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Neuer Streit um Graf von Stauffenberg vor dem 75. Jahrestag des Hitler-Attentats

20.07.1944, Rastenburg: Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und der Chef der "Kanzlei des Führers", Martin Bormann (l.), begutachten die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete in der Absicht, Hitler zu töten. Foto: Heinrich Hoffmann/UPI/dpa

Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg gab es noch viele Deutsche, die Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitverschwörer für „Verräter“ hielten. Dass das fehlgeschlagene Attentat auf Hitler eine mutige Tat war, wurde erst später fester Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur. Für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sind die Akteure des 20. Juli 1944 „Vorbilder“.

Vor dem 75. Jahrestag des misslungenen Attentats auf Adolf Hitler ist der Streit über die Motive von Claus Schenk Graf von Stauffenberg neu entflammt. Unter dem Titel „Stauffenberg – Mein Großvater war kein Attentäter“ ist im Herder-Verlag ein Buch der Stauffenberg-Enkelin Sophie von Bechtolsheim erschienen.

Darin schreibt sie: „Mein Großvater hat sein Leben für den Versuch verloren, eine neue gerechte Ordnung zu ermöglichen. Er folgte seinem Gewissen. Was auch immer man von ihm denken mag, er hat es nicht verdient, am Ende, wie schon 1944, als ‚der Attentäter’ verurteilt zu werden.“

14.07.2004, —: 1930er Jahre, Aufnahmeort unbekannt: Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Foto: -/dpa

Oberst Stauffenberg hatte am 20. Juli 1944 einen Sprengsatz gezündet, der den Diktator töten sollte. Doch Hitler überlebte. Stauffenberg und seine Mitverschwörer wurden hingerichtet. Einige mussten vor ihrem Tod Folter und Schauprozesse über sich ergehen lassen. In der Nachkriegszeit sahen viele Deutsche in den Verschwörern „Verräter“. Das änderte sich erst allmählich.

Anlass für das Buch der Enkelin ist die kürzlich erschienene Biografie von Thomas Karlauf „Stauffenberg: Porträt eines Attentäters“. Er stellt die These auf, Stauffenberg habe Hitler nicht aus moralischen Gründen töten wollen, sondern aufgrund seiner Prägung durch den Dichter Stefan George und in Erwartung der militärischen Niederlage Deutschlands.

Karlauf führt dafür unter anderem eine Aussage an, wonach sich Stauffenberg am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung durch Hitler, einem Nazi-Fackelzug in Bamberg angeschlossen haben soll. Zu dem angeblichen Fackelzug finde sich kein Zeitungsbericht, sagte Sophie von Bechtolsheim der Deutschen Presse-Agentur.

„Von daher finde ich es sehr fragwürdig, dass diese Kolportage, die von einem Regimentskameraden und aus der Nachkriegszeit stammt, als Beleg für diese These heranzuziehen, mein Großvater sei anfangs für Hitler gewesen.“ Auch dass Stauffenberg wie Hitler den Versailler Vertrag abgelehnt habe, sei kein Beleg dafür, dass ihr Großvater ein begeisterter Nationalsozialist gewesen sei. Schließlich hätten viele Deutsche den Vertrag von 1919 als „ungerecht und belastend“ empfunden. „Das entsprach damals dem Zeitgeist.“

Merkel nennt Hitler-Attentäter „Vorbilder“

Quellenkritik übte die Autorin, die selbst Geschichte studiert hat, auch an Karlaufs Umgang mit den Vernehmungsprotokollen der Gestapo. Sie erklärte, diese seien zwar eine wichtige Quelle, „man muss bei der Einordnung dessen, was dort aufgezeichnet wurde, aber natürlich berücksichtigen, dass hier Menschen befragt wurden, die mit Folter bedroht oder schon gefoltert worden waren“. Die Gefangenen hätten sich Mühe gegeben, vor allem über diejenigen zu sprechen, die schon tot waren, um andere Mitverschwörer, die noch nicht aufgespürt worden waren, zu schützen.

