Gesellschaft

Als die Ausländer in Belgien mehr als nur willkommen waren

Marokkanische Gastarbeiter. Foto: dpa

Die Einwanderungspolitik stellt heute ein großes Problem dar. In Belgien und in anderen EU-Ländern werden die Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung gegenüber Ausländern immer stärker. Das war nicht immer so: In den 50er und 60er Jahren warb Belgien händeringend um ausländische Arbeiter. Mit Italien wurde sogar ein Abkommen abgeschlossen, welches heute wahrscheinlich als „Menschenhandel“ geächtet würde. Belgien zahlte Geld für den Import von Gastarbeitern aus Italien.

„Daran sieht man, dass die Einwanderung sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, je nachdem wie die allgemeine wirtschaftliche Lage ist“, betonte der Direktor des Arbeitsamtes der DG, Robert Nelles, bei einem Vortrag am Mittwoch in Eupen. Die Legitimität des Aufenthalts von Ausländern in Belgien sei meistens verknüpft mit dem Beschäftigungsverhältnis. „In der Krise der Kohle- und Stahlindustrie sowie in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie etwa 1974, wurde diese Legitimität infrage gestellt.“

Faltblätter in Marokko verteilt

Bis 1974 gab es Zeiten, da war der Ausländer als Arbeitskraft in Belgien nicht nur willkommen, sondern es wurde um ihn geradezu gebuhlt.

Robert Nelles, Direktor des Arbeitsamtes der DG,  bei seinem Vortrag am Mittwoch im Haus der PFF in Eupen. Foto: OD

Robert Nelles, Direktor des Arbeitsamtes der DG, bei seinem Vortrag am Mittwoch im Haus der PFF in Eupen. Foto: OD

Nelles nannte in seinem Vortrag ein krasses Beispiel aus dem Jahre 1965, wo der belgische Staat in Marokko Faltblätter verteilen ließ, auf denen u.a. geschrieben stand: „Arbeiter, seien Sie willkommen in Belgien! (…) Wir, Belgier, wären glücklich, wenn Sie Ihre ganze Kraft und Intelligenz unserem Land zur Verfügung stellen würden (…) Arbeiter aus dem Mittelmeerraum sind bei uns in Belgien willkommen.“ (Faltblatt siehe am Ende dieses Berichts).

Es gab sogar zwischenstaatliche Abkommen mit anderen Ländern, die darauf abzielten, möglichst viele Arbeitskräfte nach Belgien zu holen. Im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs durch Kohle und Stahl unterzeichnete Belgien mit Italien ein Abkommen. Für Menschen versprach Belgien Kohle, genauer: 50.000 Minenarbeiter gegen 200 Kg Kohle pro Minenarbeiter pro Tag.

Nach dem schweren Grubenunglück 1956 in dem Bergwerk „Bois du Cazier“ bei Marcinelle, bei dem 262 Menschen den Tod fanden, hob Italien diese Form der Zusammenarbeit auf. Belgien richtete daraufhin seinen Blick auf andere Länder. Es schloss neue Abkommen mit Spanien (1956), Griechenland (1957), Marokko und Türkei (1964), Tunesien (1969) sowie Algerien und Jugoslawien (1970).

Künftig mehr Berufsaussteiger als Berufseinsteiger

Mit dem Grubenunglück in der Zeche Bois du Cazier bei Marcinelle 1956 hörte der Deal mit Italien auf. Foto: dpa

Mit dem Grubenunglück in der Zeche Bois du Cazier bei Marcinelle 1956 hörte der Deal mit Italien auf. Foto: dpa

Um zu vermeiden, dass die Gastarbeiter frühzeitig wieder abwanderten, wie zum Beispiel nach Deutschland ins Ruhrgebiet oder nach Nordfrankreich, wurde parallel eine aktive Zusammenführungspolitik mit finanziellen Anreizen für die Gastarbeiter betrieben. So übernahm der belgische Staat bei der Einreise der Ehefrau und von drei minderjährigen Kindern die Hälfte der Fahrtkosten.

Die Einwanderungspolitik änderte sich 1974 infolge der Ölkrise. Ab dann wurden die Einwanderungsbestimmungen zumindest in der Theorie verschärft.

Indes ist Nelles überzeugt, dass aufgrund des sogenannten „demografischen Wandels“ in Zukunft wieder Zeiten anbrechen könnten, in denen in Belgien und anderen westeuropäischen Ländern ausländische Arbeitskräfte wieder gefragt sein werden, denn auf Dauer könnten die nachrückenden Generationen die ausscheidenden Generationen nicht mehr ersetzen, weil es immer mehr Berufsaussteiger und immer weniger Berufseinsteiger gebe, auch in der DG. (cre)

HINWEIS: Auf andere Aspekte des Vortrags von Robert Nelles zum Thema „Ausländer/Migranten auf dem Arbeitsmarkt der DG“ wird „Ostbelgien Direkt“ zur gegebenen Zeit noch näher eingehen.

