Politik

Türkei in Aufruhr: Zehntausende protestieren gegen Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu

29.03.2025, Türkei, Istanbul: Demonstranten rufen Slogans während einer Kundgebung der Republikanischen Volkspartei (CHP) gegen die Verhaftung des Bürgermeisters von Istanbul. Foto: Francisco Seco/AP/dpa

AKTUALISIERT – Nach der Festnahme von Bürgermeister Ekrem Imamoglu fordern Demonstrierende in Istanbul seine Freilassung. Die CHP verlangt vorgezogene Wahlen.

In Istanbul protestieren Zehntausende Menschen bei einer Kundgebung gegen die Inhaftierung des abgesetzten Bürgermeisters Ekrem Imamoglu. Einem Aufruf seiner CHP-Partei folgend versammelten sie sich im Stadtteil Maltepe, schwenkten Türkei-Fahnen und forderten die Freilassung des populären Politikers.

Imamoglu sei verhaftet worden, weil er sich dem „Diktator“ widersetzt habe, sagte der CHP-Vorsitzende Özgür Özel an die Menge gerichtet. Der Ort für Widerstand sei die Straße.

– Aussichtsreicher Erdogan-Herausforderer: Imamoglu gilt als der wichtigste Herausforderer von Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei der für 2028 geplanten Präsidentschaftswahl und wurde am 19. März in Zusammenhang mit Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen, später wegen ersterem verhaftet und abgesetzt.

29.03.2025, Türkei, Istanbul: Anhänger skandieren Slogans und schwenken türkische und CHP-Parteifahnen während einer Kundgebung gegen die Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu in Istanbul. Foto: Francisco Seco/AP/dpa

Der 53-Jährige wird im Hochsicherheitsgefängnis Marmara in Istanbul festgehalten. Trotz seiner Verhaftung wurde er vergangene Woche als Kandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP) nominiert.

An der friedlichen Demonstration am Vorabend des muslimischen Zuckerfests nahmen neben Imamoglus Familie auch die Familien von im Zuge der Proteste Verhafteten teil.

Laut türkischem Innenministerium wurden seit Beginn der Proteste fast 1.900 Menschen festgenommen, unter ihnen mehrere Journalisten. 260 Menschen wurden verhaftet. In einer ersten Anklageschrift fordert die Istanbuler Staatsanwaltschaft bis zu drei Jahre Haft für 74 der Demonstranten wegen der Teilnahme an verbotenen Versammlungen, wie der Staatssender TRT berichtet.

Erdogan behauptet, die Inhaftierung von Imamoglu und mehreren seiner Mitarbeiter sei Teil einer unabhängigen Untersuchung und wirft der CHP vor, ein landesweites Korruptionsnetzwerk vertuschen zu wollen. Er drohte damit, weitere Korruption innerhalb der CHP aufzudecken, und kündigte ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten an.

Der Polizei werden vonseiten der Opposition Foltervorwürfe gemacht. Innenminister Ali Yerlikaya schrieb auf der Plattform X, es seien Verbindungen zu zwölf verschiedenen Terrororganisationen bei den Festgenommenen festgestellt worden. Die meisten der Festgenommenen sind Anwälten zufolge Studenten. (dpa)

Was Absetzung von Istanbuls Bürgermeister bedeutet [Fragen & Antworten]

Die Türkei erlebt die schwerste politische Krise seit Jahren: Nach der Inhaftierung Imamoglus gehen etliche Menschen auf die Straße. Folgt härtere Repression – oder verändert der Widerstand das Land?

Die Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters und wichtigsten Kontrahenten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hat die Türkei in eine Krise gestürzt. Tausende gehen seit der Festnahme Ekrem Imamoglus auf die Straße für Demokratie – aber zunehmend auch immer mehr gegen die Regierung. Täglich werden die Demonstrationen größer. Die Regierung verurteilt die Proteste mit scharfer Rhetorik und spricht von „Straßenterror“. Wohin steuert das Land?

