Gesellschaft

Gestresste Familien auf engstem Raum: Große Sorge vor Zunahme von häuslicher Gewalt in der Coronakrise

Foto: Shutterstock

AKTUALISIERT – Um das Coronavirus auszubremsen, sollen die Menschen zu Hause bleiben. Für die einen ist das einfach nervig, für andere eine große Gefahr: Opfer von Gewalt und Missbrauch sind mit ihren Peinigern quasi eingesperrt. Experten und Politiker sind besorgt.

Schulen, Kitas und Spielplätze sind zu, Eltern und Kinder bleiben zu Hause, die Nerven lieben blank: In der Coronakrise wächst die Sorge vor häuslicher Gewalt und Missbrauch. Was zum Wohle der Bevölkerung und zur Eindämmung des Virus entschieden wurde, kann in einigen Fällen zur Zunahme von häuslicher Gewalt führen.

Die Opferschutz-Organisation Weißer Ring warnt, man müsse „mit dem Schlimmsten rechnen“. Es gebe schon Belege dafür, dass vor allem für Frauen und Kinder das Risiko in den eigenen vier Wänden steigt, wenn soziale Kontrolle wegfällt und Familien – oft auf engem Raum – auf sich gestellt sind.

Gestelltes Bild zum Thema häusliche Gewalt. Schatten sollen symbolisieren, wie ein Kind versucht, sich vor der Gewalt eines Erwachsenen zu schützen. Foto: picture alliance / Maurizio Gambarini/dpa

Beispiele dafür kann die Generalsekretärin des Europarats nennen, Marija Pejčinović Burić. Berichte aus Frankreich zeigten etwa, dass viele Frauen wegen der Beschränkungen keine Notrufstellen anrufen könnten, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Bei den Hilfe-Telefonnummern gingen gut viermal weniger Anrufe ein als normalerweise. Dafür hätten Sofortnachrichten im Internet an Hilfsorganisationen in ganz Europa zugenommen. Das könne bedeuten, dass Täter ihre Opfer davon abhalten, telefonisch Hilfe zu suchen.

In Dänemark habe man beobachtet, dass die Zahl der Frauen gestiegen sei, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchten, berichtete Pejčinović Burić weiter. Neben dem Gewaltrisiko könne die Krise Frauen auch wirtschaftlich treffen und ihre finanzielle Unabhängigkeit bedrohen.

Der Europarat wacht über die Menschenrechte in 47 Mitgliedstaaten – neben den EU-Ländern etwa auch die Schweiz, Russland, Türkei, Ukraine oder Aserbaidschan.

DG-Gesundheitsminister Antonios Antoniadis bei einer Sondersitzung mit den Leitern der Wohn- und Pflegezentren für Senioren, bei der neue Schutzmaßnahmen für die Bewohner vereinbart wurden. Foto: Kabinett Antoniadis

Nach Angaben von DG-Sozialminister Antonios Antoniadis (SP) müssen Betroffene in dieser Situation keineswegs zu Hause ausharren und die Gewalt über sich ergehen lassen. Hilfe bietet in Ostbelgien die Polizei (101), das Frauenfluchthaus (087/554 077) und die Telefonhilfe (108). Verschwiegenheit und Diskretion sind fester Bestandteil aller Angebote.

Auch in Deutschland sind Experten alarmiert. „Wir müssen leider mit dem Schlimmsten rechnen“, sagte Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender der Opferschutzorganisation Weißer Ring. „Die Coronakrise zwingt die Menschen, in der Familie zu bleiben, hinzu kommen Stressfaktoren wie finanzielle Sorgen und Zukunftsunsicherheit.“ Die Opferhelfer würden das Problem von Festtagen wie Weihnachten kennen, sagte Ziercke. „Wenn die Menschen tagelang zu Hause sind, gehen die Fallzahlen in die Höhe. Die Kontaktsperre wegen Corona dauert aber sehr viel länger als Weihnachten, die Stressfaktoren sind auch größer.“

Die Politik hat das Problem auf dem Schirm. Der Missbrauchsbeauftragte der deutschen Regierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sagte dem RBB-Inforadio: „Jeder, der sich im Kinderschutz engagiert und für das Kindeswohl kämpft, der ist im Moment in größter Sorge.“ Die Lage von Kindern, die sexueller Gewalt durch Väter, Brüder oder Mütter ausgesetzt seien, verschärfe sich „enorm“.

