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Super League als Eigentor – Reue bei den Club-Chefs

20.04.2021, Großbritannien, London: Chelsea-Fans reagieren nach der Nachricht, dass die Blues aus der umstrittenen Super League wieder aussteigen. Foto: Ian West/PA Wire/dpa

AKTUALISIERT – Das war ein historisches Eigentor. Nach dem krachenden Scheitern ihrer Super-League-Pläne versuchen sich die Club-Bosse in Demut. Europas Spitzenfußball hat sich selbst entlarvt. Doch die Probleme sind nicht aus der Welt.

Die Stimme der Straße war zu laut und zu mächtig. Die Club-Milliardäre von Liverpool über London bis Manchester, Barcelona, Mailand, Turin und Madrid treten nach dem dramatischen Scheitern ihrer Super League in nicht gekannter Fan-Demut den Gang nach Fußball-Canossa an.

Zum Sinnbild der im Eiltempo gestoppten Investorenträume von einer geschlossenen Eliteliga wurde neben dem zermürbten Juve-Boss Andrea Agnelli vor allem Liverpools amerikanischer Eigentümer John W. Henry.

20.04.2021, Großbritannien, London: Polizisten beobachten einen Protest von Chelsea-Fans gegen die geplante Super League. Foto: Ian West/PA Wire/dpa

Vor einem gelben Mini-Blumenstrauß verkündete der Geschäftsmann per zweieinhalbminütigen Twitter-Video sein mea culpa und entschuldigte sich mit einem Hauch von Hollywood-Drama bei den demonstrierenden Fans, den ungewohnt meinungsfreudigen Profis und auch bei Trainer Jürgen Klopp.

„Wir haben euch gehört, ich habe euch gehört“, sagte Henry kleinlaut und hoffte auf die Chance zur Fortsetzung seines Investments im Herzen des europäischen Fußballs.

Schnell werden in England Stimmen laut, die das Finanzgebaren der Geldgeber aus dem arabischen Raum, Russland und den USA generell in Frage stellen. Die Bilder von Fan-Demos verdeutlichten die Wut der Anhänger über Entfremdung von ihren Clubs im Milliardengeschäft – verschärft durch die Entbehrungen in der Corona-Pandemie.

Die Vereine reagierten zunächst recht unbeholfen. Auch von Manchester City, Inter Mailand und dem FC Chelsea kamen Mitteilungen, die das Super-League-Engagement nachträglich relativieren sollten. Erst im Nachhinein habe man bemerkt, worauf man sich da eingelassen habe, so zum Beispiel die entlarvende Selbsteinschätzung der Blues aus London.

20.04.2021, Großbritannien, Liverpool: Ein Mann fährt mit dem Fahrrad an einem Banner vor dem Anfield Stadion in Liverpool vorbei. Foto: Peter Byrne/PA via AP/dpa

Letztlich fiel auch Agnelli als Anführer des „Dreckigen Dutzend“ sinnbildlich um. „Um ehrlich und aufrichtig zu sein, nein, das ist offensichtlich nicht der Fall“, sagte der Juve-Boss als Super-League-Initiator auf die Frage, ob man das Projekt jetzt noch fortsetzen könne. Agnelli und Florentino Perez von Real Madrid standen zuletzt ziemlich alleine da. Die Hoffnung auf 3,5 Milliarden Dollar Anschubfinanzierung sind perdu.

DIE UEFA-REAKTION

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hatte da aus der Position der größtmöglichen Stärke schon Milde für die reuigen Abweichler erkennen lassen. „Ich habe gestern gesagt, dass es bewundernswert ist, einen Fehler zuzugeben, und diese Vereine haben einen großen Fehler gemacht“, sagte der Slowene. „Aber sie sind jetzt wieder in der Reihe und ich weiß, dass sie nicht nur unseren Wettbewerben, sondern dem gesamten europäischen Spiel viel zu bieten haben“, betonte der 53-Jährige.

Aber auch Ceferin steht vor einem Scherbenhaufen. Ohne die zwölf Top-Clubs hätte die Champions League keinen Glanz mehr ausstrahlen können. Mit einer dauerhaften Spaltung zwischen den neuen ideellen Premiumpartnern FC Bayern München und Paris Saint-Germain als „Good Guys“ auf der UEFA-Seite gegen die abtrünnigen Zwölf wird der europäische Fußball seine Probleme nicht lösen können.