Mit diesem Faltblatt warb Belgien 1965 in Marokko um Gastarbeiter (zum Vergrößern Bild anklicken).

Mit diesem Faltblatt warb Belgien 1965 in Marokko um Gastarbeiter (zum Vergrößern Bild anklicken).

28 Antworten auf “Als die Ausländer in Belgien mehr als nur willkommen waren”

  1. Solange der Ausländer als billige Arbeitskraft galt und darüber hinaus bereit war, die Drecksarbeit zu machen, die der Belgier nicht mehr machen wollte, war er willkommen. Danach war er es nicht mehr. Sollte es in Zukunft wieder Drecksarbeiten heben, die der Belgier nicht mehr machen möchte, dann ist auch wieder der Ausländer willkommen.

  2. Erstens einmal gibt es kein Ausländerproblem, sondern ein Problem mit der Islamisierung. Es wird gerne von Journalisten ein Ausländerproblem herbeiphantasiert, um einerseits vom Islamproblem abzulenken und andererseits Islamkritiker in die Ecke von Ausländerfeinden zu rücken. Allein die Masche zieht nicht mehr, mittlerweile stehen Journalisten im Ansehen sogar unter Politikern.

    Zum Text: Nach dem Krieg florierte die Stahlindustrie noch einmal richtig, die Kohlewerke waren aber bereits in einem unaufhaltsamen Niedergang. Dort wollte kein Belgier mehr arbeiteten, weil es überall bessere und besser bezahlte Arbeit gab, und vor allem weil die Anlagen gruseliger Schrott waren. Man ließ eine Weile Italiener ran, weil die Arbeitslosigkeit in der Zeit in Italien erdrückend war und Italien Kohle brauchte. Gleichzeitig ging es darum, dass Natoland Italien, das von allen Mitgliedsländern den höchsten Anteil kommunistischer Wähler hatte, zu stabilisieren.

    Zum demographischen Wandel: Kokolores, es reicht den aufgeblasenen öffentlichen Dienst einzustampfen, schon sinken die Belastungen, und gleichzeitig steigt das Angebot an Arbeitskräften.

    Es gibt also keine objektive Notwendigkeit für Einwanderung, was aber nicht bedeutet, dass es keine Einwanderung geben sollte. Es kann von mir aus gerne weiterhin Einwanderung geben, allerdings sollten nur Leute reingelassen werden, die sich integrieren wollen und nicht die Sozialsysteme melken. Warum man diese Leute nicht reinlässt, sondern meistens die falschen, erklärt sich dadurch, dass eine bestimmte in der Wallonie alles beherrschende Partei von Sozialleistungen abhängige Wähler braucht, um ihre Macht zu zementieren. Kämen auf einmal fleissige, ordentliche Chinesen und Vietnamesen statt der Anhänger der Religion des Friedens, bekäme der PS keine Stimme mehr von den dann Neueigebürgerten.
    Streng genommen ist das Islamisierungsproblem nur eine Folge des größten Problems in Belgien, und das sind die Sozialisten.

    • Réalité

      @nmn
      auch von mir Kompliment zu dem wahren u guten Artikel!Auch unsere Östlichen Nachbarn waren schon mal auf diesen Trip!Zur Ära Gerd’s wollte man Tor u Tür öffnen für diese Menschen,und die „Orangene Grüne“Claudia Roth war total hingerissen von dem „Multi-Kulti“…..bis sie mal vor einigen Wochen „in den Trubel in und um Istambul“geriet….

  3. Die Zuwanderung aus Italien, Spanien, Portugal, Griechenland… war nie ein kulturelles Problem. Diese Gesellschaften waren Katholisch und eine Integration in die Belgische Gesellschaft schon nach 1 Generation selbstverständlich, bestes Beispiel ist die spanische Gemeinde in Eupen, oder das San Marko, das längst zu einer Institution in Eupen geworden ist. Anders liegt die Problematik bei Zuwanderern aus dem Islamischen Kulturkreis. Für diese Leute ist unser Begriff von Staat und Religion gar nicht nachvollziehbar.
    Nach zu lesen hier:
    http://culturmag.de/rubriken/buecher/hamed-abdel-samad-der-untergang-der-islamischen-welt/32291

  4. Zu dem OD- Artikel, mit dem Titel :
    „Als die Ausländer in Belgien mehr als nur willkommen waren“.

    Man könnte diesen Titel auch wie folgt leicht umändern:

    “ Als die Ausländer, die in Belgien arbeiten wollten, mehr als nur willkommen waren“.

