Die frankophone Inlandspresse hat neben Fußball nur noch ein Thema: die Angst vor einem Hurrikan mit dem Namen N-VA. Selbst das hiesige Print Medium widmete dem Patriarchen dieser Partei mit immerhin um die 30 Prozent Anhänger bei unseren flämischen Landsleuten eine ganze Seite. Als Aufmacher immer der gleiche Slogan – für oder gegen Belgien.
Warum eigentlich übernehmen in dieser Debatte die Medien die Rolle des Disponenten der anderen Parteien? Warum wird nicht einmal wenigstens der Versuch unternommen, die tatsächlichen zu erwartenden Veränderungen im Falle eines 30+/Ergebnisses der N-VA zu durchleuchten?
Es reicht im Jahre 2014 nicht mehr, durch versuchte Panikmache Politik zu beeinflussen. Die europäischen Staaten, allen voran deren Politiker, sofern sie nicht beabsichtigen sich durch Importzölle Luft zu verschaffen – Thema Lebensstandardausgleichssteuer, was bestimmt – leider – nicht der Fall sein wird, glauben alle, dass die Wettbewerbsfähigkeit das Maß aller Dinge ist. Nur durch Wachstum können unsere derzeitigen und zukünftigen Probleme gelöst werden.
Nun, was bedeutet das für ein Land wie Belgien? Vereinfacht beschrieben: sich verabschieden von immer mehr staatlichen Hilfestellungen. Unser gesamtes soziales Modell steht da zur Disposition. Die „schröderischen“ Reformen werden auch bei uns voll durchschlagen müssen. Wenn Belgien es zusätzlich nicht schafft, im Hochtechnologiebereich nennenswerte Absatzmärkte aufzureißen, werden die Einschnitte bei uns noch wesentlich gravierender ausfallen müssen. Dies ist der Nährboden für eine eventuelle alternativlose Reformation unserer zukünftigen regierenden Koalitionen.
Der Rutsch nach rechts in Flandern durch die Bildung einer Koalition (N-VA – OpenVLD – CD&V) wäre die logische Konsequenz. Dass solche Gedankenspiele der SP.A natürlich nicht gefallen, bedarf keiner Kommentierung.
Eine weitere historische Dimension bekäme das Ganze auf föderaler Ebene, wenn die Liberalen in einer Koalition mit einer starken N-VA das Umsetzen ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitikphilosophie bewerkstelligen könnten. Das wäre dann ein Belgien ohne die Sozialisten. Ein Novum.
Für den Bürger würde diese neuen Konstellationen bedeuten, dass die EU-Vorgaben wesentlich kompromissloser durchgezogen würden. Für die Wirtschaft Grund zum Jubeln, für das Fußvolk ein Aufwachen in einer Welt des sozialen Abstiegs.
Belgien wird es überleben. Das Land der sozialen Vorsorge wird es dann wohl nicht mehr sein.
Es bleiben den Befürwortern einer sozialverträglicheren Politik noch neun Monate, um ihr wirtschaftliches und soziales Zukunftsmodell von Belgien den Bürgern schmackhaft zu machen. Wie sagt man: Zeit, um „Tacheles“ zu reden.
20.8.2013 Johann Klos, Eupen
Abgesehen von den Empfindlichkeiten, die ja auch Sie ganz gerne fördern, hält sich der Schaden in Grenzen.
Ein paar Sozialisten weniger stehen diesem Staat wohl zu Gesichte. Dann können sich die „Freidenker“ endlich austoben. Die Perspektive situiert sich dann irgendwo zwischen dem heutigen Popular-Ungarn und 1937,5.
In der Regel wird’s die Geschichte dann richten.