20.04.2021, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Ein Transparent mit der Aufschrift „ESL – Absage“ hängt an einem Zaun gegenüber der Geschäftsstelle von Bundesligist Borussia Dortmund. Foto: Bernd Thissen/dpa

Ceferin wird wie sein Bayern-Kompagnon Karl-Heinz Rummenigge viel Fußball-Porzellan kitten müssen. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir weitermachen, die Einheit, die das Spiel zuvor genossen hat, wieder aufbauen und gemeinsam vorankommen“, sagte der Chef des Kontinentalverbandes nach aufwühlenden 48 Stunden.

Zumindest erledigt haben sich die angedrohten Strafen gegen Clubs und Spieler. Das Halbfinale der Königsklasse kann mit den Duellen von Real Madrid gegen Chelsea und Manchester City gegen PSG in der kommenden Woche mit drei Abweichlern stattfinden. Auch der radikale Bann der Superstars von der EM im Sommer ist kein Thema mehr.

IST DIE SUPER LEAGUE FÜR IMMER VOM TISCH?

Agnellis Resignation klang nach einer totalen Kapitulation. Fan-Vertreter sehen sich gestärkt. Das Netzwerk „Football Supporters Europe (FSE)“ will generelle Konsequenzen. „Wir fordern eine stärkere Regulierung. Wir fordern sofortige Maßnahmen, um unsere Clubs und Gemeinschaften zu schützen“, heißt es in einem Statement am Mittwoch. „Der wahre Kampf beginnt jetzt.“

20.09.2017, Schweiz, Nyon: UEFA-Präsident Aleksander Ceferin spricht bei der Pressekonferenz nach dem Exekutivkomitee-Treffen. Foto: picture alliance / Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa

Doch Optimismus für eine dauerhafte Fußball-Romantik jenseits elitärer Großprojekte wäre eine Fehleinschätzung. Die zwölf Clubs sind keine Nebendarsteller. Sie haben Macht, Einfluss und Erfolg im europäischen Fußball, den sie seit Jahren dominieren. 21 der 28 Champions-League-Siege holten sie seit 1992. In England verzeichnete das halbe Dutzend Abweichler im gleichen Zeitraum praktische alle Meistertitel in der Premier League. Nur die Blackburn Rovers (1995) und Leicester City (2016) konnten in die Phalanx je einmal einbrechen.

Der Erfolg hat eine paradoxe ökonomische Kehrseite. Schulden, teilweise in Milliardenhöhe, drücken viele der Clubs. Auch das war Grund für die Suche nach neuen Geldquellen im globalen Geschäft, gestand Real-Chef Perez und zeichnete eine düstere Prognose. Die Big Player werden nach einer moralischen Erholungspause also weiter nach Einnahmemöglichkeiten suchen müssen. FIFA-Präsident Gianni Infantino, in diesen Tagen auf ungewohntem Kuschelkurs zur UEFA und zu Ceferin, könnte mit seinen Ideen der Club-WM ein Ansprechpartner sein.

DIE ZUKUNFT DER CHAMPIONS LEAGUE

Zunächst können alle Clubs trotz Super-League-Stigma in den vertrauten Kreis der Königsklasse zurückkehren. Der Treppenwitz der Aufregertage: Im Windschatten der Super-League-Pläne wurde die Reform der Champions League ab 2024 durchgewunken, die mit zusätzlichen 100 Spielen, mehr Absicherung für Top-Clubs, einem Ligensystem statt einer Gruppenphase und noch mehr Geld als die bisherigen zwei Milliarden Euro erst auf Druck der großen Vereine initiiert wurde.

Es geht um viel Geld. Foto: Shutterstuck

UEFA-Chef Ceferin setzte sie nach langen Konsultationen mit durch, wie auch die Bayern- und PSG-Connection. Dass dieses auch nach Gewinnmaximierung strebende Lager nun zur Robin-Hood-Fraktion des europäischen Fußballs erklärt wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Bei der UEFA hatte man schon beschwichtigende Statements für die Reform-Entscheidung vorbereitet, die nach der Ablenkung durch die Super League dann in der Schublade bleiben konnten.

MÜNCHEN UND DER DEUTSCHE FUßBALL

Bayern-Boss Rummenigge zog als Nachfolger des geschassten Agnelli am Dienstag ins UEFA-Exekutivkomitee ein – auch das eine ungeahnte Konsequenz des Super-League-Bebens. Möglicherweise hilft das Thema nun München auch beim Kampf um seinen Status als EM-Gastgeber. Am Freitag will die UEFA mit Rummenigge im Entscheidergremium final darüber befinden. „Solche Entscheidungen sind immer auch politische Entscheidungen“, hieß es aus UEFA-Kreisen.

