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Schürfwunden, Knochenbrüche, Kopfverletzungen: Experten sehen hohes Risiko bei Elektro-Tretrollern

16.05.2019, Berlin: Ein Mann fährt bei Nässe mit einem E-Scooter. E-Scooter, auch E-Tretroller oder Elektro-Tretroller genannt, gehören bereits in vielen Städten der Welt zum Verkehrsbild. Foto: Christoph Soeder/dpa

Lange wurde im Vorfeld über das Ob und Wie debattiert – nun rollen E-Scooter durch die Städte. Mediziner und Unfallforscher sehen das mit Sorge. Sie fragen: Sind wir gut genug vorbereitet?

Schürfwunden, Knochenbrüche, Kopfverletzungen: Mediziner und Unfallexperten rechnen nach der Zulassung von Elektro-Tretrollern in vielen deutschen Städten mit einer Zunahme von Unfällen und teils erheblichen Verletzungen bei Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern. Todesfälle sind aus anderen Ländern bereits bekannt. Aber wie gefährlich sind die kleinen Flitzer wirklich?

„Dass es massive Probleme geben wird zwischen E-Scooter-Fahrern und anderen Verkehrsteilnehmern, liegt auf der Hand. Die Frage ist nur: Wie schwerwiegend sind diese Probleme?“, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Solange keine Erfahrungen vorlägen, sei es schwierig, diese Frage zu beantworten.

22.06.2019, Hessen, Frankfurt/Main: Haseeb Rafiq vom Dienstleister „Liefery“ fährt mit einen Elektrotretroller zum Aufstellplatz „Kaiserplatz“. Foto: Andreas Arnold/dpa

„Wir wissen aus internationalen Studien und Daten, dass das Verletzungspotenzial beim E-Scooter-Fahren sehr hoch ist“, sagt Christopher Spering von der Klinik für Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen. „Ich frage mich, ob wir gut genug darauf vorbereitet sind.“

Hinweise zum Verletzungsrisiko können etwa Studien aus den USA geben, wo Elektro-Tretroller schon länger zugelassen sind. Anfang des Jahres hatten Wissenschaftler etwa Daten aus Notfallambulanzen von zwei Kliniken in Südkalifornien ausgewertet: Demnach kamen in den beiden Kliniken innerhalb von einem Jahr 249 Patienten nach einem E-Scooter-Unfall in die Notaufnahme.

Die meisten waren als Fahrer verunglückt. Die häufigsten Verletzungen waren Kopfverletzungen, gefolgt von Knochenbrüchen, Prellungen, Stauchungen und Platzwunden. 15 Patienten mussten stationär behandelt werden, zwei kamen mit schweren Kopfverletzungen auf die Intensivstation. „Diese Verletzungen werden wir auch haben“, glaubt Brockmann.

Relativ wacklige Position des Fahrers

Was E-Scooter im Vergleich etwa zum Fahrrad besonders mache, sei unter anderem die Position des Fahrers, erläutert Spering. Er stehe aufrecht auf einem kurzen Brett und habe nur einen kleinen Lenker zum Festhalten. Diese relativ wacklige Position des Fahrers sieht Spering als Hauptrisiko für einen Unfall.

22.06.2019, Hessen, Frankfurt/Main: Mehrere Elektrotretroller steht auf dem „Kaiserplatz“. Foto: Andreas Arnold/dpa

Hinzu kommt: Der Fahrer könne Richtungswechsel nicht anzeigen, da einhändiges Fahren nicht möglich sei. Das erschwere es anderen Verkehrsteilnehmern, das Fahrverhalten einzuschätzen. Auch Bremsvorgänge und Beschleunigungen seien nicht ersichtlich – und dies alles in einem ohnehin bereits aus- oder überlasteten Verkehrsnetz, sprich: auf vollen Straßen und Wegen.

Spering berichtet von zwei Fällen aus seiner Klinik, bei denen E-Scooter-Fahrer wegen eines Verrenkungsbruches im Bereich des Sprunggelenks behandelt wurden. Beide seien bei Stürzen mit dem Fuß unter das Trittbrett geraten. Der Mediziner rechnet nach Unfällen zudem mit Schädel-Hirn-Traumata, „weil der Kopf einfach so exponiert ist“. Zudem dürfte es zu Brüchen und anderen Verletzungen an Händen und Armen kommen.

Tretrollerfahrer könnten bei Kollisionen nicht auf dem Brett stehen bleiben, sagt auch Brockmann. Bei einem Zusammenprall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer würden sie vom Trittbrett katapultiert. Zum Verletzungsrisiko bei der Kollision käme dann dasjenige hinzu, dass durch den Aufprall auf dem Boden entsteht. Bei einer Kollision mit einem Fußgänger könne vor allem der Zusammenstoß der beiden Körper schwere Verletzungen zur Folge haben.

Viele Unfälle in den ersten Monaten

Entscheidend für die Sicherheit der Tretroller sei die Stabilität der Gefährte, die wiederum maßgeblich von der Größe der Räder abhänge: je größer, desto stabiler das Gefährt.

Größere Räder sorgen auch dafür, dass E-Scooter besser über Unebenheiten wie Kopfsteinpflaster rollen, ohne sich zu verkanten. Allerdings machen größere Räder die Roller weniger transportabel und schmälern damit einen der angepriesenen Vorteile: dass man sie problemlos in Bus und Bahn mitnehmen kann.