Sehr geehrter Punkt,
Würde das nicht unbedingt mit „ Empfindlichkeiten“ definieren. Es ist einfach schade, dass es in unserer DG nicht mindestens zwei Tageszeitungen gibt. Mich fehlt bei vielen Artikeln eine für den Leser anregende journalistische Hinterfragung der Ereignisse. Das Herunterschreiben von zugespielten Pressenachrichten reicht nicht um den hiesigen Bürgern ihre Politverdrossenheit zu nehmen und vor allem dem Land näher zu bringen. Bei einem vierzig Zeilen Leserbrief geht es nicht ohne Empfindlichkeiten, wenn etwas hängen bleiben soll. Ich versuche trotz allem die ethischen Kriterien nicht aus dem Auge zu verlieren. Vielleicht äußern Sie sich ja mal „ohne Punkt“ zu irgendeiner Thematik. Sie werden sehen man macht es nie allen recht. Nur muss das? Ich versuche Felder zu belegen, wo meinem Erachten nach „Andere“ die sich da „äußern“ müssten einfach kneifen und ich akzeptiere das Punkte, Kommas, Fragezeichen usw. nach -Troll-cher- Manier drauf hauen können. – A votre tour cher Monsieur.
PS.: Und versuche wenigstens auch in den Kommentaren Stellung zu beziehen.
Wer in Belgien 75.000 € Brutto verdient, zahlt > 50% seines Verdienstes an den sozialistischen Umverteilungsstaat! Dass die N-VA damit Schluss machen will, ist längst überfällig! Die nächste Generation Akademiker verlassen ohnehin dieses Steuersystem, dann fällt das sozialistische Kartenhaus sowieso zusammen…
Le fisc belge prendrait plus de 45 pc du salaire brut des pilotes, alors qu’en Irlande (patrie de Ryanair), en France (Air France) ou encore en Angleterre, la ponction est respectivement de 6-7 pc, 32 pc ou 18 pc.
Das Selbe Problem hat die Ostbelgische Wirtschaft, denn wer in B ein identisches Einkommen wie in D versteuern muss, hat schnell 500 € Netto/Monat weniger – von LX gar nicht erst zu reden. Das Belgische Modell ist tot!
Ja, „Schluss mit dem sozialistischen Umverteilungsstaat!“ Auch in Ostbelgien.
Na das wird jetzt aber lang.
Zwei Tageszeitungen in der deutschsprachigen Gemeinschaft. Dem 1927 gegründeten katholisch gesponsorten Gleichschaltungsorgan gelang nun einmal ein erfolgreicher Verdrängungsprozess. Wirtschaftlich immer wieder mit dem Rücken zur Wand, ist von Meinungsvielfalt immer weniger die Rede (gelegentliche Geistesblitze von TE zu meist belanglosen Themen ausgenommen). Markant bleibt die Staatstreue, erfreulich immerhin ein gewisser Geist der Offenheit und Toleranz.
Für die großen Themen der Welt gibt es inzwischen ausreichend Alternativangebote.
An den kleinen deutschsprachigen Dingen möchte die sich selbstversorgende Politikerkaste und ihre Beamtenanhängerschaft sowieso nichts ändern, mit Ausnahme einer Kompetenzentwicklungsdynamik. Mit Ausnahme von Ärzten (in der Regel politikneutral, abgesehen von einem Weltverbesserer) und Rechtsanwälten (überleben in jeder Ideologie) haben die deutschsprachigen Intellektuellen sich sowieso ins belgische, deutsche, luxemburgische Ausland verzogen.
Dem Rest geht’s wirtschaftlich doch gut (siehe anderen Artikel); die einen haben Banken und Investmentfonds um Mindestlöhne zu zahlen, die anderen eben wohlhabende Bundesbürger. Der belgische Sozialstaat wird hochgelobt.
Natürlich gibt es auch Wolken am Himmel: der fehlende Weihnachtsbaum auf der Brüsseler Grand-Place und burkatragende staatsbedienstete „Weiße“.
Das der drohende Sozialabbau etwas mit ungenügender Finanzierung zu tun haben könnte, wird uns auch die zweite und dritte Tageszeitung nicht vermitteln können.
Chancen der NVA.
Obwohl ich mir nicht wünsche in einem NVA-regierten Land zu leben, würde ich mich über einen fulminanten Wahlsieg dieser Partei freuen.
Dann würden nämlich alle innerbelgischen Fragen konsequent behandelt werden. Die Themenvielfalt, von institutionellen über finanziellen Fragen, ist ausreichend komplex, um unsere wallonischen und flämischen Mitbürger auf lange Zeit zu beschäftigen. Vorteil wäre, dass die NVA Antworten fordert und weiteren Verzögerungskompromissen ablehnend gegenüber steht.
In dieser Debatte sind deutschsprachige Belgier vollkommen überflüssig.