03.07.2019, Sachsen, Dresden: Eine Plastik von Claus Schenk Graf von Stauffenberg des Bildhauers Frank Mehnert steht im Militärhistorischen Museum Dresden in der Ausstellung „Der Führer Adolf Hitler ist tot“ in einer Vitrine. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit Blick auf den 75. Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats zum entschiedenen Widerstand gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Der 20. Juli sei Erinnerung an alle, die sich der Herrschaft des Nationalsozialismus entgegengestellt hätten, sagte Merkel. Glücklicherweise habe es viele davon gegeben. „Auch wir sind heute verpflichtet, uns allen Tendenzen entgegenzustellen, die die Demokratie zerstören wollen.“

Merkel bezeichnete Akteure des 20. Juli als Vorbilder. „Denn sie haben gezeigt, dass sie ihrem Gewissen folgen, und damit haben sie einen Teil der Geschichte Deutschlands geprägt, der ansonsten durch die Dunkelheit des Nationalsozialismus bestimmt war.“ Ihnen gebühre Dank: „Denn unser Grundgesetz hätte ohne solche Taten vielleicht nicht so entstehen können. Wir können heute auf dem Mut dieser Menschen aufbauen und froh sein, dass es diesen Teil unserer Geschichte gibt.“ (dpa)

19 Antworten auf “Neuer Streit um Graf von Stauffenberg vor dem 75. Jahrestag des Hitler-Attentats”

  1. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit Blick auf den 75. Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats zum entschiedenen Widerstand gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Der 20. Juli sei Erinnerung an alle, die sich der Herrschaft des Nationalsozialismus entgegengestellt hätten, sagte Merkel. Glücklicherweise habe es viele davon gegeben. „Auch wir sind heute verpflichtet, uns allen Tendenzen entgegenzustellen, die die Demokratie zerstören wollen.“
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    Passend dazu hat man vor der wahl die max. mögliche Anzahl der AfD Mandate in Sachsen schon mal auf 18 begrenzt. Das ist dann die „Merkel-Demokratie“. Wir schaffen das.

    • Und von den Linksextremisten, die das Land zerstören wollen, ist natürlich nicht die Rede.
      Diese Chaoten sind doch in der Überzahl, siehe G-20 Gipfel in Hamburg. Nun, auf dem linken Auge sind sie, die PolitikerInnen alle blind!

    • @ Dax

      Es mag dir nicht passen, aber in einer Demokartie hat man sich an Spielregeln zu halten. Die AfD hat sich in Sachsen nicht an diese Grundregeln gehalten und meint im Schnelldurchgang Kandidaten durchpeitschen zu können. Dem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat die demokratisch gewählte Kontrolle einen Riegel vorgeschoben. Nun sind die Braunhemden und anscheinend auch du eingeschnappt. Pech, mein Junge.

      • Wegen eines Formfehlers wäre a) mit keiner anderen Partei so verfahren worden, und b) der Schuß geht voll nach hinten los, die AfD kann sich als Märtyrer hinstellen und gewinnt dadurch langfristig an Zustimmung.
        Pech, Kleines, dumm gelaufen….

      • Augenwischerei

        “ Dem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat die demokratisch gewählte Kontrolle einen Riegel vorgeschoben“

        Hören Sie bloß auf mit solchem Geschwafel. Mit Kanonen auf die AfD-(Spatzen) schießen ist natürlich einfach für die Politik. Wenn Sie hier schon vom Gleichbehandlungsmumpitz faseln, dann müsste doch viel mehr unternommen werden, um beispielsweise gegen die Bandenkriminalität vorzugehen. Hier stechen vor allem arabische Familien-Clans hervor, die sogar über ganze Stadtteile herrschen. Und was ist mit der Sharia, die in der muslimischen Parallelgesellschaft vorhanden ist, usw. usw. Wo ist da Ihre “ demokratisch gewählte Kontrolle“ um hier Riegeln vorzuschieben? Wie gesagt, die Politik macht es sich sehr einfach ; gegen die AfD vorzugehen ist simpel, heiße Eisen werden dagegen nicht angepackt.