Ausgangsbeschränkungen gerade auch für Kinder gefährlich

Experten warnen, dass die Ausgangsbeschränkungen gerade auch für Kinder gefährlich werden können. Wo es Gewalt gebe, werde sie noch einmal schlimmer, erklärte die Leiterin des Lehrstuhls Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität des Saarlandes, Tanja Michael. Weil Kitas und Schulen dicht seien und Kontakte nur eingeschränkt erlaubt, seien Familien unter sich.

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„Die Täter haben jetzt viel mehr Zugriff auf die Kinder, und die Kinder haben weniger Möglichkeiten, nach außen Signale zu senden, dass etwas nicht stimmt“, sagte die Professorin. Hinzu komme, dass die Täter in der derzeitigen Situation vermutlich „noch schlechter gelaunt sind als normalerweise“. Aus Wuhan in China, wo das Coronavirus zuerst grassierte, gebe es Untersuchungen: Dortige Frauenorganisationen hätten in der Quarantäne-Zeit dreimal so viele Opfer von häuslicher Gewalt registriert.

Auch die Berliner Gewaltschutzambulanz, wo Opfer ihre Verletzungen vertraulich und kostenlos dokumentieren lassen können, befürchtet einen Anstieg von Kindesmisshandlungen. „Die soziale Kontrolle ist derzeit nicht da – der Bereich, in dem sonst häusliche Gewalt gegen Kinder auffällt, also in Schulen, Kitas oder bei Tagesmüttern, ist ja gerade weggefallen“, sagte die Vizechefin der Ambulanz, Saskia Etzold. Verletzungen würden weniger bemerkt. (dpa/cre)

30 Antworten auf “Gestresste Familien auf engstem Raum: Große Sorge vor Zunahme von häuslicher Gewalt in der Coronakrise”

  1. Sebastien Mertens

    Tja, das sind die „Kollateralschäden“ der derzeitigen Krise.
    Alle Welt schaut nur noch auf die Entwicklung bei Corona.
    Jedes Jahr sterben weitaus mehr Menschen durch Krebs als dies bei Covid-19 der Fall sein wird.
    Mit Krebs haben wir uns offenbar weitgehend abgefunden, mit Corona nicht.
    Wir wollen die Alten und Betagten schützen und riskieren mit unseren stumpfsinnigen Konzepten einen wirtschaftlichen Totalschaden und eine schwere gesellschaftliche Krise mit zerrütteten Ehen und einem Anstieg häuslicher Gewalt.

    • Deuxtrois

      Nein, die Menschheit hat sich NICHT mit Krebs „abgefunden“. So ein Blödsinn! Alleine der Vergleich schon. Krebs ist nicht ansteckend. Eine Alternative bringen Sie auch nicht. Der Schwachsinn in der Kommentarspalte grassiert hier wieder einmal.

  2. peter Müller

    Und was schlagen Sie denn vor Herr Mertens?. Alles seinen Weg laufen lassen. und sich die Menschheit der Selbstreinigung zu überlassen. Stirb oder friss. Ich glaube Sie sind Geschäftsmann, und weinen über Ihre Verlusste, die haben schon andere erlebt. Wenn einer sein Geschäft schliessen muss, stehen schon andere parat um eins zu eröffnen. Hat es früher schon gegeben, und wird es auch in der Zukunft geben.

    • Errate humanes Geäst

      Ist doch eigentlich ganz einfach, Herr Müllermeier^^
      Ausgangssperren und Kontaktverbote aufheben und die Risikogruppen mit Atemschutzmasken etc. ausstatten. Kreative Ideen sind jetzt gefordert und nicht so banale Beiträge wie der ihrige^^
      Bisher wissen wir nur aus China was die zunehmenden Isolation für verheerende Folgen für die psychosoziale Gesundheit hat, dort ist die häusliche Gewalt um 300% gestiegen ist. Und wie wir wissen, werden aus Opfern wiederum Täter.
      Unser gesellschaftliches Gefüge ist ohnehin schon stark angeschlagen und die Regierungen verschärfen diese Situation drastisch. Bilden wir Solidargemeinschaften und machen Druck auf eine Politik, die sich ohnehin nicht für uns interessiert, wie die Einsparungen im Gesundheitssystem und Soziales verdeutlichen.