Um einen Kompromiss, wie die Allianz Arena in der Corona-Pandemie auch ohne definitive Zuschauergarantie Spielort bleiben kann, wird zwischen München und Nyon hart gerungen. Ausgerechnet seinen treuen deutschen Mitkämpfern gegen die Super League jetzt EM-Spiele wegzunehmen, kann auch Ceferin nicht gefallen. (dpa)

26 Antworten auf “Super League als Eigentor – Reue bei den Club-Chefs”

  1. Mich wundert es, dass nicht schon längst jemand auf die Idee gekommen ist einen eigenen Verband zu etablieren. Wenn dieser aber genau so finanzorientiert ist wie UEFA und FIFA oder vielleicht sogar noch schlimmer, dann lieber NEIN DANKE! Aber die Fans vorm TV oder das was sich im Stadion da so Ultras nennt, macht doch eh was man ihnen sagt beziehungsweise vor die Nase setzt. Sonst würde es Clubs die von Oligarchen, Öl Scheichs und sonstigen obskuren Typen garnicht geben. Fresst was man Euch vorsetzt oder organisiert Euch gefälligst selber aber dazu wird’s nie kommen da es mit viel ehrenamtlicher Arbeit verbunden wäre. Parallelen zur Politik sind rein zufällig.

    • Dicke Pupillen

      ja natürlich die Ultras sind schuld, weil sie ja auch so hinter dem Komerz stehen. So eine Aussage habe ich ja selten gehört. Die Ultras von PSG haben sich zB komplett zurückgezogen wegen dem ganzen Geld aus Katar. Wahrscheinlich willst du einfach nur gegen Ultras wettern.
      Ansonsten hat kein Scheichclub Ultras, und die von Bayern haben sich auch schon unzählige Male dagegen positioniert.

      • Spontan fällt mir da die AS ein, oder? Aber sei’s drum, manchmal werden von den „Hütern des wahren Sports‘ gerne Krokodilstränen vergossen. Dortmund ist eine AG, Schalke hat mit Gasprom und Thönnies recht zweifelhafte „Sponsoren“ und und und. Da kommt halt jetzt einer mit noch mehr Kohle und macht ein Angebot. Die Gehälter für Spieler sind doch nicht mehr nachvollziehbar, dagegen sind die „Einkommen“ von Politikern nahezu bescheiden. Das System heißt Brot und Spiele und solange jeder für Pay TV , Trikots und jedem Mist aus dem Fanshop bezahlt, sollte einfach ruhig sein.

  2. „Created by the poor, stolen by the rich“
    Traurig, wie sich der Fußball entwickelt hat, wenn man sich vor Augen führt, wie alles angefangen hat und welche Werte der Fußball eigentlich vertritt. Mit dieser „Super-League“ dreht man wirklich endgültig den Fans und jeglichem sportlichen Wettbewerb den Rücken und zeigt dass es nur noch um eins geht: noch mehr Geld.
    Dann haben auch noch Clubs wie Arsenal, AC Milan oder Tottenham, die die letzten Jahre Mal überhaupt keine Rolle in der CL gespielt haben, die Frechheit dieser Liga zuzusagen. Clubs, die sich über Jahre finanziell übernommen haben und sich sportlich die letzten Jahre nur noch selten überhaupt für die Champions League qualifiziert haben.
    Es ist einfach nur noch zum heulen, wie einige mächtige Funktionäre, die oft gar nichts mit dem Fußball zu tun haben, den geliebten Sport von Millionen von Menschen ruinieren, nur um sich noch nur mehr Geld in den eigenen Hals stecken zu können. Der Profifußball ist schon lange auf der Intensivstation, aber mit dieser neuen Liga wäre er endgültig gestorben.

    • Sie haben ja sowas von recht, Ball. Das Szenario wird vermutlich aber noch düsterer : dieser „Superliga“ sind Fans dann wohl eh‘ schnuppe! Diese Liga wird dermaßen im Geld schwimmen, dass „normale“ Fans im Stadion überhaupt keine Rolle spielen. Desweitern könnte die Übertragung der Begegnungen im TV von der Superliga in eigener Regie und möglicherweise sogar gratis erfolgen ( Heutzutage ist das ja gang und gäbe durch sog. Streamingdienste, welches schon von vielen Anbietern erfolgt. Sky und andere Fußball-Sendern gingen pleite…

    • Pensionierter Bauer

      Im Prinzip stimmt das, was Sie sagen, aber es geht durchaus noch um die Fans.
      Es geht zwar nicht mehr um die Gefühle der Fans, aber sehr wohl noch darum deren Brieftasche zu leeren.
      Es ist genau wie @Panda46 es sagt: Angebot und Nachfrage. Und solange es Leute gibt, die sich für so etwas das Geld aus der Brieftasche ziehen lassen, so lange werden die Geldmagnaten im Fussball die Korken knallen lassen.

