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Ampelfrau ersetzt Ampelmann in Vilnius (Litauen): Anlass sind 100 Jahre Frauenwahlrecht

30.10.2018, Litauen, Vilnius: Eine grüne Ampelfrau ist an einer Ampel in Vilnius zu sehen. Anlässlich des 100. Jahrestags der Einführung des Frauenwahlrechts in Litauen leuchten in der Hauptstadt Vilnius an einigen Ampeln seit Freitag statt eines Ampelmanns nun eine Ampelfrau. Foto: Saulius Ziura/Stadtverwaltung Vilnius/dpa

Grünes Licht für die Gleichstellung: Anlässlich des 100. Jahrestags der Einführung des Frauen-Wahlrechts in Litauen leuchtet in der Hauptstadt Vilnius an einigen Ampeln statt eines Ampelmanns nun eine Ampelfrau.

Mit der Umstellung der Verkehrssignalgeber an einer belebten Straße in der Innenstadt soll nach Angaben der Stadtverwaltung daran erinnert werden, wie weit die Rechte der Frauen in den vergangenen 100 Jahren fortgeschritten sind.

In Litauen wurde am 2. November 1918 das gleichberechtigte Stimmrecht von Frauen und Männern in den Grundsätzen der vorläufigen Verfassung festgelegt. Ein Jahr später beschloss das Parlament ein Gesetz, das Frauen das aktive und passive Wahlrecht einräumte.

30.10.2018, Litauen, Vilnius: Ein Schild weist an einer Ampel darauf hin, dass sich das Ampelsymbol geändert hat. Anlässlich des 100. Jahrestags der Einführung des Frauenwahlrechts in Litauen leuchten in der Hauptstadt Vilnius an einigen Ampeln seit Freitag statt eines Ampelmanns nun eine Ampelfrau. Foto: Saulius Ziura/Stadtverwaltung Vilnius/dpa

„Mit dieser demokratischen Errungenschaft gehörte unser Land zur ersten Reihe moderner Staaten. Lasst uns den erzielten Triumph schützen und verteidigen“, erklärte Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite.

Trotz 100 Jahren Frauenwahlrecht und einem weiblichen Staatsoberhaupt besteht in dem baltischen EU- und Nato-Land weiterhin eine Kluft zwischen den Geschlechtern: Nach Angaben der Stadtverwaltung Vilnius verdienen Frauen verdienen in Litauen 14 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, und nur 17 Prozent der Frauen sind in leitenden Positionen tätig – auch daran sollen die Ampelfrauen erinnern.

Im mittleren Europa haben fast alle Länder nach dem Ersten Weltkrieg das Frauenwahlrecht eingeführt. In den meisten dieser Staaten vollzog sich um 1918 ein vollständiger Umbruch, der entweder im Zuge einer Revolution oder einer neuen Staatsgründung die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für beide Geschlechter umfasste.

In Belgien Frauenwahlrecht erst seit 1948

Die meisten südlichen und südöstlichen Länder erlangten nach dem Zweiten Weltkrieg bzw. in der Nachkriegszeit das Frauenstimmrecht, wobei auch Belgien und Frankreich in diese Zeitschiene fallen. In den romanischen Ländern, in denen der Code civil bzw. ein patriarchales, nicht entkonfessionalisiertes Rechtssystem galt, war die Unmündigkeit der Frauen stärker in der Gesellschaft verankert.

19.01.1919: Frauen stehen in einer Schlange vor einem Wahllokal in Deutschland. Foto: -/AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung/dpa

Feudal-agrarische Strukturen und der dominante Einfluss der Kirche prägten noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Geschlechterordnung. In vielen südlichen Ländern wurde der Wert der Frauenaktivitäten erst im Widerstand gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg anerkannt, worauf sie als „Belohnung“ bzw. Gegenleistung das Wahlrecht bekamen.

In der Schweiz und in Liechtenstein hing die Einführung des Frauenwahlrechts von einer männlichen Volksabstimmung ab, was den Kampf der Frauen sehr erschwerte. Denn gegen einen Beschluss der Regierung ließ sich leichter protestieren als gegen ein „Volksnein“.

Portugal und Spanien waren durch eine lange Diktatur eines autoritären Regimes geprägt, das in Portugal ein allgemeines Frauenstimmrecht verhinderte und in Spanien die früheren frauenpolitischen Errungenschaften rückgängig machte. So dauerte es in beiden Ländern bis zum Ende der Diktatur Mitte der 1970er Jahre, bis die Frauen in den Besitz ihrer Bürgerrechte kamen. Auch in anderen Staaten verhinderten autoritäre bzw. faschistische Regime wie in Italien (bis 1946) und Bulgarien die Durchsetzung des allgemeinen Frauenwahlrechts. (dpa/cre)

Chronologie der Einführung des Frauenwahlrechts in Europa:

1906: Finnland
1913: Norwegen
1915: Dänemark
1915: Island
1917: Estland
1918: Lettland
1918: Deutschland
1918: Österreich
1918: Polen
1918: Luxemburg
1919: Niederlande
1921: Schweden
1928: Vereinigtes Königreich
1931: Spanien
1934: Türkei
1944: Frankreich
1945: Ungarn
1945: Slowenien
1945: Bulgarien
1946: Italien
1946: Portugal
1948: Belgien
1952: Griechenland
1971: Schweiz
1984: Liechtenstein

5 Antworten auf “Ampelfrau ersetzt Ampelmann in Vilnius (Litauen): Anlass sind 100 Jahre Frauenwahlrecht”

    • Relativ einfach: kreisrund. In der Übergangsphase etwas kleiner als das bis dahin abgeschaffte für Autos.
      Alternative Leuchtverkehrszeichen für alternative Verkehrsmittel werden dann den Lichtergarten bereichern. Mit etwas Glück bleibt da die Genderdebatte erspart.
      Vielleicht gibt es auch gar keine mehr, da dies mit vernetzter Fortbewegung automatisch erledigt wird.

      Obwohl ich kein Zukunftspessimist bin, bezweifle ich ob der lange Rückweg lohnt.

  1. Walter Keutgen

    Schon vor einem halben Jahrhundert haben Frauen bei uns das Recht erobert, Hosen zu tragen. In einer französischen Akademie wurden 2012 (Quelle: Europe 1) alle Jungen aufgefordert, freitags in Röcken zur Schule zu kommen. Ein Glück, dass das Ampelröckchen kurz ist, dann sieht man die gehenden Beine.

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