Die europäischen Tageszeitungen gehen am Samstag ausführlich auf die Hochwasser-Katastrophe im Osten Belgiens und im Westen Deutschlands sowie in einigen anderen Nachbarländern ein.
Die Leitartikler konzentrieren sich in ihren jeweiligen Kommentaren auf Aspekte wie Klimawandel, Katastrophenschutz, Versäumnisse in der Vergangenheit und – speziell für Deutschland – mögliche Auswirkungen auf die Bundestagswahl. Hier Auszüge aus den Pressestimmen:
Frankreich
„Les Echos“: „Politische Experten hatten vorhergesagt, dass eine neue Trockenheitsepisode in diesem Sommer die Karten um die Nachfolge von Angela Merkel noch einmal neu mischen könnte. Letztlich sind es Überschwemmungen ungesehener Stärke (…), die diese Rolle zehn Wochen vor der Parlamentswahl einnehmen dürften. (…) Die ersten Züge der drei hauptsächlichen Kandidaten zur Nachfolge Angela Merkels sprechen Bände über das Gewicht des Hochwassers für die Wahlen.“
„Le Figaro“: „Zwei Monate vor den Parlamentswahlen hat die Naturkatastrophe in Deutschland eine politische Wendung genommen. Von den meisten deutschen Medien ins Visier genommen, wurden die Grünen beschuldigt, die Tragödie auszunutzen.“
Deutschland
„Stuttgarter Zeitung“: „Von den massiven Überschwemmungen im Westen Deutschlands sind nun Tausende unmittelbar betroffen. Sie sind gewissermaßen live dabei. So verheerend die Folgen der sintflutartigen Regenfälle für die Menschen vor Ort sind – überflutete Ortschaften, verzweifelte Flutopfer auf Hausdächern und zahlreiche Tote mitten in Deutschland sind hoffentlich auch für jene ein Weckruf, die bislang der Ansicht waren, es werde schon nicht so schlimm kommen.“
„Münchner Merkur“: „Jetzt rückt die Nation zusammen, beweint die Toten, hilft denÜberlebenden. Aber es wäre naiv zu glauben, dass die Wucht der Katastrophe nicht auch bald den Wahlkampf erfasst. Das ist legitim, doch ist der Grat zwischen notwendiger Debatte und Wahlkampf auf dem Rücken der Opfer schmal. Wichtig ist jetzt, dass wir unser Land wetterfest machen, es für Starkregenereignisse rüsten, etwa durch weniger Versiegelung, mehr Rückhalteflächen und Schutzverbauungen. Der Streit um die richtige Politik zur Dämpfung der Erderwärmung muss geführt werden, aber ohne Hysterie und Angstmache – davon hatten wir bei Corona schon genug. Als reichem Land kommt Deutschland dabei eine große Verantwortung zu. Ein heißes Herz genügt nicht: Dieser Kampf ist nur mit kühlem Kopf und einem gemeinsamen Kraftakt aller Erdenbürger zu gewinnen.“
Österreich
„Die Presse“: „Zehn Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September reißt die Flut die Spitzenpolitiker aus der sommerlichen Wahlkampfpause (…) Nur die Grünen halten sich vorläufig zurück. (…) Baerbock ist nach ihrer Pannenserie um die aufgepeppte Biografie und die fehlenden Quellenangaben in ihrem Buch überhaupt abgetaucht. Dabei bietet sich jetzt die Chance, die Scharte auszuwetzen.“
„Der Standard“: „Unionskandidat Armin Laschet (…) baut ganz auf die Macht der Bilder. (…) Und auch das bisherige Reizwort Klimaschutz kommt ihm angesichts des allzu offensichtlichen Zusammenhangs plötzlich spielend einfach über die Lippen.“
„Kronen Zeitung“: „Der Klimawandel zeigt seine Fratze! Wir erstarren vor unseren TV-Geräten. Wir können es nicht fassen. Das passiert ja nur ein paar hundert Kilometer von uns entfernt.“
Schweiz
„Neue Zürcher Zeitung NZZ“: „Es sind auch Fragen nach geeigneten Warnsystemen vor Sturzfluten für die Bevölkerung gefährdeter Gebiete. Es sind Fragen nach nötigen baulichen Massnahmen zum Ableiten großer Regenmengen und zum Schutz von Siedlungsgebieten vor Überschwemmungen. Und es sind Fragen der Raumplanung, welche die Siedlungsentwicklung in hochwassergefährdeten Regionen sinnvoll steuern sollte. Solche Fragen nach dem Management der negativen Folgen des Klimawandels werden im klimapolitischen Diskurs zumeist tabuisiert. Klimaschützer befürchten, dass sie als Ausrede für Nichtstun missbraucht werden. Doch wer diese Fragen vermeidet, verschließt die Augen vor der Realität und bringt damit die Bevölkerung in Gefahr.“
„Tages-Anzeiger“: „Den Grünen, in den Umfragen zuletzt zurückgefallen, kommt das Thema natürlich wie gerufen: Der Klimaschutz ist das Fach, in dem man ihnen die größte Kompetenz zubilligt. Es könnte also gut sein, dass die zuletzt wegen eigener Fehler angeschlagene (Annalena) Baerbock am Ende von den Hochwassern mehr profitiert als der Krisenmanager (Armin) Laschet.“
Italien
„La Stampa“: „Die Jahrhundertflut hat ferner das Thema des Klimanotfalls im Bundestagswahlkampf im September wieder aufgeworfen. Die Chefs der Parteien rechneten diese Tragödie der Erderwärmung zu und forderten größere Anstrengungen, aber bis jetzt waren sie vorsichtig dabei, das Handeln der Regierung an dieser Front zu hinterfragen, weil man sich noch mitten in der Not befindet. Die Aktivisten sprachen jedoch darüber und zeigten mit dem Finger auf die urwüchsige Zubetonierung in den Hochwassergebieten und die Abholzung an den Bergen.“
