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Erstmals ein Gefangener in den USA mit Stickstoff hingerichtet

23.01.2024, USA, Montgomery: Fast hundert Demonstranten versammeln sich vor dem State Capitol, um Gouverneur Ivey aufzufordern, eine geplante Hinrichtung zu stoppen. Das Oberste Gericht der USA hat es abgelehnt, die geplante Hinrichtung mit Stickstoff zu stoppen. Foto: Mickey Welsh/The Montgomery Advertiser/AP

Menschenrechtsexperten warnten vor einem möglicherweise grausamen Tod für Kenneth Eugene Smith. Seine Anwälte zogen bis vor den Supreme Court, um seine Hinrichtung zu stoppen. Erfolglos. Nun wurde er mit Hilfe von Stickstoff exekutiert.

In den USA ist erstmals ein zum Tode verurteilter Mensch mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet worden. Der wegen Mordes verurteilte 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith wurde am Donnerstagabend (Ortszeit) in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama mittels sogenannter Stickstoffhypoxie exekutiert, wie Alabamas Justizminister Steve Marshall im Anschluss mitteilte. Die Hinrichtungsmethode sei nicht nur in den USA, sondern weltweit erstmals zum Einsatz gekommen, erklärte Marshall.

Bei der Prozedur bekommt der Betroffene über eine Gesichtsmaske Stickstoff zugeführt – die Folge ist der Tod durch Sauerstoffmangel. Menschenrechtsexperten hatten vorab beklagt, die Methode sei ungetestet und Smith könnte einen grausamen Tod sterben, der womöglich Folter gleichkomme. Alle Versuche seiner Anwälte, die Exekution aufzuhalten, waren jedoch erfolglos.

07.10.2002, USA, Atmore: Blick in Alabamas Kammer für Hinrichtungen mit tödlicher Injektion in der Holman Correctional Facility (Justizvollzugsanstalt). Foto: Dave Martin/AP/dpa

Hingerichtet wurde Smith in einem Gefängnis in der kleinen Stadt Atmore in dem Bundesstaat im Süden der USA. Nach Angaben von Marshall dauerte die Prozedur weniger als 30 Minuten.

Bei der Exekution waren nur wenige Medienvertreter als Beobachter zugelassen, darunter eine Reporterin des regionalen Fernsehsenders WHNT. Ihr zufolge sagte Smith kurz vor seinem Tod: „Heute Abend hat Alabama die Menschheit dazu gebracht, einen Schritt zurück zu machen.“ Und weiter: „Ich gehe mit Liebe, Frieden und Licht.“ Die Reporterin berichtete weiter, mit dem Start der Stickstoffzufuhr habe Smith begonnen, sich zu winden und zu zittern. Mehrere Minuten lang habe er schwer geatmet, bevor schließlich keine Atemzüge mehr zu beobachten gewesen seien.

Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde sagte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden und entspreche dem Forschungsstand zu Stickstoffhypoxie.

– Vergebliche Rettungsversuche: Dass die Inhalation von reinem Stickstoff keine schwerwiegenden Leiden verursacht, halten Experten der Vereinten Nationen allerdings für nicht wissenschaftlich bewiesen. Sie hatten gravierende Bedenken angemeldet, ebenso wie verschiedene Menschenrechtsorganisationen.

25.01.2024, USA, Atmore: Aktivisten, die sich gegen die Todesstrafe aussprechen, platzieren Schilder entlang der Straße, die zur Holman Correctional Facility in Atmore führt. Foto: Kim Chandler/AP

Smiths Anwälte hatten bis zuletzt versucht, die Hinrichtung zu stoppen. Doch weder die zuständigen Gerichte in Alabama noch der Oberste US-Gerichtshof waren ihren Gesuchen gefolgt. Demonstranten hatten in den vergangenen Tagen auch die Gouverneurin von Alabama, Kay Ivey, aufgefordert, noch zu intervenieren – auch das vergeblich.

Alabamas Justizminister Marshall tat all das als Druckkampagnen von Aktivisten ab, die die Todesstrafe ablehnten und ignorierten, dass die neue Methode „human und effektiv“ sei. „Alabama hat etwas Historisches erreicht“, verkündete er. Trotz der internationalen Bemühungen von Aktivisten, das Justizsystem zu untergraben und Opfern abscheulicher Morde die ihnen zustehende Gerechtigkeit zu verweigern, biete Alabamas „bewährte Methode“ nun eine Blaupause für andere Staaten.

– Eine Tat vor 35 Jahren: Die Geschichte des Falls Smith reicht weit zurück. 1988 hatte sich der damals 22-Jährige im Gegenzug für die Zahlung von 1.000 US-Dollar auf einen Auftragsmord eingelassen. Opfer war die Ehefrau des Auftraggebers, der sich eine Woche nach der Tat selbst das Leben nahm. Smith und zwei Mittäter wurden gefasst – einer bekam eine lebenslange Haftstrafe, der andere wurde 2010 mittels Giftspritze hingerichtet.

23.01.2024, USA, Montgomery: Randall Padgent (l-r), Gary Drinkard und Ron Wright, ehemalige Todestraktinsassen, die entlastet wurden, sind unter den fast hundert Demonstranten, die sich vor dem State Capitol versammeln, um Gouverneur Ivey aufzufordern, eine geplante Hinrichtung zu stoppen. Das Oberste Gericht der USA hat es abgelehnt, die geplante Hinrichtung mit Stickstoff zu stoppen. Foto: Mickey Welsh/The Montgomery Advertiser/AP

Smith hatte im Prozess gegen ihn zwar zugegeben, er sei bei der Tat anwesend gewesen. Er beteuerte aber, sich an der tödlichen Attacke selbst nicht beteiligt zu haben. Nach einem Berufungsverfahren sahen die Geschworenen 1996 eigentlich eine lebenslange Haftstrafe für ihn vor, doch der zuständige Richter setzte sich damals darüber hinweg. Das Gesetz, das dies erlaubte, schaffte Alabama erst 2017 ab – als letzter US-Bundesstaat.

