeichen für einen personellen Umbruch, den Löw vollzog und wieder zurücknahm, sind groß. Die Rückholaktion von Müller und Mats Hummels, die als Symbol alternativlos war, verpuffte sportlich. Tragische Menetekel werden das Eigentor von Hummels beim 0:1-Auftakt gegen die viel zu ehrfürchtig eingeschätzten Franzosen und Müllers Fehlschuss zum möglichen 1:1-Ausgleich gegen England bleiben.
Flick muss klare und kluge Entscheidungen treffen
Innerlich aufgewühlt war besonders Müller. Nach seiner vergebenen Großchance meldete sich der 31 Jahre alte Angreifer am frühen Mittwochmorgen mit einer bewegenden Instagram-Botschaft zu Wort. „Da war er, dieser eine Moment, der dir am Ende in Erinnerung bleibt, der dich nachts um den Schlaf bringt. Für den du als Fußballer arbeitest, trainierst und lebst“, schrieb der Bayern-Profi.
Die Rückkehrer leiden: „So, that’s it. Die EM ist für uns vorbei. Und ich sitze hier im Bus und will es nicht wahrhaben“, schrieb Verteidiger Hummels auf seinen Social-Media-Kanälen. Der Dortmunder ahnte noch in London, dass es Kritik hageln dürfte. „Es ist schon klar, dass jetzt alles niedergeredet wird.“ Das Turnier müsse aber auch er „jetzt alles in allem leider als Enttäuschung abhaken“.
Flick wird klare und kluge Entscheidungen treffen müssen, nicht nur zur Zukunft von Müller und Hummels, die kaum ein zweites Mal nach 2019 ungefragt auf dem Abstellgleis landen wollen. Mit wem soll Deutschland die Rückkehr zur Fußball-Dominanz gelingen? Es wird Gespräche geben. Toni Kroos (31)? Ist nicht mehr sakrosankt. Ilkay Gündogan (30)? Fand keine Bindung zum Team. Bei Kapitän Manuel Neuer (35) gibt es keine Anzeichen, dass er Schluss macht.
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, der mit Flick befreundet ist, rechnet mit einem sanften Umbruch – und mit Müller im DFB-Trikot. Flick wird nicht viel ausprobieren können. Muss er auch nicht. Denn das Grundgerüst mit viel Talent gerade in der Offensive (Kai Havertz, Serge Gnabry, Leroy Sané, Jamal Musiala) steht. „Wir haben eine Reihe junger Spieler, die in den nächsten zwei, drei Jahren nochmal einen großen Schritt nach vorne machen werden“, sagte Löw.
Kimmich und Leon Goretzka müssen nun wirklich in die Führungsrolle schlüpfen. Beide seien „jetzt schon Leader in der Mannschaft, weil sie mit ihrem unbändigen Willen vorangehen“, betonte Löw. Und was wird aus ihm? „Mit Sicherheit gibt es neue Aufgaben für mich, die interessant sind“, sagte er. Er habe „keine konkreten Pläne“. Nur eines ist sicher, wie ein niederländischer Fragesteller erfahren musste: Den vakanten Posten als Bondscoach beim Erzrivalen Holland – den will Löw nicht. (dpa)
Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:
England gewinnt 2:0 und wirft Deutschland raus – Die Zeit von Löw als Bundestrainer endet im Achtelfinale. #EURO2020 #Euro2021 #EnglandvGermany #ENGGER https://t.co/nIWv9csqpu pic.twitter.com/Qaf9pCwFsk
— Ostbelgien Direkt (@OstbelDirekt) June 29, 2021
Neuer ist schuld. In Brasilien hat er alles gehalten was auf’s Tor kam. Unmögliche Bälle noch rausgeholt. Neuer hätte alleine antreten können und hätte gewonnen. Unglaubliches Turnier.
Ohne Neuer wäre aber in Brasilien schon in der Vorrunde Schluss gewesen. Dann wäre Jogi schon 2014 gegangen worden. Und was macht Neuer seitdem? Lässt einfach Tore zu. Pöser Pursche!
Gut,dass Courtois bei dieser EM den Neuer macht.
HINWEIS – ARD-Duo mit Wellmer und Schweinsteiger erntet Kritik. https://ostbelgiendirekt.be/ard-duo-erntet-kritik-290068
Joachim Löw war ein Glücksfall für die deutsche Nationalelf. Er hätte nur fünf Jahre früher als Teamchef aufhören müssen…
Quatsch schon 2016 hat Flick die Mannschaft in Wahrheit eingetsellt und die Taktik geprägt! Dann Flick weg nur noch Katastrophe und Flick holt Bayern aus Krise zur Championsl.Sieg! 2022 Deutschland durch Flick Favorit!
Mimimimimimi
Vielleicht sollte ein Herr Bierhoff gleich mit dem Trainer verschwinden ?! Flick wird’s besser ohne das Reinreden von dem schaffen.
Dieser Wichtigtuer Bierhoff sollte genauso packen