Gesellschaft

„Jahrhundertflut“ an Donau und Elbe weckt Erinnerungen an „Kirmesflut“ 1953 in Eupen

Dieses beeindruckende Foto von Leo Kever zeigt einen Mann im Paddelboot in der überfluteten Bergstraße.

Die „Jahrhundertflut“, die in diesen Tagen riesige Gebiete u.a. entlang der Donau und der Elbe heimgesucht hat, weckt bei vielen älteren Eupenern Erinnerungen an die „Kirmesflut“ in der Oberstadt vor genau 60 Jahren. Der Lokalhistoriker Leo Kever verfügt über eine Reihe von beeindruckenden Fotos, auf denen festgehalten wurde, was sich im Juni 1953 in Eupen zugetragen hat.

27 Jahre war Leo Kever am 24. Juni 1953 alt, als nach stundenlangem Gewitterregen innerhalb kurzer Zeit die Flut über Eupen hereinbrach. Die Wassermassen wurden von Nispert und Kettenis-Buschberg angespült.

Die Klötzerbahn stand komplett unter Wasser.

Die Klötzerbahn stand komplett unter Wasser.

Sie ergossen sich in Windeseile über Werthplatz, Gospert und Klötzerbahn bis zur Bergstraße, wo das vielleicht beeindruckendste Bild in Leo Kevers Sammlung gemacht wurde. Es zeigt einen Mann in einem Paddelboot, der aber von der starken Strömung abgetrieben wurde.

Es war Oberstädter Kirmes. Sämtliche Buden und Fahrgestelle standen unter Wasser, ebenso das Zirkuszelt, dessen Betreiber alle Mühe hatten, die Tiere – u.a. das Junge eines Bären – vor den Fluten zu retten.

In jener Zeit war Hochwasser in Eupen keine Seltenheit, vor allem nach der Schneeschmelze. Doch die Flut von Juni 1953 sprengte jeden bis dahin gekannten Rahmen. „Das hatte Eupen noch niemals erlebt“, titelte das Grenz-Echo am darauf folgenden Tag.

Das Zirkuszelt: Mit Mühe konnten die Tiere gerettet werden.

Das Zirkuszelt: Mit Mühe konnten die Tiere gerettet werden.

„Am Fuhrpark waren die Wiesen alle überschwemmt, Pferde und Kühe standen bis zum Hals im Wasser“, erinnert sich Leo Kever: „Die gefährlichsten Fallen waren die offenen Kanaldeckel. Der Sog war so stark, niemand konnte ihm widerstehen. Das Postgässchen war lebensgefährlich, weil Fußgänger Gefahr liefen, von der Wucht der von Kettenis-Buschberg angespülten Wassermassen weggeschwemmt zu werden.“

Die Flut beschränkte sich allerdings nicht auf Eupen, sondern auch in der Umgebung wurden ganze Wiesen überschwemmt. Für viele Bauern, die sich gerade in der Heuernte befanden, eine Katastrophe. (cre)

Das Postgässchen: Die Wucht der Wassermassen war lebensgefährlich.

Das Postgässchen: Die Wucht der Wassermassen war lebensgefährlich.

 

12 Antworten auf “„Jahrhundertflut“ an Donau und Elbe weckt Erinnerungen an „Kirmesflut“ 1953 in Eupen”

    • Ostbelgien Direkt

      Hallo AltEupener, Leo Kever könnte den Mann im Paddelboot kennen. Sollte sich niemand hier bei OD melden und Ihre Frage beantworten können, werden wir spätestens am Freitag Leo Kever fragen, weil wir ihm noch die Fotos, die er OD freundlicherweise zum Veröffentlichen zur Verfügung gestellt hat, zurückgeben müssen. Gruß

  1. AltEupener

    Danke OD. Etwas höher die Bergstrasse hinauf gab’s ja kein Wasser mehr. Und dort muss ich wohl damals als kleiner Junge gestanden und mir diese Überschwemmungen angesehen haben. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern…

  2. Und warum gibt es solche Ueberschwemmungen heute nicht mehr in Eupen? Wegen der Talsperre? Es muss ja irgendeine Infrastruktur entstanden sein, die es damals noch nicht gab. Am mangelnden Regen kann es jedenfalls nicht liegen ;-)

    • Ketteniser

      Die Wesertalsperre wurde um 1950 bereits in Betrieb genommen. Ausserdem staut die Wesertalsperre – wie der Name schon sagt – die Weser.
      Eine Überschwemmung der Oberstadt kann damit also nicht zusammen hängen, da ja sonst erstmal die Unterstadt komplett ‚abgesoffen‘ wäre …
      Es wird wohl eher daran gelegen haben, dass irrsinnig viel Regen in kurzer Zeit gefallen ist, gekoppelt an eine nicht ausreichende Kanalisation.

      • AltEupener

        Auch meine ich mich daran zu erinnern, dass nach der Überschwemmung der gesamte „Stadtbach“, von Nispert bis in die Spitalswiesen Richtung Rotenberg in Betonwänden kanalisiert wurde…

      • Hallo, ich bin erst kürzlich zufällig auf diesen Link gestoßen. Zufällig habe ich gerade letzten Sommer an einem wissenschaftlichen Aufsatz zur Kirmesflut gearbeitet, ein lang geplantes Unterfangen von mir, da mich als ehemaliger Eupener dieses Unwetter schon seit jeher interessiert hat.

        Die Vermutung von „Ketteniser“ trifft es im Grunde ganz gut, denn an jenem 24.06.1953 wurde der neue, belgische Regenrekord aufgestellt, in rund 12 Stunden kamen 243 Liter pro Quadratmeter zusammen. Übersetzt heißt das: an einem Nachmittag/Abend kam soviel Regen runter, wie sonst im Eupener Land im Schnitt in zweieinhalb Monaten.
        Wir haben dazu im letzten Jahr eine Simulation mit hochauflösenden Wettermodellen durchgeführt, um herauszufinden, was damals genau passiert ist.
        Es waren zwei Gewitter, die sich damals nördlich des Hohen Venns bildeten und dann nur sehr langsam nach Westen zogen.

        Interessanterweise wurde auch der Raum Charleroi am selben Tag von Gewittern mit äußerst heftigen Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht, die ganze Wetterlage über Belgien war typisch für extreme Niederschläge aufgrund von sich kaum verlagernden Gewitterwolken, die viel mehr Wasser als üblich „in sich trugen“.

    • Ich würde sagen, wir hatten danach einfach Glück, denn ähnlich viel Regen in wenigen Stunden hat Eupen seitdem nicht mehr gesehen. Kleinere Überschwemmungen während und nach Gewittern hat es aber auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten ab und zu mal gegeben. Andere Orte in der Provinz Lüttich haben aber nach 1953 auch vergleichbare oder sogar schlimmere Überflutungen erlebt, so zB Verviers und Dison 1956.

      Auch wenn der Stadtbach heute durch breitere Rohre fließt, so bin ich mir ziemlich sicher, dass ein ähnliches Gewitter wie 1953 über Eupen wieder massive Überschwemmungen zur Folge hätte, zumal heute in den Einzugsgebieten der betroffenen Bäche mehr Fläche bebaut ist als damals. Damit kann weniger Wasser in den Wiesen versickern und fließt noch schneller in die Kanalisation.

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