– Wer ist Imamoglu und wieso wurde er verhaftet?

Der Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu wurde am Sonntag inhaftiert und als Bürgermeister der politisch und wirtschaftlich bedeutendsten Metropole des Landes, Istanbul, abgesetzt. Der 2024 mit 51 Prozent der Stimmen wiedergewählte Imamoglu gilt zudem als gefährlichster Kontrahent Erdogans bei einer kommenden Wahl. Die regulären nächsten Wahlen sollen 2028 stattfinden.

06.03.2024, Türkei, Istanbul: Fähren fahren über den Bosporus und verbinden die europäische Seite, oben und unten, mit der asiatischen Seite, oben rechts, von Istanbul. Foto: Emrah Gurel/AP/dpa

Wer Istanbul regiert, regiert die Türkei, lautet ein geflügeltes Wort in der Türkei, das die Bedeutung der Stadt beschreibt. Gegen den am Sonntag zum Präsidentschaftskandidaten der größten Oppositionspartei CHP bestimmten Politiker wird wegen Korruption und Terrorismus ermittelt. Sollten diese nicht aufgehoben werden, ist eine Kandidatur zum Präsidenten quasi ausgeschlossen. Imamoglu weist alle Vorwürfe zurück.

Auch in einer Reihe weiterer Verfahren, die Kritiker als politisches Vorgehen kritisieren, drohen ihm Politikverbote. Die Regierung weist die Vorwürfe, die Ermittlungen dienten ihrem politischen Vorteil, strikt von sich. Die Justiz nehme von niemandem Befehle entgegen, sagte Justizminister Yilmaz Tunc. Imamoglu wurde vergangene Woche auch sein Universitätsabschluss aberkannt – auch der ist Voraussetzung für eine Präsidentschaftskandidatur.

– Wie reagiert die Regierung auf die Proteste?

Die weitestgehend friedlichen Proteste im Land wachsen von Tag zu Tag. Auch in vermeintlichen AKP-Hochburgen und dem kurdischen Südosten nimmt der Protest zu. Imamoglus Partei will den Protest so lange fortsetzen, bis ihr Parteifreund wieder auf freiem Fuß ist, sagen sie. Tragende Säule der Proteste sind in Istanbul und Ankara besonders Studenten. Immer wieder kommt es besonders bei den abendlichen Protesten zu Zusammenstößen. Bilder im Netz zeigen teilweise brutales Vorgehen von Seiten der Polizei gegen Demonstrierende.

31.01.2025, Türkei, Istanbul: Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu spricht zu seinen Anhängern vor dem Istanbuler Gerichtsgebäude. Foto: Emrah Gurel/AP/dpa

Beobachter befürchten, dass die Regierung in den kommenden Tagen mit mehr Härte gegen den Protest vorgehen werde. Diese wirft der Opposition vor, die Straßen ins „Chaos“ stürzen zu wollen. In Istanbul, Izmir und Ankara etwa sind jegliche Demonstrationen verboten.

Am Montag ging die Regierung mit einer Welle von Verhaftungen unter anderem gegen Journalisten vor. Organisationen beklagen zudem Zensur im Netz, mit dem die Regierung gegen Kritiker vorgehe.

– Was bedeutet das für die politische Landschaft in der Türkei?

Experten sehen die Türkei an einem Scheidewege zwischen Autoritarismus und Demokratie. Eine derart große Protestbewegung, die sich für Demokratie und eine unabhängige Justiz starkmacht, hat es in der Türkei trotz massiver Rechtseinschränkungen seit Jahren nicht gegeben.

Kaum jemand bezweifelt, dass politisches Kalkül der Erdogan-Regierung hinter dem Vorgehen gegen seinen größten Kontrahenten steckt. Die Absetzung eines mit 4,5 Millionen Stimmen gewählten Politikers und das Vorgehen gegen zahlreiche weitere Menschen in Verbindung mit Korruptions- und Terrorermittlungen ist ein beispielloser Vorgang, der von Beobachtern als Verschärfung autoritärer Tendenzen gewertet wird, sollte der Protest dagegen keine Wirkung zeigen.