„La Repubblica“: „Es scheint wie ein Gegensatz zu sein, ‚vorhersehbar’ und ‚Naturkatastrophe‘. Ein Erdbeben oder das Erwachen eines Vulkans sind nicht vorhersehbar. Aber seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler, (…) dass die extremen meteorologischen Phänomene, vor allem Starkregen und Überschwemmungen, ein typischer Effekt der durch die menschliche Zerstörung geschuldeten Erderwärmung sind.“
„Corriere della Sera“: „Es bleibt abzuwarten, ob es dann die Grünen sind, die von der neuen deutschen Angst profitieren. Sehr gut gestartet und dann wegen Ausrutschern und Fehlern von Annalena Baerbock zurückgefallen, haben die Umweltschützer viel aufzuholen. Sie haben jedoch das ambitionierteste Programm auf der Linie der europäischen Ziele. Eine Sache ist sicher: Nach der Katastrophe wird die Wahl in Deutschland im kommenden September die erste in Europa sein, die beim Thema der Klimaerwärmung gewonnen oder verloren wird.“
Großbritannien
„Independent“: „Die Warnungen klingen seit Jahrzehnten in unseren Ohren – eigentlich seit den 1980er Jahren, als Wissenschaftler erstmals begannen, die Folgen der früheren Industrialisierung zu verstehen. Westeuropa war schließlich der Schmelztiegel der ersten industriellen Revolution und trägt insofern eine Mitverantwortung für die anschließende Umweltverschmutzung und -zerstörung.“
„Times“: „Niemand kann mit Sicherheit sagen, dass diese Katastrophe durch den Klimawandel verursacht wurde, auch wenn deutsche Politiker kaum daran zweifeln. Wetterkapriolen hat es schon immer gegeben.(…) Allerdings warnen Wissenschaftler seit Jahren davor, dass steigende CO2-Emmissionen zu einer globalen Erwärmung und zu immer extremerem Wetter in Form von Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürmen führen würde. Diese Extremereignisse treten nun viel häufiger auf, als die Wissenschaftler selbst prognostiziert haben. Das sollte uns alle beunruhigen.“
Belgien
„De Standaard“: „Ein Tag nationaler Trauer ist zu Recht dem Gedenken an diese katastrophalen Ereignisse gewidmet. Aber abgesehen von etwas moralischer Unterstützung wird das den Opfern nicht viel bringen. Dies sollte eine Zeit für Hilfsleistungen sein, nicht für politische Spielereien, geschweige denn für gegenseitige Beschuldigungen… Für die Bekämpfung der Folgen derartiger Niederschläge braucht es mehr als einen ambitiösen Klimaplan. Wie steht es um die Raumplanung? Brauchen wir mehr Rückhaltebecken? Können wir etwas mit den Flüssen tun? Allerdings muss dabei auch jedem klar sein, dass gegen diese «Wasserbombe» kein Kraut gewachsen war.“
Niederlande
„De Volkskrant“: „Zweieinhalb Monate vor der Wahl ist das politische Berlin massiv auf den Klima-Wahlkampf-Zug aufgesprungen, wenn es – wie die Grünen – nicht schon drauf war. Besonders auffällig ist die plötzliche Bekehrung der CDU zum Mitglied im Club der Warner vor dem Klimawandel. Während Spitzenkandidat Armin Laschet das Thema bisher vor allem im Kontext des wirtschaftlichen Wettbewerbs ansprach, wenn es um Deutschland als Produzent von sauberer Energie und sauberen Autos ging, hebt er jetzt die Bedeutung vieler schneller Maßnahmen zur Verlangsamung des Klimawandels hervor.“
Spanien
„El País“: „Die katastrophalen Überschwemmungen, die Westdeutschland, Belgien und die Niederlande verwüstet haben, sind ein weiterer Beweis für die Herausforderungen, mit denen uns der Klimawandel konfrontiert. Was bei den Überschwemmungen überrascht hat, ist deren Intensität und Ausmaß. Das Geschehen zeigt, dass selbst entwickelte Gesellschaften mit hervorragender Infrastruktur und gutem Katastrophenschutz von den verheerenden Auswirkungen solcher Extremwetter nicht verschont bleiben. Die Auswirkungen haben das Herz des am weitesten entwickelten Teils Europas getroffen, mit einer tragischen Bilanz.“ (dpa)
Es ist zu einfach diese Flutkatastrophe auf den Klimawandel zu reduzieren. Es gibt gewisse Wetterzyklen, die können wir Menschen nicht verhindern. Es wurden immer Fehler bei der Besiedelung von Gebieten gemacht. Der Mensch siedelt sich gerne am Wasser an. Nur wird ausgeblendet, dass selbst der kleinste Bach, sich um ein mehrfaches vergrössern kann bei Starkregen. Es gibt Orte, die wurden schon vor gut 100 Jahren komplett Jahren durch Flutwellen zerstört. Aber der Mensch kommt doch wieder zurück.
Aber die Flutwelle jetzt politisch auszuschlachten ist geschmacklos und könnte nach hinten los gehen für die Grünen in Deutschland. Menschen berichten von einem schlechten Krisenmanagement in Deutschland. Die jahrelange Politik Merkels hat dieses Land in einen Dämmerzustand gebracht. Veränderungen waren nicht mehr erwünscht. Vieles wurde eingespart. Selbst der öffentlich rechtliche Rundfunk WDR hat versagt. Nur einige Privatsender in Deutschland haben die Menschen wirklich informiert.