28.11.2018, Bayern, Bamberg: Der Pressesprecher der Stadtwerke Bamberg, Jan Giersberg, fährt mit einem Elektro-Scooter des US-amerikanischen E-Scooter-Sharing Anbieters „Bird“. Foto: Nicolas Armer/dpa

Brockmann rechnet vor allem in den ersten Monaten mit vielen Unfällen – auch nach eigenen Testfahrten mit einem E-Scooter. „Man glaubt ziemlich schnell, dass man sicher unterwegs ist.“ Allerdings fehlten Erfahrungen im Verkehr – etwa wie der Roller reagiere, wenn plötzlich Fußgänger auftauchten und man schnell ausweichen müsse.

Manche Ärzte befürchten sogar ein erhöhtes Risiko für Querschnittlähmungen. Schon der Boom der E-Bikes habe zu einer Zunahme solcher Verletzungen geführt, mit der Zulassung der E-Scooter sei ebenfalls mit mehr Arbeit zu rechnen, hatte der Erste Vorsitzende der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie (DGMP), Yorck-Bernhard Kalke, Mitte Mai betont.

Wie begründet die Sorge der Mediziner grundsätzlich ist, zeigt der kürzliche Tod zweier E-Scooter-Fahrer in Schweden und Frankreich. In Deutschland zog sich an diesem Sonntag ein 65-Jähriger in Bad Lippspringe bei Paderborn lebensgefährliche Kopfverletzungen zu. Der Mann, der einen Schutzhelm trug, musste nach Polizeiangaben wegen eines abbiegenden Autos stark bremsen und kam dabei zu Fall.

Ein gewisses Maß an Problemen und Unfällen müsse man allerdings tolerieren, meint Unfallforscher Brockmann: „Wir verbieten ja auch nicht das Fahrradfahren, nur weil es Fahrradunfälle gibt.“ (dpa)

20 Antworten auf “Schürfwunden, Knochenbrüche, Kopfverletzungen: Experten sehen hohes Risiko bei Elektro-Tretrollern”

  1. Den City-Roller Hype (ohne E-Antrieb) gab es schon einmal vor 20 Jahren. Auch damals waren viele Unfälle mit erheblichen Verletzungen die Folge. Wegen der kleinen Raddurchmesser ist das Sturzrisiko extrem hoch, schon ein kleines Hindernis führt zum Sturz. Jetzt wird noch einer drauf gesetzt, E-Antrieb, damit man sich auch so richtig auf die Nase legt.

    • Walter Keutgen

      Vor 20 Jahren? Als Kinder fuhren wir auch mit dem Tretroller, aber ohne Elektromotor. Die mit größeren Luftreifenrädern waren besser. Ist der Elektromotor wirklich nötig? Rennfahrer Hamilton jagt mit dem Tretroller ohne Motor durch den Paddock.

  2. Bill Gates

    Ein neues Spielzeug . Aber was bringt das ? Man muß nicht mehr so viel zu Fuß gehen . Die Faulheit wird gefördert. Es ging doch ohne bisher. Und wer fährt damit ? Sehen sie sich mal in Lüttich um – nur junge Leute fahren mit dem Renner. Die haben ja auch keine Zeit mehr um zu Fuß zu gehen. Kinder an die Macht. Demnächst werden die sehr wahrscheinlich mit einem Düsenantrieb am Rücken durch die Städte fliegen .

  3. Christophe Nix

    Wir reden über ein Gefährt das maximal 25km/h schnell fahren darf, da schafft man auf einem Fahrrad auch Mal das doppelte. Dem fehlenden Richtungsanzeiger ist sehr einfach technisch beizukommen. Unfallrisiko im Auto nimmt jeder jeden Tag in Kauf ohne darüber nachzudenken. Motorradfahrer fallen noch in eine ganz eigene Kategorie und Fußball spielen sollte man auch tunlichst vermeiden. Aber sowieso kommt es am Ende immer auf die Person an die auf dem Brett steht

    • Diese Aussage trifft eher zu!
      Und vollkommen richtig.
      Natürlich können Unfälle geschehen! Doch hier wird ein Hype gedreht, der ablenkt vom alltäglichen Geschehen in dieser Welt. E- Fahrräder. E-Auto’s… und jetzt E-Roller…. man müsste demnach wirklich alles Verbieten. Auch Pferde…
      Am Ende kommt es wirklich auf dem an, der auf dem Brett steht. Und ich wette, das hier jeder Unfall mit einem E-Roller, ab sofort genaustens Dokumentiert wird…

    • Ach Christoph, keine Ahnung vom Unfallrisiko in Funktion des Fahrzeugs. 25 km/h auf einem Fahrrad sind gemessen an seiner Fahrstabilität und seinen Bremsen kein Problem, auf einem rollenden Frühstücksbrettchen mit 5 cm kleinen Rädchen, der helle Wahnsinn. Aber wie sollen Sie das auch verstehen, Ökos leben in in einer MINT freien Welt, da fliegt auch schon mal der Teppich…..

      • Christoph Nix

        So ein fliegender Teppich wäre schon etwas feines aber Bergab fliegen ist verboten ab jetzt auch für Skateboards, Inlineskates, Rollschuhe, Longboards, Snakeboards, Snowboard, Ski und Laufschuhe sowieso.

  4. Ming Sching sin fing

    Ich fahre so ein Ding seit Monaten in einer Großstadt. Und damit meine ich nicht Eupen!
    Einfach nur genial. Ich gehe respektvoll mit den andren Verkehrsteilnehmern um, die meisten heben den Daumen, oder fragen mich nach Details zum Gerät.
    Allerdings ist es nicht ratsam sein Gleichgewichtsgefühl zuhause zu lassen.
    Ich bin auf Fahrrad,Rollschuhe und Skateboard, gross geworden. Das hilft ungemein.

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