        • @ Augenwischerei

          Sehr interessant, dass Sie kriminelle Clans mit der AfD gleich setzen und auch diesbezüglich eine Gleichbehandlung fordern. Das zeigt, wessen Geistes Kind Sie sind.

          Ehrlich gesagt, mag ich beide nicht. Weder die kriminellen Gemeinschaften, noch die braunen Horden.

          • Augenwischerei

            Oha,
            Wer lesen kann, ist im Vorteil.
            Wo setze ich kriminelle Clans gleich mit der AfD. ?
            Ich fordere lediglich, dass die Politik u.a. kriminelle Clans genau so verfolgt wie die AfD. Das tut sie aber nicht, weil sie dazu zu feige ist und deshalb ist der „Gleichbehandlungsgrundsatz“ eben nicht vorhanden, Punkt!

    • Stauffenberg war Attentäter (seine Lösung somit Gewalt), weiterhin Anhänger des Nationalsozialismus und eigentlich nur bedacht, Unheil von Deutschland abzuwenden (in seinen Augen – und zurecht – führten Hitlers Durchhalteparolen und Endsiegphantasien das Land in grösseres Unglück). Somit bedarf es im Falle Stauffenbergs keiner Verklärung, ohne sein Unterfangen und den dafür gezahlten Preis schmälern zu wollen.

      Bemerkenswert bleibt in Dax Kommentar, der Vorwurf an Merkel das hehre Wort der Demokratie vor sich her zu tragen, jedoch die bedauernswerte AfD vom demokratischen Prozess auszuschließen.

      Die AfD (Sammelbecken für Rassisten, Ausländerfeinde, Identitäre, NPDler, Alt- und Neunazis, Reichsbürger, Unzufriedene aller Art und auch enttäuschte C-Anhänger des rechten Flügels) versucht gerade wieder einmal ihre Marke zu definieren. Nach allgemeiner Einschätzung gerät der moderate Flügel (Rechtskonservative und Ex-CDUler) dabei arg ins Hintertreffen.
      Dax – so hoffe ich jedenfalls – blendet den grossen Rest der Truppe gerne aus.

      Zur Erinnerung: Hitler kam nicht durch einen Putsch an die Macht.

  2. Im Nachhinein kann man froh sein dass das Attentat nicht gelungen ist. Der Kriegsverlauf, besonders das Ergebnis, die totale Niederlage Deutschlands, wäre kein anderer gewesen aber es hätte sich eine unausrottbare „Dolchstoßlegende“ gebildet dass Deutschland mit Hitler an der Spitze diesen Krieg doch noch hätte gewinnen können. Erst der Selbstmord Hitlers am 29 April 1945 und die totale Niederlage der Wehrmacht hat solchen Überlegungen jeden Boden entzogen. Dass der Krieg verloren geht hatte Fritz Todt dem Führer schon im Herbst 1941! gesagt, das Volk hat es erst im Mai 1945 begriffen.

    • Völker haben in den seltensten Fällen Beweggründe und Zielsetzungen von Kriegen begriffen, jedoch immer die Zeche gezahlt.

      Todt bleibt ein klassischer Unkenrufer.
      Sofern ihr Beruf tatsächlich im technischen Bereich angesiedelt ist, waren Sie ja sicherlich mit Projekten konfrontiert. Dort gibt es immer den Unkenrufer, der sagt, das kann / wird nicht funktionieren. Gegen Ende des Projektes wurden die Ziele nicht erreicht (der Unkenrufer hat recht) oder eben doch (und keiner erinnert sich angesichts des Erfolges an den Unkenrufer, der dann auch Wert darauf legt sich zu ducken). In größeren Organisationen fällt mit der Zeit auf, dass die Unkenrufer immer dieselben sind: komfortable Position.
      Zur Vollständigkeit: an Niedertracht übertroffen nur von den „Projektförderern“ die anlässlich des Scheiterns zum Besten geben, nie an einen Erfolg zu glauben.

