Leserbrief

Johann Klos: Der globale Konkurrenzkapitalismus

Die wirtschaftlichen Daten in unseren Breitengraden sprechen eine deutliche Sprache: Es geht weiter bergab mit unserer Produktivität. Sinkende Produktivität entspricht sinkenden Steuereinnahmen. Das heißt, wie auch schon von der Regierung der DG angekündigt: Abstriche machen.

Wer etwas anderes erhofft hatte, verkennt die belgische Realität.

Wir sind zwar die politische Mitte Europas, haben aber vor lauter politischem Taktieren über Jahre beide Augen vor der Realität in Bezug auf unsere Wettbewerbsfähigkeit fest verschlossen. Wenn dann noch, wie vor kurzem zu lesen, die Politik sich erhofft, über die Inflationsrate die Wettbewerbsfähigkeit anzuspornen, dann kann einem, wie man früher sagte, der „Griffel aus der Hand“ fallen.

Es gibt für Belgien – und somit auch für uns – nur zwei Wege aus diesem Dilemma:

Der erste zielt auf sinkende Lohnstückkosten ab, und jetzt kommt der Aufschrei: sofortiges Abschaffen der indexgebundenen Löhne, Gehälter usw.

Ein Mindestlohn, der deutlich nach unten zeigt. Es gibt heute schon bei unserem direkten Nachbarn in gewissen Bereichen Löhne von praktisch unter 5 Euro die Stunde. An die Kandare gelegte Gewerkschaften nach deutschem Vorbild usw.

Der zweite Weg ist wesentlich protektionistischer und würde den Rahmen dieses Schreibens sprengen. Harte Worte auf kleinem Raum, aber alternativlos bedingt durch den „nicht gebändigten Kapitalismus“.

Das Problem liegt auch in unserer Winzigkeit. Durch die Internationalisierung der Finanzmärkte haben praktisch nur noch große Staaten die Möglichkeit, ihre Handlungskriterien nachhaltig zu verändern. Was auf uns bezogen heißt: Es gibt keinen Schutz mehr für unser „belgisches Modell“. Länder unserer Größenordnung unterliegen wesentlich intensiver der strukturellen Abhängigkeit vom Kapital.

Unser größtes Problem: Seit Jahren laufen wir einer geordneten Kapitalakkumulation hinterher.

Hier muss man sich fragen, inwieweit vor allem durch eine einseitig gewachsene politische Kraft in der Wallonie viel zu lange die Interessen des Kapitals vernachlässigt wurden durch eine dem Weltkapitalismus nicht allzu freundliche Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die seit geraumer Zeit fehlende politische Wechselwirkung fordert ihren Tribut.

Es ist weiterhin an der Zeit, dass die Verantwortlichen den Bürgern die Illusion nehmen, dass ein Staat in der Lage wäre, sie vor Krisen und Verarmung zu schützen.

Das Kapital sucht sich immer den Ort der größten Gewinnmaximierung. Nicht weil es diese unbedingt braucht, sondern nur aus dem Bedürfnis heraus, noch mehr zu investieren, um noch mehr Gewinne zu erzielen. Ein Endlosglied, bei dem der Bürger keine Rolle mehr spielt.

Was setzen wir dagegen?

Der Sozialstaat ist eine westliche Errungenschaft resultierend aus dem notwendigen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Durst vieler nicht-europäischer Länder, es uns gleichzutun. Diese 25 Jahre haben uns unvorstellbaren Reichtum gebracht. Dieser verteilt sich nun mehr oder weniger gleichmäßig über den Erdball und nimmt uns einen größeren Teil unsers „Selbstverständlichen“ wieder ab.

22.9.2013 Johann Klos, Eupen

 

2 Antworten auf “Johann Klos: Der globale Konkurrenzkapitalismus”

  1. Réalité

    Herr Klos,
    viele realistiche und wahre Aussagen in Ihrem Kommentar anbei!Es wird ganz sicher grosse Veränderungen in Europa,den Grossen Industrienationen Weltweit in den nächsten Jahrzehnten geben(müssen)!Die Ausgabe-Verteilerpolitik der uns regierenden Politiker stösst an ihre Grenzen,gefolgt und logisch dann auch deren Steuersysteme!Es wird Einschnitte geben die Weh tun!Wenn aber im Gegenpart dazu die Ausgaben auch rationel und Gewissenhaft richtig und zum Nutzen der Bürger dosiert würden….das sollte mal angegangen werden!Die Zeiten des ewigen Wachsens werden eingeengt.Wachsen und Regieren auf Pump sowieso!Die Gelddruckmaschinen müssen drastich gedrosselt werden.Auskommen mit dem Einkommen.Wie in jedem gut geführten und rentabeln Betrieb sollte die Politik mal ansetzen und Kostenrechnung machen.Abstriche machen….Ja sicher!….aber dann bewusst,weitsichtig und richtiger Stelle,darauf kommt es an!Ein Neubeginn bzw. Umorientierung eines Betriebes beginnt ebenso.Ein neues Denken/Umdenken und handeln der Politik wird gefragt sein.Solide,Wahrheitsgetreu und nicht Parteigebunden!

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