      • Sebastien Mertens

        @peter Müller: Nein, ich bin kein Geschäftsmann, sondern Lehrer.
        Wie mein Vorredner aber völlig richtig erkannt hat, bleibt ein ökonomischer Schaden nicht allein ökonomisch.
        Wenn Menschen ihre Existenz verlieren, hat dies durchaus negative Auswirkungen auf die eigene Gesundheit.
        Irgendwann muss man eine Abwägung treffen zwischen dem positiven Nutzen einer Medizin und deren Nebenwirkungen. Wenn man zu lange ein Medikament verabreicht, besteht die Gefahr, dass die negativen Folgen vom Ausmaß her den Nutzen übersteigen.
        Diese Gefahr sehe ich, wenn die derzeitigen Maßnahmen über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten aufrecht erhalten werden.
        Was wir jetzt erleben, ist eine Chemotherapie, bei der der komplette Organismus leidet. Irgendwann werden wir zu gezielten Bestrahlungen übergehen müssen, damit nicht der gesamte Körper einen nicht wieder gut zu machenden Schaden davon trägt.

        • Danke Herr Mertens für ihre Stimme der Vernunft in Zeiten von “wir werden alle Sterben“ Panik. Ich stimme in Vielen mit ihnen überein was sie zum Thema schreiben. In meinem Dorf haben 2 junge Leute Mut bewiesen, sind zur Bank gegangen und haben 2 neue Unternehmungen auf die Beine gestellt. Durch die Ausgangssperre hat der Eine nur 2 Wochen öffnen dürfen und die Andere durfte noch keinen einzigen Kunden begrüßen. Ich hoffe die Beiden haben einen langen Atem, gesundheitlich und finanziel.

        • Gezielte Bestrahlung ????

          Ich kann nur hoffen, dass Sie als Lehrer eine solche Weltanschauung nicht an Ihre Schüler weitergeben. Wen wollen Sie denn mit Ihrer gezielten Bestrahlung ausser Gefecht setzen ?

          • Weil Sie nicht den Unterschied kennen zwischen einem Vergleich (gezielte Krebsbehandlung >< Krebsbehandlung mit befassten Nebenwirkungen gegen den kompletten Organismus ) und einer direkten Aussage (alte Menschen bestrahlen) unterstellen Sie Herrn Mertens eine kranke Weltanschauung.

            Irgendwann müssen wir zu einer Art Normalität zurückkehren wenn wir nicht den kompletten Kollaps des Systems wollen. Und Falls das Virus dann noch unter uns weilt (was es tun wird) dann müssen die am meisten gefährdeten Isoliert werden um ein funktionieren unserer Gesellschaft zu gewährleisten.
            Oder wie stellen Sie sich die Zukunft vor?

            • Gezielte Bestrahlung ????

              „Normalität“ ist ein gefährliches Wort. Hier hat ein einziges Sandkorn einen Jumbojet abstürzen lassen. Können wir in Zukunft das Sandkorn vermeiden oder sollten wir bessere Jumbojets bauen ?

              • karlh1berens

                Die Behauptung, ein Sandkorn habe den Jumbojet abstürzen lassen, kann nur von unserer Regierung in die Welt gesetzt worden sein. In Wahrheit war’s ein Teil von der Größe de Blocks !

  3. Ohne hier irgendetwas !!! klein reden zu wollen, – aber dieser „Artikel“ ist verharmlosend hinsichtlich der nicht gerade geringen Zahl von häuslicher Gewalt gegen Männer begangen von Frauen sowohl in Deutschland wie auch in Belgien.

    https://www.vrt.be/vrtnws/de/2010/09/06/jeder_zehnte_mannistgewaltopfer-1-858018/

    https://www.aerzteblatt.de/archiv/186686/Haeusliche-Gewalt-gegen-Maenner-Unbeachtet-und-tabuisiert

    https://www.springermedizin.de/gendermedizin/juristische-aspekte-und-forensische-psychiatrie/gewalt-gegen-maenner-wird-unterschaetzt/17278594

    Insofern ist das hier veröffentlichte Symbolphoto von Maurizio Gambarini gelinde gesagt ein Fauxpas und dieser Artikel ziemlich boulevardesk. ( https://educalingo.com/de/dic-de/boulevardesk )

    • Die meisten Kinder werden von Müttern erzogen.
      Oh ja, auch Mütter können so der so tätig werden; seelisch/körperlich.
      Auch Nonnen, nicht alle .
      Und die schweigende “ GESELLSCHAFT “ Politik…..