      • Todt hatte die Bedeutung der Industrieproduktion für den Kriegsverlauf erkannt. Der Mann war ein fähiger Ingenieur. Hitler hatte keine Ahnung von diesen Dingen. Das Deutsche Volk folgt gerne den Ahnungslosen. Das Ende ist ja bekannt.
        Bleiben Sie besser bei den Unken.

  3. Norbert Schlleck

    „Im Nachhinein kann man froh sein dass das Attentat nicht gelungen ist. Der Kriegsverlauf, besonders das Ergebnis, die totale Niederlage Deutschlands, wäre kein anderer gewesen aber es hätte sich eine unausrottbare „Dolchstoßlegende“ gebildet“

    Woher wollen Sie das so genau wissen?
    Man kann aber davon ausgehen, dass der Krieg früher zu Ende gewesen und immense Verluste an Menschen vermieden worden wären (es heißt, in der Zeit nach dem Attentat seien so viele Menschen umgekommen wie in den ganzen Kriegsjahren davor). Von den Zerstörungen durch Bombenangriffe und andere Kriegshandlungen ganz zu schweigen, die danach auf beiden Seiten erst so richtig aufdrehten.
    Viele KZ-Häftlinge, Juden und andere, hätten überlebt.
    Stattdessen die Verlängerung dieses Blutbades in Kauf zu nehmen, ja, „froh“ darüber zu sein, nur damit keine neue Dolchstoßlegende entstehen konnte, scheint doch sehr gewagt, um es mal so auszudrücken, besonders aus dem Blickwinkel der Opfer.
    Konkret: die vielen Menschen, deren Namen auf den fünf Stelen neben der Malmedyer Kathedrale stehen, wären damals nicht umgekommen…

      • Norbert Schleck

        „Und genau das hätte sich wiederholt“
        Das sagt Ihnen Ihre Kristallkugel?

        Der Krieg war so oder so verloren, und Deutschland wäre auf jeden Fall besetzt worden, aber es wären dort, aber nicht nur dort, riesige Verluste an Menschen und Sachwerten verhindert worden. Das kann man ohne Kristallkugel behaupten.

        Sie blenden das einfach aus, nur weil es eine neue Dolchstoßlegende hätte geben können, mit dann wohl einem hypothetischen neuen „Führer“ und einem ebenso hypothetischen dritten Weltkrieg?

        Geschichte wiederholt sich selten eins zu eins.

        Gar nicht hypothetisch: Hätte der Krieg wie der gegen Japan noch länger gedauert oder wären die Atombomben eher fertig geworden, so hätte Deutschland eine davon abbekommen.
        Zielort war nicht Berlin, sondern der Raum Ludwigshafen-Mannheim.

          • Norbert Schleck

            Das „Wesen“ nicht verstanden? Nä, hab ich nich. Dann klären Sie mich doch mal auf.

            Dieses „Wesen“ wäre nach dem Ende von WK II genauso eingetreten? Das wissen Sie?
            Ach ja, Geschichte wiederholt sich bekanntlich immer eins zu eins, das wissen wir seit D. Engels‘ Werk „Auf dem Weg ins Imperium“.
            Übrigens vielen Dank für die verlinkte Illustration aus einem Schulbuch für die sechste Grundschulklasse. Ein richtiges Aha-Erlebnis für mich.

            Ich frage mich allerdings, ob die Angehörigen der Opfer oder die Überlebenden der Bombardierungen von Malmedy Weihnachten 44 und die Bewohner der Eifeldörfer, deren Häuser während der Rundstedt-Offensive zerstört wurden, „froh“ darüber waren, dass der Führer noch bis Ende April 45 durchgehalten hat, nur damit keine neue „Dolchstoßlegende entstehen konnte, Die Opfer selber konnten ihre Freude darüber ja nicht mehr ausdrücken.
            Aber wenn Sie meinen…

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