– Ein gescheiterter Hinrichtungsversuch zuvor: Eigentlich sollte Smith bereits 2022 hingerichtet werden – ebenfalls per Giftspritze. Dem Gefängnispersonal gelang es damals aber nicht, die dafür nötige Kanüle in seinen Arm zu legen. Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf dem Exekutionstisch lag, wurde er wieder in seine Zelle gebracht. Nach jenem ersten Hinrichtungsversuch wurde Smith eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert.

Weder den gescheiterten Versuch noch die Bedenken mit Blick auf die neue Methode werteten Gerichte jedoch als ausreichend, um die Stickstoff-Hinrichtung zu stoppen. Smiths Anwälte scheiterten mit verschiedenen Anträgen vor mehreren Gerichten bis hin zum Obersten Gerichtshof des Landes.

Der Supreme Court wies noch in letzter Minute am Donnerstagabend einen weiteren Eilantrag ab. Der Beginn der Hinrichtung verzögerte sich, weil die Verantwortlichen auf eben diese Entscheidung warteten. Doch auch der letzte juristische Rettungsversuch von Smiths Anwälten scheiterte. Sie hatten argumentiert, dass er zu einer Art Testkandidat würde und noch viel zu viele Fragen zu dem neuartigen Prozedere offen seien.

Die Todesstrafe gibt es in den USA heute noch beim Militär, auf Bundesebene sowie in 27 Bundesstaaten, wobei sie in mehreren dieser Staaten de facto nicht mehr vollstreckt wird. Die zugelassenen Methoden variieren von Bundesstaat zu Bundesstaat.

Die mit Abstand am häufigsten angewandte Methode ist heutzutage die Exekution mit der Giftspritze. Stickstoffhypoxie ist außer in Alabama nur in den Bundesstaaten Oklahoma und Mississippi erlaubt. Eingesetzt wurde die Methode dort bislang nie. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgendes Video:

9 Antworten auf “Erstmals ein Gefangener in den USA mit Stickstoff hingerichtet”

  1. Einfach erbärmlich! Und der Auftraggeber für den Auftragsmord vor 36 Jahren kommt davon?
    Abgesehen davon, das ich die Todesstrafe nicht mehr für zeitgemäß halte, den Mann auch noch nach so langer Zeit hinzurichten.

  2. Robin Wood

    Eine zivilisierte Nation übt die Todesstrafe aus – kein Mensch hat das Recht über das Leben eines anderen zu entscheiden. Angemessene Strafen bei Straftaten und für immer wegsperren bei Mord, ja – zur Sicherheit der anderen.
    Wenn man sich aber mal anschaut, was so alles in angeblich zivilisierten Nationen vor sich geht, da graust es einen.

    • @Robin Wood
      Da haben Sie vollkommen recht.
      Aber jetzt mal eine Frage:
      Wie steht es eigentlich mit den Opfern?Hatten sie,eine Wahl bevor man sie getötet hat?
      Wie sie schon schrieben,-…….kein Mensch hat das Recht,über das Leben eines Anderen zu entscheiden.
      Jetzt mal rein Hypothetisch,wenn man einen Angehörigen von ihnen ((was hoffentlich NIE passiert) bewusst aus dem Leben…
      Würden sie dann auch noch so denken?
      Oder zu dem Bibelspruch tendieren:
      Auge um Auge,Zahn um Zahn.
      Es ist immer einfacher , zu entscheiden,wenn es einen nicht selbst betrifft.
      War mir einfach ,einen Gedankengang wert.
      Mfg.“Nur so“

      • Robin Wood

        @Nur so
        Gute Frage. Nein, die Opfer haben keine Wahl, es ist eine Entscheidung des Mörders und daher muss er bestraft werden. Eine auf jeden Fall eine schwierige Situation. Ja, ich würde wollen, dass die Person, die einen meiner Lieben umbringen würde, lebenslang ins Gefängnis käme. Nie wieder dürfte ein anderer Mensch durch die Hand dieses Mörders sterben dürfen. Ich würde ganz sicher grossen Hass für den Mörder empfinden, aber zu wissen, dass er sein Leben nicht mehr frei leben könnte, würde mir Hoffnung und Kraft geben und die Gewissheit, dass er nie wieder morden könnte. Voraussetzung hier natürlich, dass er dann keinen Freigang bekäme – wir kennen ja unsere Justiz. Lebenslänglich heisst bei uns ja auch nicht bis zum Ende des Lebens.

        Hoffen wir, dass nie einer unserer Familienmitglieder/Freunde in eine solche Situation kommt.

        Der Richter kann zum Tode verurteilen, vollstreckt das Urteil aber nicht selbst, dies muss ein anderer machen. Ich könnte das nicht.

  3. @Robin Wood
    Vielen Dank, für Ihre kompetente und ehrliche Antwort.
    Natürlich,kann man solch ein Vorgehen,aus mehreren Perspektiven sehen.
    Am Ende,wird sich jeder,seine eigene Meinung bilden.
    Vielen Dank jedenfalls,es hat mir wieder mal gezeigt,das es nicht schadet,auch mal die „Sache“ aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
    Schönen Abend noch:“Nur so“

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