  3. Keutgen Leo

    Eine solche Liga würde zu einer derartigen Wettbewerbsverzerrung (noch mehr als Champions-League jetzt schon), dass alle anderen Klubs „leergekauft“ würden.
    Diese Vereinen gehören aus der UEFA ausgeschlossen … (Ich würde die sogar aus den nationalen Ligen ausschließen)

    • Alles nur heiße Luft.
      Die UEFA ist doch dran die Champions League zu reformieren. Damit wollen diese Klubs doch nur die UEFA zu ihren Gunsten unter Druck setzen. Wie sie es schon bei den letzten Reformen getan haben.

  4. Aufwachen!

    Hallo Fans und Stadionbesucher! jetzt seit ihr dran! Geht nicht mehr hin, dann hört dieser Spuk schnell auf!
    Ein Fussballspiel ohne Fans im Stadion ist ein Trauerspiel!
    Daher, kauft keine Tickets mehr! Und ganz einfach abwarten! Wetten das…..

    • ?aufwachen?

      Sorry aber die Stadien sind seit Monaten leer?
      Die Herren Profis werden getestet was das Zeug hergibt. Kostet den Herrschaften das eigentlich was?
      Aber der kleine Belgier zahlt jeden Test.
      Die verdienen um ein Vielfaches, haben Privilegien ohne Ende.
      Wenn man was ändern will, schaut einfach kein Fußball mehr im TV, nur es nützt nichts wenn es Tausend Leute machen, aber wohl wenn alle zusammen mit machen.
      Oh und das klappt sowieso nicht. Siehe unser Alltag

  5. Eigentlich war der Anfang vom Ende das Bezahl TV . Die Fans haben fleißig Abbos gekauft und damit das Ende ( im Sinne von „Ehrlichen“ Sport , soweit es den noch gab) selbst besiegelt. Jetzt zu weinen, dass jemand kommt der noch mehr Geld bietet ist heuchlerisch. Ein vielleicht etwas übertriebenes Wort aber zum Vergleich; wenn ich mir ein schnelles Auto kaufe um vor allen anderen am Strand zu sein um mir einen guten Liegestuhl zu sichern, dann darf ich mich nicht wundern wenn jemand mit einem noch schnelleren Wagen diesen wegnimmt.

  6. Der Fußball hat sich sein eigenes Grab geschaufelt.
    Spätestens nach 2 Monaten interessiert diese Super-League keinen einzigen Fan mehr. Oder glaubt echt jemand, dass eine Partie Tottenham – AC Milan oder Atletico – Chelsea so unwiderstehlich sind.
    Die Gehälter der nimmersatten Kicker hingegen werden sich nochmals deutlich erhöhen. Auch eine Sperrung für die eigene Nationalmannschaft wird die Spieler nicht daran hindern. Es zählt nur die eigene Tasche.
    In den vergangenen 20 Jahren hat es so viele „Reformen“ gegeben, und jedes Mal hat der Fußball an Attraktivität eingebüßt.
    Ich habe dem Fußball schon lange den Rücken gekehrt.

  7. Alfred KOHNEN

    Angefangen hat alles 1992 mit der Champions League.Ich habe diesen Dreckswettbewerb immer boykottiert!Solange es Vollidioten gibt,die sich mit der Elite identifizieren…kann es nur noch schlimmer werden!Jetzt heulen oder jammern ist der Gipfel dedr Scheinheiligkeit!

  8. @ Herr Kohnen

    Mag sein 1992, jedoch war es damals noch in Ordnung.
    Als jedoch der Pokalsiegerwettbewerb abgeschafft wurde um die CL zu finanzieren begann die Geldmaschine in der CL mit mehreren Klubs aus demselben Land!!!
    Obwohl ich noch die Möglichkeit über Kabe l2 Spiele im Free TV zu schauen nutze ich dies kaum mehr.
    Ich glaube nach wie vor dass es nicht dazu kommen wird, jedoch vermisse ich bei Ceferin Verhandlungsgeschick. Diese Drohungen….

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