  5. Zaungucker

    „Die Zuwanderung aus Italien, Spanien, Portugal, Griechenland… war nie ein kulturelles Problem.“

    In einer verklärenden Rückschau mag das so aussehen: „Früher war halt immer alles besser.“
    Die Realität war anders.

    „Gast“arbeiter“ (Ein Gast arbeitet normalerweise nicht) aus Italien etwa wurden hier in Belgien durchaus nicht herzlich und mit offenen Armen empfangen: „Makkaronis“, die den Hiesigen die Arbeitsplätze wegnahmen und deren Töchter verführten.

    Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie misstrauisch die Portugiesen aus Luxemburg (im Prinzip gute Katholiken und also keine Islamisten) in den Eifelgemeinden beäugt wurden, wenn sie es wagten, auf Kirmesveranstaltungen aufzutauchen und mit den einheimischen Mädchen zu tanzen.

    Auch in Deutschland gab es diese Fremdenfeindlichkeit seit jeher: den „Polacken“ gegenüber, die in die Minen des Ruhrgebietes kamen, den andern Südländern und später den Türken gegenüber sowieso.

    Nach dem Kriege stießen sogar die Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten keineswegs auf Gastfreundschaft, besonders dann nicht, wenn sie protestantisch waren und in erzkatholischen Gemeinden in Bayern ankamen. Und dabei waren das alles Deutsche…

    • Bei Zuwanderung gibt es immer Probleme, auch in klassischen Einwanderungsländern (siehe auch den preisgekrönten Film „Heaven’s Gate“), aber ab der 2. Generation ist die Assimilation vollzogen. Anders bei Zuwanderung aus dem Islamischen Kulturkreis, hier sind die Probleme in 3. und 4. Generation eher ausgeprägter als bei der Ersten. Man kann das jetzt politisch korrekt abstreiten, bzw. klein reden, aber damit löst sich das Problem nicht.

    • Hallo Zaungucker,

      Ihre aufgeführten Beispiele sind, mindestens zum Teil,richtig (gewesen).
      Ich persönlich habe mich beispielsweise auch mit Portugiesen „gekloppt“, wegen „einheimischer Mädchen“, wie Sie so schön schreiben.Das hatte aber nichts mit Ausländerfeindlichkeit oder so zu tun, nein
      das waren einfach“ Nebenbuhler“, so wie
      Jungs aus anderen (Eifeler) Dörfern und sogar aus wallonischen „Randgemeinden“.
      Das hatte aber weder politische noch gesellschaftliche Auswirkungen, wenn ich das so sagen darf.Weder die von mir zitierten Portugiesen, noch die in Rede stehenden Italiener, Spanier usw. stellten
      bzw stellen irgendwelche Forderungen,
      in gleich welcher Hinsicht, so wie die Muslime/Islamisten bzw. deren Anführer das immer mehr unverblümt tun.
      Um es deutlich auszudrücken : Von den Mitbürgern der erstgenannten Nationalitäten ging/geht keine Gefahr durch Terrorismus, wie Bomben legen und mörderische Attacken wie jüngst in London
      oder Paris, aus.Das ist doch ein wesentlicher Unterschied zu den Beispielen, die Sie, wie gesagt ,eigentlich richtig darstellen

  6. gerhards

    Diese Leute die zu uns kamen waren arme und wenig gebildete Menschen.
    Diese würden vom Grosskapital ausgenutzt und könnten den Dreck erledigen damit Bonzen in Brüssel und Antwerpen oder anderswo Kasse machen konnten.
    Und jetzt? Diese Menschen sind, zumeist immer noch ungebildet, entweder schuften sie in Altenheimen und wischen den Belgiern den…. ab, da Familie Belgica kaum Kinder in die Welt setzt die sich eigentlich drum kümmern sollten oder sie werden von Extremisten beeinflusst, Ergebnis siehe Schaerbeek.
    Wer ist Schuld?? Wir, wir haben uns nicht genügend um deren Bildung gekümmert!
    Wer was im Köpfchen hat, läuft nicht in Burka rum und wischt den Belgischen Hintern nur bei Respektvoller Bezahlung.

  7. marcel scholzen (eimerscheid)

    Was zur Zeit geschieht, halte ich eher für eine normale menschliche Reaktion. Die Menschen haben Angst vor Überfremdung.

    Dies ist aber nicht das erste mal, dass sich ein Staat abzuschotten versucht, wie es die EU zur Zeit versucht.

    Japan hat dies erfolgreich praktiziert von 1630er Jahre bis zur erzwungenen Öffnung 1853. Die damaligen Machthaber hatten auch Angst vor Überfremdung und Koloniesierung durch Spanier und Portugiesen.

    Hier der passende Link bei Wikipedia :

    http://de.wikipedia.org/wiki/Abschlie%C3%9Fung_Japans

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