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Frankreich erprobt neue Form von Demokratie: Macron startete „nationale Debatte“

15.01.2019, Frankreich, Grand Bourgtheroulde: Emmanuel Macron (M), Präsident von Frankreich, hält eine Rede vor Bürgermeistern aus der Region Normandie. Foto: Philippe Wojazer/Reuters Pool/AP/dpa

AKTUALISIERT – Eine Turnhalle voll mit Hunderten Bürgermeistern irgendwo in der Provinz und mittendrin der französische Präsident: Mit dieser ungewöhnlichen Veranstaltung gibt Emmanuel Macron den Startschuss für seine „nationale Debatte“ – und zeigt sich demütig.

Beim Start seiner großen Bürgerdebatte hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Krise der Mittelschicht eingeräumt. Es handele sich um einen „sozialen Bruch“, sagte Macron vor rund 600 Bürgermeistern in der Gemeinde Grand Bourgtheroulde in der Normandie am Dienstag. Der 41-Jährige reagiert mit dem landesweiten Dialog, der bis zu Mitte März laufen soll, auf Massenproteste der „Gelbwesten“-Bewegung.

Den Begriff „sozialer Bruch“ hatte bereits der frühere Staatschef Jacques Chirac in den 1990er-Jahren geprägt. Besonders die Mittelschicht würde die Rechnung für die Krisen der vergangenen Jahre zahlen, sagte Macron.

15.01.2019, Frankreich, Grand Bourgtheroulde: Polizisten entfernen einen Demonstranten am Rande einer Veranstaltung des französischen Präsidenten Macron. Foto: Francois Mori/AP/dpa

Bei der Debatte können Bürger Vorschläge zu den Themen Steuern, ökologischer Übergang, Demokratie und Migration sowie Staatsorganisation machen.

Die Debatte soll unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister stehen. Daraus sollen dann konkrete Entscheidungen folgen. Macron hatte in einem Brief an die Franzosen knapp drei Dutzend Einzelfragen aufgelistet. „Es gibt keine Tabus“, erklärte er nun bei der Auftaktveranstaltung der Debatte. Zuvor hatten ihm Linke vorgeworfen, bestimmte Themen auszuklammern.

Im Streit um die Vermögensteuer signalisierte Macron Gesprächsbereitschaft. Die Frage sei für ihn „weder ein Tabu noch ein Totem“, sagte der sozialliberale Staatschef. Die Steuer war mit dem Budgetgesetz 2018 weitgehend abgeschafft worden – diese Reform hatte Macron den Ruf im Land eingebracht, ein „Präsident der Reichen“ zu sein. Eine Wiedereinführung hatte er mehrfach ausgeschlossen.

Macron wurde von den Bürgermeistern in einer Turnhalle in Grand Bourgtheroulde empfangen. Der Bürgermeister der Gemeinde, Vincent Martin, hieß den Präsidenten willkommen. Er überreichte Macron ein Notizbuch mit Beschwerden seiner Einwohner. Anschließend konnten die Bürgermeister dem Präsidenten Fragen stellen und ihre Sorgen vortragen.

12.01.2019, Frankreich, Paris: Teilnehmer einer Demonstration der „Gelbwesten“ gehen mit einer französischen Nationalflagge am Arc de Triomphe entlang. Foto: Sadak Souicile Pictorium/Sadak Souicile Pictorium via Zuma/dpa

Vor der Turnhalle demonstrierten einige „Gelbweste“», wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Ein großes Sicherheitsaufgebot war vor Ort. Am Vormittag hatte Macron überraschend die Gemeinde Gasny besucht, rund 80 Kilometer von Grand Bourgtheroulde entfernt. Dort traf er sich mit dem Stadtrat.

Die von den „Gelbwesten“-Protesten ausgelöste Krise in Frankreich ist die bislang größte Herausforderung für den jungen Staatschef, dessen Beliebtheitswerte im Keller landeten. Die „Gelbwesten“ wenden sich gegen die Reformpolitik der Mitte-Regierung, einige fordern auch den Rücktritt Macrons. Immer wieder kam es in den vergangenen zwei Monaten zu Ausschreitungen. Einer aktuellen Befragung des Senders BFMTV zufolge wollen sich 40 Prozent der Franzosen an der „nationalen Debatte“ beteiligen. (dpa)

10 Antworten auf “Frankreich erprobt neue Form von Demokratie: Macron startete „nationale Debatte“”

  1. Vorbild sollten die Skandinavischen Länder sein. 80% Steuern, Förderung der Bildung, gute Renten, Top Gesundheitsversorgung und ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Die glücklichsten Menschen kommen aus Skandinavien!
    Aber bei uns hört der Spaß beim Geld auf. Jeder ist sich selbst der Nächste! Die Dummen werden oder lassen sich gegenseitig ausspielen und die Bonzen lachen.

  2. @hans sie haben recht,die Summe der Abgaben liegt bei 80% , Steuern 60% .

    Also an der Höhe der Steuern liegt es nicht, sondern an deren Verteilung. Hohe Besteuerung und gerechte und gut geplante Ausgabe dieser ist vollkommen in Ordnung.
    Aber wie beschrieben, sich jeder ist selbst der Nächste. Solange das so bleibt, lacht man sich in den Chefetagen schlapp über die Deppen da unten. Ansonsten wird halt weiter fleißig über die Trennung von Helene Fischer diskutiert. System funktioniert!

    • … „nur in größer“. Das würde ja nur die Wirtschaft puschen.
      Nein, die „Leute“ sind die Selbstbedienung da oben leid. Und diese unsägliche Bereicherung floriert nur dank des unseeligen Lobyismus. Der gehört unter Strafe und somit abgeschafft. Sofort!

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