Dies eröffnet uns die Chance, dahin zu kommen, wo wir hingehören: zu Deutschland. Sprachlich, kulturell und verwaltungstechnisch ist alles in Butter. Der Preis: einige soziale Vorteile (aber geringere Steuern – für die, die welche Zahlen), das Gefühl wichtig zu sein.
Die Risiken:
– der Selbsterhaltungstrieb unserer Politikerkaste
– der Traum (eines subventionierten) Belgiens zu viert
– der Wahnsinn ins flämische Lager zu wechseln
– die Selbstüberschätzung mit beiden Lagern pokern zu wollen.
So jetzt bleibt noch das Thema EU.
Die EU entwickelt sich von einer Zweckgemeinschaft zu einer geopolitischen Notwendigkeit. Schwächen sind zur Zeit noch:
– eine verbesserungswürdige geographische Abdeckung (Nord und Südost, ggf. Ost),
– die Abkehr von einem Verbund von Nationalstaaten (in dem nationale Regierungen – vor allem einige Führungsländer – die Entscheidungen fällen bzw. blockieren) zu einer parlamentarisch legitimierten Regierungsform (d.h. ein vollbemächtigtes Europaparlament),
– eine klare Aufteilung (Belgien sollte da nicht Modell stehen) der EU- und der Gliedstaatenkompetenzen,
– die konsequente Einführung von Arbeitssprachen (m.E. z.Z. Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch), deren Erlernen flächendeckend gefördert wird, begleitet vom Abbau des Übersetzungswahnsinns.
Die Welt des sozialen Abstiegs ist sehr viel mehr eine Welt des sozialen Aufstiegs, nur dass heutzutage sehr viel mehr Menschen aufsteigen (Brasilien, Russland, Indien, China und nach eine Reihe anderer). Vielleicht ist uns aber die Zeit des eisernen Vorhangs, der Trabbiwitze (vor ’89), eines Ölpreises von USD 3 / barril, der Kolonialwarengeschäfte und – um unser soziales Gewissen zu beruhigen – der Suppensammlungen lieber. Die Welt hat sich verändert, Status Quo verdammt Europa (und seine noch vorhandenen Nationalstaaten) zur Bedeutungslosigkeit.
Die Gegenüberstellung des belgischen (oder jedwelches anderen) „sozialen“ Nationalstaates und der herzlosen, wirtschaftsorientierten EU ignoriert die globalen Entwicklungen.
Eine soziale Einstellung befürworte auch ich. Jede soziale Maßnahme muss jedoch auch finanzierbar sein. Die praktische Umsetzung der Utopie der Umverteilung bis hin zur Gleichversorgung der Einheitsklasse konnten die beobachten, die vor ’89 oder in den ersten Jahren danach mal auf der anderen Seite des Vorhangs waren.
Die Verwendung der Begriffe sozial und national in einem Satz weckt in mir jedoch die allergrößten Befürchtungen, um so mehr wenn von Verteidigungsrethorik begleitet.
Das Antworten auf ihre äußerst tiefsinnigen Anmerkungen sprengt derzeit meinen zeitlichen Rahmen.
Heißt aber nicht das ich Ihnen eine Antwort schuldig bleiben werde.
Eine kleine Operation hatte mich ein wenig eingeschränkt. Werde deshalb ebenfalls geduldig warten.
@ Der
& @ Johann Klos
Hallo!
„Der“,gute Mann,hat viele sehr gute Ideen Herr Klos!Bin sehr gespannt auf Ihre Reaktion darauf!
Ich,für meinen Part,hoffe auf eine einzige Europäische,E U weite Regierung,mit darunter,Verantwortlichen in den jetzigen Nationalstaaten,d.h. eine mehr als deutliche Abspeckung aller,aber auch aller „Zwischen-und Regionalregierungen“!Desto grösser der Apparat,desto mehr Entscheider,desto mehr Fussvolk und Beamte,desto mehr Kosten usw…!Alles wird heut zu Tage verschlankt,grosse u kleine Betriebe,damit schnellere u effizientere Wege,und vor allem Kostensparender!Nur die Politik wird immer zäher und fetter….und damit gefrässiger!Da sollte dringend der Bremshebel angesetzt werden!?Hoffentlich gelingts!?