Politik

François Perin war der Bart De Wever der Wallonie – 92-jährig gestorben

François Perin im Jahre 2007. Foto: Belga

Der frühere Minister François Perin ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Perin war in den 60er und 70er Jahren das Aushängeschild des Rassemblement Wallon (RW). Er spielte eine führende Rolle bei den ersten Staatsreformen. Man könnte sagen, dass Perin seinerzeit für die Wallonie das war, was Bart De Wever heute für Flandern ist: Kämpfer für eine größtmögliche Selbstbestimmung. Belgien nannte er „un état médiocre“, einen mittelmäßigen Staat.

François Perin war viele Jahre Professor für Verfassungsrecht an der Universität Lüttich. Seine politische Karriere führte von der Sozialistischen Partei über das Rassemblement Wallon bis zu den Liberalen. Am Ende plädierte er offen für einen Anschluss der Wallonie an Frankreich.

François Perin (links) und Buchautor Jules Gheude bei der Vorstellung des Buchs "L´incurable mal belge" 2007 in Lüttich. Foto: GC

François Perin (links) und Buchautor Jules Gheude bei der Vorstellung des Buchs „L´incurable mal belge“ 2007 in Lüttich. Foto: GC

Unter der Führung von François Perin wurde das Rassemblement Wallon 1971 zweitstärkste Kraft in der Wallonie. 1974 stieg Perin sogar mit dem RW in die Regierung von Leo Tindemans (CVP) auf und wurde Minister für institutionelle Reformen. In dieser Zeit bereitete er die „vorläufige Regionalisierung“ Belgiens vor, die mit der Schaffung der Regionen (Verfassungsartikel 107quater) bei der zweiten Staatsreform von 1980 vollendet wurde.

„François Perin war es zu verdanken, dass die Wallonische Region erstmals in der belgischen Verfassung verankert wurde“, würdigte der heutige wallonische Ministerpräsident Rudy Demotte (PS) die Verdienste von François Perin.

Nicht mehr an die Zukunft Belgien geglaubt

Doch die Regierungsbeteiligung des RW Mitte der 70er Jahre wurde von der Parteibasis nicht gut aufgenommen, und die Alleingänge Perins, der den Parteivorsitz für die Dauer seines Ministeramtes abgegeben hatte, sorgten für interne Spannungen. Später trat der redegewandte Jurist zusammen mit seinem „Ziehsohn“ Jean Gol den Liberalen bei. So wurde die damalige PLP (Parti pour la Liberté et le Progrès) in PRLW (Parti pour les Réformes et la Liberté en Wallonie) umgetauft.

Im Gegensatz zu Gol, der ab 1979 die Parteiführung übernahm und sie unter dem neuen Namen Parti Réformateur Liberal (PRL) mit den Brüsseler Liberalen vereinte, fühlte sich Perin nie wirklich wohl in der Partei. Am 26. März 1980, mitten in einer Diskussion rund um die Regionalisierung, gab er an, nicht mehr an die Zukunft Belgiens zu glauben, und kündigte seinen Rücktritt aus dem aktiven politischen Leben an. Die PRL verließ er offiziell fünf Jahre später.

Eines der Bücher von François Perin: "Geschichte einer (unauffindbaren) Nation".

Eines der Bücher von François Perin: „Geschichte einer (unauffindbaren) Nation“.

Nach seinem Ausstieg aus der PRL und seinem Emeritat an der Universität Lüttich im Jahr 1986 wurde es allmählich ruhiger um François Perin. Ganz zog er sich jedoch nicht aus der Politik zurück, da er weiterhin Monografien und Artikel in der Tagespresse veröffentlichte, in denen er seine Sicht zum in seinen Augen unmittelbaren Ende Belgiens und der Zukunft der Wallonie als Teil Frankreichs auslegte oder die politische Aktualität kommentierte.

1986 unterstützte Perin die von José Happart (PS) gegründete Bewegung „Wallonie Région d’Europe“, obwohl ein Europa der Regionen nicht seiner Vision entsprach. Im gleichen Jahr war er Mitautor eines Memorandums, das als Basis für die von Maurice Lebeau gegründete Partei Mouvement Wallon pour le Retour à la France (Wallonische Bewegung für die Rückkehr nach Frankreich) diente.