Die Inhaftierung Imamoglus steht auch für eine weitere Einschränkung der Wahlen, die als frei, aber nicht als fair gelten.

– Wieso wird jetzt gegen Imamoglu vorgegangen?

23.03.2025, Türkei, Istanbul: Beamte der Bereitschaftspolizei stoßen mit Demonstranten zusammen, nachdem der Bürgermeister von Istanbul, Ekrem Imamoglu, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurde. Foto: Francisco Seco/AP/dpa

Während die Regierung die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei verteidigt, wird das Vorgehen von vielen als kalkulierten Zug betrachtet. Das Land und besonders Erdogan sieht sich international angesichts der Schlüsselposition des Landes in vielen Konflikten in einer massiv gestärkten Position.

Im Ukraine-Krieg ist Erdogan einer der wenigen Politiker, der sowohl einen guten Draht zu dem russischen als aus zu dem ukrainischen Präsidenten hat. In Syrien ist die Türkei nach dem Sturz von Baschar al-Assad einer der wichtigsten ausländischen Akteure. Zudem kann Ankara seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump auch mit weniger Kritik aus den USA rechnen.

Einige Beobachter sehen das harte Vorgehen gegen die Opposition nun auch als Zeichen für Neuwahlen. Erdogan darf laut geltender Verfassung beim regulären Wahltermin 2028 kein weiteres Mal als Präsidentschaftskandidat antreten – es sei denn, das Parlament stimmt für vorgezogene Wahlen.

Erdogans Partei und ihre Regierungspartner bräuchten dazu allerdings Stimmen von anderen Parteien – etwa von der prokurdischen Dem-Partei, die am Kopf einer neuen Friedensinitiative zwischen PKK und türkischen Staat steht. Erdogan könne sich mit der Aussicht auf eine Beendung des jahrzehntelangen Konflikts Unterstützung für den Weg zu einer erneuten Kandidatur sichern wollen. (dpa)

35 Antworten auf “Türkei in Aufruhr: Zehntausende protestieren gegen Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu”

  1. delegierter

    Wie kann es sein, daß man noch korrupter ist als Erdowahn ? Wer 22 Jahre an der Macht ist und nicht von selber geht, der ist wohl so dem System so verfallen und drin gefangen daß er nicht von alleine da rauskommt.

        • Peter S.

          Alibaba wohnt also in Deutschland. Oder ist er einer von diesen „Belgiern“, die nur deutsches Fernsehen gucken und dann das dort Gesehene irgendwie auf Belgien projizieren?

          Nebenbei ist das Gehetze gegen Habeck und Scholz vollkommen substanzlos.

          • Peter S

            Weder lebe ich in Deutschland noch lasse ich mich vom Fernsehen manipulieren – aber das scheint eher Ihr Fall zu sein. Ich habe andere Interessen. Übrigens, Belgien und Europa sind wirtschaftlich vor allem von der BRD abhängig.
            Habeck hat auf Grundlage von gefälschten Tatsachen – also illegal – Atomkraftwerke geschlossen und die BRD damit in eine tiefe wirtschaftliche Krise gestürzt. Dabei hat er nachweislich Vetternwirtschaft betrieben. In einer echten Demokratie wäre dieser Mann längst vor Gericht verurteilt worden. Wenn Sie so naiv sind und die Ausrede des Ex-Kanzlers Scholz „Ich kann mich an nichts erinnern“ als Entschuldigung akzeptieren, dann sind Sie selber schuld. Es geht hier schließlich um den größten Steuerraub in der Geschichte der BRD – und bei solchen Vorwürfen kann Donald Trump wirklich einpacken.
            Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass die Wahlsieger Klingbeil und Esken einer terroristischen Bande angehören. Ach, und vielleicht sollten Sie sich auch mal die 551 offenen Fragen zur Finanzierung der NGOs anschauen. Ein unfassbar tiefer Sumpf aus Korruption, Betrug und Demokratiefeindlichkeit, der seinesgleichen sucht.