  4. Corona2019

    Zu Sebastien Mertens
    Sie Sind Lehrer und langweilen sich , und ihre Frau ist selbstständig ?
    Wie Dem auch sei, bin Ich sehr froh keine Schulpflichtigen Kinder mehr zu haben . Lehrer ?
    Im Ernst Jetzt?
    Was unterrichten Sie ?
    Sport ?

  5. Alfons van Compernolle

    Ich denke , auch in solchen Zeiten, wie die heutigen , sollten alle Lebens.- / Ehepartner/innen & Eltern
    die Charaktersterke besitzen keinerlei Gewalt gegen den Partner/in oder Kinder einzusetzen.
    Verbale Meinungsunterschiede, auch mal etwas „lauter“ sollen vorkommen , koennen vor kommen, aber somatische Gewalt halte ich fuer einen Charakterfehler !

  6. Diese Jammerei, Getue und heraufbeschwören allem Schlechtem ist doch nicht zum aushalten, was wenn denn wirklich mal schwierige Zeiten auf die europäischen Bürger zukommen, Krieg z.B., ohne das die Staaten alle durchfüttern, gibt es dann nur noch Mord und Totschlag innerhalb der Familien?
    In einer gesunden (nichts mit oder ohne Corona zu tun) Familie treten treten diese Probleme gar nicht erst auf. Es gibt mit oder ohne Corona Meinungsverschiedenheiten zwischen alt und jung, das wird mehr oder weniger stark diskutiert und dann ist’s wieder gut…. so funktioniert es bei uns und das nicht erst seit Corona und dies trotz mehrerer Generationen teils unter einem Dach….

  7. Ekel Alfred

    @ Jo wa!, das ist schon schwierig….unter einem Dach zu leben….denken Sie mal an die unterschiedlichen politischen Einstellungen der jeweils Zusammenlebenden….das kann mitunter böse enden….

    • Allfons van Compernolle

      E.-Alfred : ich denke, dass mit den moeglichen Probleme unter einem Dach bzw. moeglichen unterschiedlichen Ansichten etc. hat sehrviel mit der Wertschaetzung seines Partner/in zu tun.
      Es ist auch eine Charakterfrage , ich wuerde niemals auf die Idee kommen meiner Frau Gewalt an zu tun, obwohl wir in vielen Dingen sehr unterschiedlicher Meinung sind. Die Unterschiedlichkeiten des / der Partner/in geben keine Berechtigung um Charakterlos zu reagieren.

      • Ekel Alfred

        @ AvC, haben Sie keine Schwiegersöhne?….auch noch mitunter aus dem nahen Ausland….und wenn man dann auch noch N-VA oder AFD Sympathisant ist….und die Gegenseite sich doch anders orientiert!!!….meine Frau sagt immer….wenn Du mit denen unter einem Dach leben müsstest….dann gäbe es Mord und Totschlag….

        • Alfons van Compernolle

          Oh, doch ich habe 3 Schwiegersoehne & 1 Schwiegertochter & 8 Enkel.
          Nein, derartiges an gewalttaetigen Reaktionsmustern haben wir zum Glueck in unserer Familie nicht !! Und NEIN, auch keine AFD.-Sympahtisanten, zum Glueck !
          Es geht von FDP bis CDU & SPD , wobei die Diskussionen nicht immer ganz ruhig verlaufen, sondern hin und wieder Lebhaft , aber keinerlei Gewalt auch verbale nicht, was ich als Gluecksfall ansehe ! Ich gebe aber zu, dass wenn ich mit AFD oder VB Typen unter einem Dach leben muesste, ob ich da immer ruhig bliebe, ich habe Zweifel !
          Ich gestehe ein , dass ich mich auch schon hin und wieder in Sachen NVA/VB/AFD zu
          unmoeglichen verbal meine Pestwuensche angebracht habe !

  8. peter Müller

    Häusliche Gewalt gibt es nicht mehr und nicht weniger. Die, die sich das antun, machen das auch, wenn es kein Virus gibt. Das Problem ist, Leute wollen oder können sich nicht trennen, egal aus welchen Gründen. Da kommt der Lebensstandard ins spiel, keiner möchte Einbussen in Kauf nehmen.

  9. Akneverkäufer

    Ist doch klar dass die häusliche Gewalt zunimmt. Jetzt wo alle so viel Zeit haben, merken viele sonst berufstätigen Männer mal, mit welchen unzufriedenen instagramm-postenden Wachteln sie verheiratet sind. Dass da mal ne Sicherung durchbrennt ist, doch auch irgendwie normal….

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