Ehrentitel „Staatsminister“ immer abgelehnt

2002 kündigte Perin an, dass er der Partei Rassemblement Wallonie-France (RWF) unter dem Vorsitz von Paul-Henry Gendebien, der im Jahr 1976, als Perin das RW verließ, Vorsitzender dieser Partei war, sein Vertrauen schenken würde. So kandidierte er zuletzt für diese Liste bei den Provinzialwahlen des Jahres 2006, gab aber von vornherein zu verstehen, dass er kein politisches Mandat mehr annehmen würde.

Perin versuchte sich ebenfalls als Theaterautor. Sein Stück „Les invités du docteur von Klaust“ wurde am 6. November 1998 im Theater Arlequin in Lüttich uraufgeführt.

François Perin wurde vom Institut Jules Destrée zu einer der 100 wichtigsten wallonischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gewählt. Den ihm angebotenen Ehrentitel „Staatsminister“ hat er, da er nicht mehr an Belgien glaubte, stets abgelehnt. (cre/wikipedia)

 

10 Antworten auf “François Perin war der Bart De Wever der Wallonie – 92-jährig gestorben”

  1. Kommentator

    Eine große Persönlichkeit. Damals gab es in der Politik noch Idealisten. Perin hat früh erkannt, dass aus dem Gebilde Belgien kein vernünftiger Staat werden kann. Insofern ist der Vergleich mit De Wever nicht falsch.

    • Alt-Belgier

      Bedanken Sie sich bei unserem einzigen Printmedium. Das Grenz-Echo hat es glänzend verstanden politische Inlandsmeldungen der Nachkriegszeit immer unter ferner liefen und ohne große Aufhänger zu melden.

      Wie haben Sie übrigens den Bemerkenswerten Artikel des Besuches unseres Königspaares in Antwerpen von dieser Woche gefunden. War die Analyse der Redaktion in Bezug auf die Haltung von Herrn Bart de Wever gegenüber dem Königspaar in ihrem Sinne.

      Genau … so viel zu unserer Tageszeitung. Ein Blatt das seinen gesellschaftlichen Auftrag bis heute nicht nachkommt aber nach Staatsgeldern schreit.

      Wenn der Durchschnittsostbelgier hier Mankos hat, dann hat das eine ganze Menge mit unserem auf uns bezogen zu tuen.

      Hauptsache der Schützenkönig von jedem Kaff bekommt eine extra Seite.

    • Eastwind

      Hallo Eupener, als Perin auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere war, waren viele von denen, die hier normalerweise kommentieren, noch gar nicht geboren. Außerdem ist Wochenende.

  2. gerhards

    Jede Meldung über unsere Schützenvereine ist mehr beachtenswert als das was wir von der Wallonie zu erwarten haben.
    2014 wird uns Bart den Weg weisen und Eupen steht wieder bei Lokales in den Aachener Nachrichten, was es eigentlich ja jetzt schon tut /Ironie Ende/.

  3. albert gehlen

    Vor 40 Jahren, als unsere Autonomie in Belgien seinen Anfang nahm, stand Francois Perin uns jungen Politikern zur Seite, vor allem als es galt einen direkt gewählten Rat oder nur einen „ernannten Rat“ zu bekommen. Es gab damals zwei
    Thesen, die sich gegenüber standen: die einen sagten, Direktwahlen laut Verfassung sind nur möglich für das Parlament, die Provinz und die Gemeinde.
    Perin dagegen als Verfassungsrechtler
    sagten uns, die belgische Verfassung erlaubt alles was nicht ausdrücklich verboten ist. Nirgendwo steht geschrieben , dass der Rat der deutschen Kulturgemeinschaft nicht direkt gewählt werden kann. Herr Perin, Sie haben uns gelehrt, die Verfassung richtig zu lesen und anzuwenden ! So behalte ich Sie in guter Erinnerung.

  4. @albert gehlen

    Sehr interessant. So sehr ich Perin schätzte, seine Haltung zu den Deutschsprachigen war mir nicht bekannt.

    Aber als ehemaliger Deutschlehrer:
    „als unsere Autonomie in Belgien seinen Anfang nahm“

    Nichts für ungut und Ihnen noch einen schönen Sonntag. :)

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