Nachrichten

Tiktok unterliegt vor Oberstem Gericht der USA

22.09.2023, Berlin: Auf einem Smartphone wird das Logo der Plattform Tiktok angezeigt. Foto: Monika Skolimowska/dpa

Tiktok steuert nach einer Niederlage vor Gericht auf ein Aus in den USA zu – oder auch nicht. Die rechtliche Lage ist klar, aber niemand in Washington will, dass die Video-App am Sonntag verschwindet.

Tiktok hat den Kampf gegen das US-Gesetz zum Eigentümerwechsel vor Gericht verloren – doch weiterhin bleibt unklar, ob die Video-App ab Sonntag in den USA dichtmachen wird. US-Präsident Joe Biden will die Umsetzung des Gesetzes seinem Nachfolger Donald Trump überlassen. Trump wiederum erbat sich Bedenkzeit, um die Lage zu analysieren. Der künftige Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz hatte bereits Maßnahmen in Aussicht gestellt, mit denen Tiktok vorerst in den USA verfügbar bleiben soll. Die App hat nach eigenen Angaben mehr als 170 Millionen US-Nutzer.D

Das Oberste Gericht der USA bestätigte am Freitag das Gesetz, auf dessen Basis der in China ansässige Bytedance-Konzern sich von Tiktok trennen muss. Es verletze nicht gegen die in der Verfassung verankerte Redefreiheit, urteilten die Richter in einem Eilverfahren.

22.09.2023, Berlin: Auf einem Smartphone wird das Logo der Plattform Tiktok angezeigt. Foto: Monika Skolimowska/dpa

Die vom Gesetz vorgesehene Frist von 270 Tagen für den Verkauf läuft am Sonntag ab. Damit muss theoretisch an diesem Tag Tiktok aus den amerikanischen App-Stores von Apple und Google fliegen und den Zugang zu Infrastruktur verlieren. US-Unternehmen, die Tiktok mit Dienstleistungen versorgen, drohen dann per Gesetz Strafen. Tiktok erwog laut einem Medienbericht, am Sonntag selbst den Stecker zu ziehen.

Das US-Justizministerium erklärte zugleich am Freitag, die Umsetzung des Gesetzes werde «ein Prozess sein, der sich über Zeit abspielt». Das alles lässt die Interpretation zu, dass amerikanische Unternehmen straffrei bleiben könnten, auch wenn sie Tiktok verfügbar bleiben lassen. Allerdings ist offen, ob die Stellungnahmen genug Rechtssicherheit dafür bieten.

– Fristverlängerung eigentlich nur bei Verkaufsgesprächen: Der US-Präsident kann unterdessen die Frist um 90 Tage verlängern – aber per Gesetz nur, wenn es aussichtsreiche Verkaufsverhandlungen gibt. Bytedance und Tiktok weigerten sich bisher kategorisch, eine Trennung zu erwägen.

ARCHIV – 10.01.2025, USA, Washington: Sarah Baus, links, aus Charleston, South Carolina, und Tiffany Cianci, die sagt, sie sei eine „Schöpferin von Langzeit-Bildungsinhalten“, machen einen Livestream auf TikTok vor dem Obersten Gerichtshof, in Washington. Foto: Jacquelyn Martin/AP/dpa

In den USA wird gewarnt, dass über Tiktok die chinesische Regierung Zugang zu Daten von Amerikanern bekommen und die öffentliche Meinung in den USA beeinflussen könne. Die Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück.

Trump kündigte am Freitag an, er werde seine Entscheidung zu Tiktok „in nicht allzu ferner Zukunft treffen“. Er sprach das Thema Tiktok auch bei einem Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Freitag an. Ein weiteres Zeichen dafür, wie hoch die Plattform inzwischen in seiner Gunst steht: Tiktok-Chef Shou Chew soll laut Medienberichten wie auch die Chefs der großen amerikanischen Tech-Konzerne bei Trumps Amtseinführung am Montag dabeisein.

Der Tiktok-Chef bedankte sich am Freitag in einem Video auf der Plattform dafür, dass er «mit uns arbeiten» wolle, um eine Lösung zu finden, mit der der Dienst in den USA verfügbar bleibt.

– Sicherheitsbedenken in den USA: Tiktok betont zwar stets, dass Bytedance mehrheitlich internationalen Investoren gehöre – aber durch die Zentrale in Peking muss sich der Mutterkonzern auch Vorgaben der Behörden beugen. Außerdem kann die Regierung bei einem Verkauf mitbestimmen: Denn der Algorithmus, der die Videos für die Nutzer auswählt, wurde in China entwickelt. Und Peking verbot die Weitergabe solcher Software ohne spezielle Erlaubnis. Das Oberste Gericht verwies in seinem Urteil auf die Sicherheitsbedenken.

18.04.2024, Berlin: Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, spricht während der Vorstellung seines Buches „Der Freiheitshandel“. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

– Tiktok auch in Europa verbieten? Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner fordert ein Tiktok-Verbot in der Europäischen Union. Der Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns („Bild“, „Welt“) schrieb in einem Kommentar bei „bild.de“: „Jetzt ist die EU am Zug. Verbietet Tiktok auch bei uns.“

Der 62-Jährige schrieb außerdem: „Tiktok ist das smarteste Social-Media-Produkt unserer Zeit. Nichts erreicht mehr junge Menschen. Nichts ist gefährlicher – denn es dient einer Diktatur. Tiktok gefährdet die Sicherheit Amerikas und Europas.“

Döpfner, der schon früher Tiktok scharf kritisiert hatte, schrieb in seinem Kommentar, die Video-App sei ein indirektes Instrument des kommunistischen Geheimdienstes Chinas und nutze weltweit Daten über das Verhalten seiner Nutzer. Döpfner sprach auch von einem „Propaganda-Instrument für Antisemitismus, russische Desinformation und rechtsextreme Hetze“. (dpa)

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern