Politik

Die Coronakrise und die EU: Toskanischer Bürgermeister schreibt an Kanzlerin Merkel

Das Mahnmal von Sant'Anna di Stazzema. Foto: Shutterstock

Der Bürgermeister des italienischen Ortes Stazzema, in dem es 1944 ein Nazi-Massaker gab, und der dortige Friedenspark haben an Kanzlerin Angela Merkel appelliert, sich in der Corona-Krise stärker für Europa einzusetzen.

Das nächste Opfer von Covid-19 wird Europa sein, wenn es keine Solidarität mehr zwischen den Staaten gibt», steht in einem Schreiben aus Italien. Bürgermeister Maurizio Verona sagte der dpa am Samstag am Telefon: „Viele Deutsche stehen unserem Ort sehr nahe, und ihnen geht unsere Geschichte zu Herzen.“

Doch derzeit sei er ernsthaft besorgt, dass im Streit um Hilfsgelder der EU das ökonomische Denken stark Überhand nehme. „Unser Schreiben an Kanzlerin Merkel soll eine Einladung sein, das Soziale in der EU nicht zu vergessen“, sagte der sozialdemokratische Politiker.

09.04.2020, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt eine Pressekonferenz. Foto: Markus Schreiber/AP POOL/dpa

In dem Schreiben wird der Widerstand Berlins und anderer Länder gegen von Italien vehement geforderte gemeinsame europäische Anleihen, genannt Corona-Bonds, kritisiert. Es heißt über die Entwicklung in der EU: „Wir sind wieder Italiener und Deutsche geworden und keine Europäer mehr.“ Der Brief sei in „Vertretung des Nationalen Friedensparks und der Opfervereinigung von Sant’Anna di Stazzema, zu der die Überlebenden und Angehörigen der Opfer gehören“, verfasst.

In dem toskanischen Bergdorf Sant’Anna di Stazzema hatten SS-Soldaten im Zweiten Weltkrieg, am 12. August 1944, mehr als 500 Menschen umgebracht, darunter viele Frauen, Kinder und Alte.

Italien ist mit inzwischen mehr als 19.000 Toten besonders hart von der Covid-19-Krankheit getroffen. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

33 Antworten auf “Die Coronakrise und die EU: Toskanischer Bürgermeister schreibt an Kanzlerin Merkel”

  1. Johann Klos

    Jetzt könnte man an dieser Stelle einen ellenlangen Aufsatz schreiben – überlasse ich anderen.

    Nur so viel,

    Die Misswirtschaft in Lãndern wie in Italien und auch Belgien datiert nicht von gestern. Akzeptieren solche Staaten nach Einführung dieser EU Bonds dann auch ihre sozialen und andere Leistungen nach den Richtlinien der “ vorbildsstaaten “ anzupassen oder sucht man nur ein paar Dumme.

    • mehrWUTStropfen

      @Johann Klos

      „Akzeptieren solche Staaten nach Einführung dieser EU Bonds dann auch ihre sozialen und andere Leistungen nach den Richtlinien der “ vorbildsstaaten “ anzupassen…“

      – Soziale Leistungen anpassen? In welcher Hinsicht? Etwa noch mehr Kürzungen im Gesundheitswesen? Abbau von Krankenbetten? Schließungen von „unrentablen“ Abteilungen oder von ganzen Krankenhäusern?

      – Welche Staaten sind denn Ihrer Ansicht nach “ vorbildsstaaten “ ? Etwa Deutschland mit seinem innereuropäischen Lohndumping und dem größten Niedriglohnsektor in Europa?
      WOW, tolles Vorbild….

  2. Sebastien Mertens

    Es gebietet die europäische Solidarität, in Krisenzeiten einander beizustehen, daher befürworte ich zielgerichtete Finanzhilfen an Italien und Spanien.
    Eine Vergemeinschaftung von Schulden durch die Einführung sog. „Corona-“ bzw. „Euro-Bonds“ kann jedoch m.E. keine Lösung sein.
    Wenn ich ein Geschäft eröffne und dazu eine Hypothek aufnehme, muss ich diese in voller Höhe und mit Zinsen zurückzahlen.
    Was für Kleinunternehmer gilt, sollte für Staaten ebenso gelten.

  3. „Wenn ich ein Geschäft eröffne und dazu eine Hypothek aufnehme, muss ich diese in voller Höhe und mit Zinsen zurückzahlen.
    Was für Kleinunternehmer gilt, sollte für Staaten ebenso gelten.“
    Sie wären dann auch bereit zu arbeiten!
    Diese Faulenzer versuchen es lieber mit betteln als mit Arbeit!

  4. Ich würde die Südländer ungern als Faulenzer bezeichnen, ihr Lebensstil ist halt ein anderer.
    Dadurch war vorherzusehen, dass sie mit einem harten Euro so ihre Schwierigkeiten haben würden.

    Auch ich hätte Bauchweh, wenn wir über momentan nötige Hilfen hinaus deren Schulden übernehmen würden. Bei uns kann man bald bis 70 arbeiten, um dem Franzosen die Rente mit 63 zu finanzieren. Das kann so nicht sein.
    Und die Nazikeule könnt ihr getrost wieder einpacken. Das funktioniert nicht mehr!

    • Guido Scholzen

      Wenn es in einer politischen Diskussion keine sinnvollen Argumente mehr gibt, dann wird die Nazi-Keule aus der Mottekiste geholt.

      Die italienische Politik sollte nicht vergessen, dass Mussolini als „Duce“ (ital. Führer) der beste Freund Hitlers war. Warum erinnern die sich nicht an die Waffenbruderschaft im 2.Weltkrieg, denn seit Corona „sind wir im Krieg“ (Zitat Präsident Macron)?
      Ach ja, dieser alte Krieg wurde ja verloren… Schwamm drüber.
      Und dass Truppen des Duces im Abessinien-Krieg seit 1935 Giftgas gegen Zivilisten eingesetzt haben (100.000 bis 300.000 Äthiopier wurden vergast), bevor die Nazis überhaupt daran dachten, die Juden zu vergasen, nein das dürfen wir im Geschichtsunterricht nicht erfahren.
      Italien als faschistisches Opfer? Und nun Italien als Corona-Opfer der Deutschen Politik? Lachhaft.

  5. Hans Eichelberg

    In dem Schreiben des Bürgermeisters wird der Widerstand Berlins und anderer Länder gegen von Italien vehement geforderte gemeinsame europäische Anleihen, genannt Corona-Bonds, kritisiert.

    Berlin und die anderen Ländern könnten sich durch Grundbuchbesicherte Bonds – besichert am Circus Maximus, Kolosseum…. – beteiligen.
    Wenn Sicherheiten gegeben werden, sollte dies kein Problem sein und die Polemik könnte entfallen.

    • Ihr Gedanke geht in die richtige Richtung. Um die Deutschen und andere die Coronabonds schmackhafter zu machen, könnten die Italiener öffentlichen und privaten Grundbesitz mit Zwangshypotheken in Höhe der Kreditsumme belasten. Ungefähr wie bei deutsche Rentenmark. Diese war auch grundstücksgesichert, weil das Deutsche Reich keine Goldreserven hatte für die Währungsstützung.

  6. Marcel Scholzen eimerscheid

    Coronabonds sind ein zweischneidiges Schwert. Hört sich gut an im ersten Moment. Diese Forderung nach mehr Solidarität. Coronabonds könnte man aber auch als Zeichen der Schwäche des Italienischen Staates betrachten bezüglich Rückzahlung der Staatsschulden. Besser als Coronabonds wäre dem italienischen Staat zu helfen, seine Staatsschulden neu zu strukturieren, (zb Laufzeitverlängerung der Anleihen) und so den italienischen Staat glaubwürdiger, handlungsfähiger als stärker zu machen. Also Hilfe zur Selbsthilfe. Insgesamt betrachtet ist Italiens Lage nicht so negativ. Es gibt viel Privatvermögen.

    Das Problem ist in Italien ist nicht so sehr die Staatsverschuldung, sondern die Regierungsführung. Es gibt einfach kein Konzept für die Zukunft. Das macht Italien unglaubwürdig. Singapur ist auch hoch verschuldet. Aber das interessiert keinen. Weil dieser Staat eben glaubwürdig ist.

  7. Marcel Scholzen eimerscheid

    Im Jahre 2009 hatte der US-Bundesstaat Kalifornien auch Finanzprobleme und bezahlte zeitweise mit Schuldscheinen (IOU auf Amerikanisch). Vielleicht auch eine Idee Italien.

  8. mehrWUTStropfen

    Von Starken und Schwachen, von Arroganz und Unwissen

    Wir sind die Starken, die anderen sind die Schwachen. Das deutsch-niederländische Mantra ist nicht nur arrogant, es ist dumm. Wer es ausspricht, zeigt nur, dass er nicht die geringste Ahnung vom Zusammenleben der Nationen hat.

    Die schwache Logik der „Starken“

    „Schwache“ und „Starke“ scheinen quasi naturgegebene Kategorien zu sein. Als schwach gelten die Länder, denen es nach der Finanzkrise von 2008/2009 nicht gelungen ist, ihre Staatshaushalte zu konsolidieren und ihre öffentliche Verschuldung zu verringern. Und das, obwohl ein Land wie Italien größere Sparanstrengungen unternommen hat als irgendein anderes europäisches Land. „Stark“ sind diejenigen, die, wie Österreich, die Niederlande und Deutschland, die „guten Zeiten“ genutzt haben, um sich auch für eine Notlage wie die gegenwärtige zu rüsten.

    Das alles, um es vollkommen klar zu sagen, ist die auf einen Tunnelblick verengte deutsche Sicht, die absolut nichts mit makroökonomischer Logik und daher nichts mit der Realität in der Europäischen Währungsunion (EWU) zu tun hat. Sie ist gleichzeitig ein beeindruckendes intellektuelles Armutszeugnis. Der dem zugrundeliegende Fehler ist die jahrelange Weigerung der deutschen Politik und der Masse der deutschen Medien, die Bedeutung und die Folgen der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse zur Kenntnis zu nehmen.

    Ob man nämlich die öffentlichen Defizite herunterfahren kann, hängt unter den heute weltweit gegebenen ökonomischen Umständen fast ausschließlich davon ab, ob man Leistungsbilanzüberschüsse aufbauen kann oder nicht.

    Genau an dieser Stelle gibt es eine logische Restriktion in Form eines Nullsummenspiels, weil nicht alle Länder der Welt gleichzeitig Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen können.

    https://makroskop.eu/2020/04/von-starken-und-schwachen-von-arroganz-und-unwissen/

    • Marcel Scholzen eimerscheid

      Richtige Analyse. Nur warum konnte Deutschland Überschüsse im Außenhandel erwirtschaften? Weil es der Europäische Binnenmarkt ermöglicht. Die können auf Teufel komm raus liefern ohne Risiko ohne Zollschranken. Dank Euro auch ohne Wechselkursrisiko. Im Prinzip paradiesische Zustände. Dazu kam eine „innere Abwertung“ in Form von Lohnzurückhaltung und gekürzten Sozialleistungen ( Hartz 4 etc). Deutschland hat eben seine Stärken komplett ausgespielt. Hat das beste aus der Situation gemacht. Aber das haben die Deutschen schon immer so gemacht.

      Der Fehler besteht darin, dass es keinen Ausgleichsmechanismus mehr zwischen den europäischen Staaten gibt seit der Einführung des Euro. Eine Abwertung der nationalen Währung geht nicht mehr. Die Ungleichgewichte sind größer geworden.

      Anstatt Coronabonds sollte man besser einen Mechanismus kreieren, der die Ungleichgewichte im Handel innerhalb Europas beseitigt. Da gibt es doch bestimmt Lösungen.

      Coronabonds lösen ja nicht die Probleme. Die vertagen nur die finanziellen Probleme. Der Brief dieses Bürgermeisters hört sich an, als wenn ein Kind nach seiner Mutter schreit.

    • Walter Keutgen

      mehrWUTStropfen , leider wieder mit Bezahlschranke. Auch wenn es eine Gratisprobezeit gibt. Wann gibt es endlich ein Abonnement, das es erlaubt alle Webseiten zu besuchen und ihnen ihre standardisierten Autorenrechte bezahlt.

      • mehrWUTStropfen

        Herr Keutgen, ich selber habe kein Abo auf makroskop.eu
        Bis auf Weiteres sind alle Artikel auf dieser Webseite kostenlos, ohne Anmeldung.
        Im blauen Fenster nach unten scrollen und auf „weiter zum Artikel“ klicken ;-)

    • Walter Keutgen

      peter Müller, statt mehrWUTStropfen hier einfach zurechtzustutzen, sollten Sie schon argumentieren. Leute, die etwas davon verstehen? Nun, da gibt es solche und solche, d.h. deren Meinungen gehen auseinander. Die Deutschen betrachten den Keynesianismus mit Argwohn, weil er nicht dem tugendhaften Sparerideal entspricht. Man darf aber nicht vergessen, dass die Deutschen wie die US-Amerikaner in die Rezession von 1930 getrudelt sind, die USA auch aber dank der Theorie Keynes‘, der sie nur halbherzig gefolgt sind, daraus heraus und den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Umgekehrt vergessen weltweit die Sozialdemokraten, dass Keynes‘ Theorie durchaus Rückzahlung von Staatsschulden in guten Zeiten vorsieht, was leider nie ganz gelingt, die Achillesferse seiner Theorie.

  9. Walter Keutgen

    Marcel Scholzen eimerscheid, für die Corona-Krise bleibe ich bei meiner Meinung, Solidarität kann sich nur durch Geschenke ausdrücken. Was soll das, die Hilfe zurückzahlen? Daran leidet auch Afrika. Coronabonds sind ein Trojanisches Pferd für Eurobonds.

    Exportüberschüsse sind rein mathematisch immer Nullsummenspiele. Der Maastrichter Vertrag sieht auch eine Begrenzung des Exportüberschusses auf 6% vor. Deutschland hat die unseligen Hartz-IV-Maßnahmen unter einer grün-sozialdemokratischen Regierung eingeführt, als es ausnahmsweise mal mehr importierte als exportierte. Um da noch die Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Lebensmitteln zu gewährleisten mussten legale EU-Maßnahmen erfunden werden, um billigste Erntehelfer und Schlachter aus dem Osten auf deutschem Boden arbeiten zu lassen. Wie wäre es, wenn EU-Strafzahlungen auch mal für diesen Teil des Maastrichter Vertrags angedroht würden? Vielleicht könnten viele Deutsche dann ein ihren Anstrengungen gemäßes, schönes Leben führen, statt dass andere, die es besser haben, drei Mal im Jahr auf Urlaub fliegen.

    • Marcel Scholzen eimerscheid

      Gute Idee :Strafzahlungen für zu große Exportüberschüsse. Genau wie für zu große Haushaltsdefizite. So eine Idee hatte schon Keynes. Stichwort Bancor.

      Eine andere Idee wäre, Urlaub in den stark betroffenen Staaten zu bezuschussen von der EU an 15 bis 20 % während 2 Jahren.

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