        • Alibaba, „die gleichen Halunken…“, Sie kennen wie immer die wirklich wahre Wahrheit: Scholz hat nach dem Erdogan-Muster Merz einfach verhaften lassen und bleibt nun Kanzler. Und das Schlimme ist, dass wir das jetzt von Ihnen erfahren müssen, weil die ganze Lügenpresse das verschweigt und nach Art einer Verschwörung so tut, als sei Merz in Freiheit und würde sogar Kanzler werden.

      • In der Türkei wird es ja schon bald so schlimm wie in Deutschland 🇩🇪. Erinnert mich daran , als Merkel die Landtagswahlen rückgängig machte weil ihr das Ergebnis nicht passte….

        • Karli Dall

          @Alibaba
          Die damalige Kanzlerin, A. Merkel, hatte aus Südafrika angerufen und verlangt, dass die Wahl des FDP-Politikers Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen rückgängig gemacht werden müsse.
          Dies hätten Erdogan, Putin – wer auch immer – nicht besser machen können.

            • Alibaba“… als Merkel die Landtagswahlen rückgängig machte“.
              Landtagswahlen = die Wähler wählen den Landtag. Niemand hat die Landtagswahlen rückgängig gemacht. Etwas mehr politische Bildung täte gut.

              • @ Chips
                tun Sie nicht so, als wären Sie dümmer, als Sie sind. Ich habe diese undemokratische Farce lediglich verkürzt und auf den Punkt gebracht – aber wenn Ihnen die schonungslose Wahrheit nicht schmeckt, kann ich sie auch in Watte packen

                • Ihre Beschimpfungen kommentiere ich nicht. Aber es handelt sich bei Ihrer Aussage nicht um eine „Verkürzung“ (und was genau soll das sein?), sondern absolut um eine Falschmeldung. Landtagswahl ist ein fester Begriff. Wenn man etwas anderes meint, soll man nicht von Landtagswahl schreiben.

                  • Chips,

                    Sie sind wirklich ein Meister—ein Meister der Doppelmoral. Erst beleidigen Sie die Foristen, aber sobald es Ihnen selbst an den Kragen geht, fangen Sie an zu jammern. Und dann klammern Sie sich verzweifelt an eine verkürzte Darstellung einer Tatsache, weil Sie offenbar nicht in der Lage sind, inhaltlich dagegen zu argumentieren.
                    Das ist nicht nur peinlich, sondern geradezu bemitleidenswert. Aber was will man auch erwarten? Typisch für Ihre linksradikale Gesinnung—große Töne spucken, aber sobald es ungemütlich wird, den Moralapostel spielen.

  2. Robin Wood

    Ich finde es gut und wichtig, dass die Menschen gegen die Verhaftung auf die Strasse gehen und dass darüber im Ausland berichtet wird. Ob sich Erdogan allerdings davon beeindrucken lässt…?
    Am Wochenende gab es in allen 16 Bundesländern Deutschlands auch Demos für Frieden und gegen die Mega-Schulden von Merz und SPD. Diese Berichterstattungen habe ich wohl übersehen?

    • Natürlich lässt sich Erdogan nicht von den Protesten beeindrucken. Er ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Putin oder andere Diktatoren. Politische Gegner lässt er verhaften und die Opposition macht er seit Jahren mundtot. Auf diese Weise halten sich diese Tyrannen jahrelang an der Macht.

  3. besserwisser

    Alles nur Volksaufhetze, die T^üken sind freundliche Menschen und ich werde weiterhin dort gerne Urlaub machen, kommt was kommt……….

    Die Zukunft der Türken wird sich demokratisch ändern, die sind doch nicht Blöd

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