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Nach 40 Tagen im Dschungel: Kinder werden in einem Militärhospital versorgt – Wieder zu Kräften kommen

11.06.2023, Kolumbien, Bogotá: Kolumbiens First Lady Veronica Alcocer (l) und Sofia Petro (r), die Tochter des kolumbianischen Präsidenten, im Militärkrankenhaus bei einem der vier Kinder, die einen Flugzeugabsturz im Amazonasgebiet überlebten. Foto: --/Colombian Presidential Press Office/dpa

AKTUALISIERT – Nach dem Absturz ihres Flugzeugs mitten im kolumbianischen Regenwald schlagen sich vier Geschwister über einen Monat lang in der Wildnis durch. Früchte, Regenwasser und die Kenntnisse ihres indigenen Volkes haben sie gerettet. Jetzt müssen sie wieder zu Kräften kommen.

Nach der Rettung von vier wochenlang verschollenen Kindern aus dem kolumbianischen Regenwald werden die Geschwister im Militärhospital der Hauptstadt Bogotá versorgt.

„Angesichts der Umstände sind sie in einem akzeptablen Zustand“, sagte der Militärarzt Carlos Rincón Arango am Samstag. „Sie haben mehrere leichte Verletzungen und sind unterernährt. Wir machen jetzt eine Reihe pädiatrischer Untersuchungen und bringen sie wieder zu Kräften. Sie werden wohl zwei bis drei Wochen im Krankenhaus bleiben müssen.“

11.06.2023, Kolumbien, Bogotá: Kolumbiens Präsident Gustavo Petro, der Fidencio Valencia (vorne), den Großvater der geretteten Kinder, umarmt. Foto: –/Colombian Presidential Press Office/dpa

Suchtrupps hatten die Kinder am Freitag nach 40 Tagen im Regenwald im Süden des Landes gefunden. Sie waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine vom Typ Cessna 206 im Department Caquetá abgestürzt. Private Kleinflugzeuge sind in der unwegsamen Region oft die einzige Möglichkeit, größere Strecken zurückzulegen. Bei dem Unglück kamen die Mutter der Kinder, der Pilot und ein indigener Anführer ums Leben. Über einen Monat lang hatten Soldaten und Indigene in dem unwegsamen Gebiet nach den Geschwistern gesucht, bis sie gerettet wurden – und sich die erlösende Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete.

„Ich habe sie besucht. Sie sind sehr erschöpft, die Armen“, sagte der Großvater Filencio Valencia der Zeitung „El Tiempo“ am Samstag, nachdem er seine Enkel im Militärhospital in Bogotá getroffen hatte. „Sie schlafen. Sie sind unterernährt. Sie sind dünn, sehr dünn.“

Auch die Großmutter Fátima Valencia besuchte die Geschwister im Krankenhaus. „Ich weine vor Freude. Die Kinder sind erschöpft, aber ich habe das Fleisch und Blut meiner Tochter zurück.“

Die Kinder – ein Junge und drei Mädchen, das jüngste gerade ein Jahr alt, das älteste immerhin 13 – gehören zu einer indigenen Gemeinschaft. Ihre Kenntnis der Region dürften ihnen geholfen haben, nach dem Absturz im Dschungel zu überleben. Sie ernährten sich offenbar von wilden Maracujas und Mangos sowie Lebensmittelpaketen, die das Militär über dem Dschungel abgeworfen hatte – in der Hoffnung, dass die umherirrenden Kinder sie finden würden.

09.06.2023, Kolumbien, Solano-Dschungel: Soldaten und indigene Männer posieren für ein Foto mit den vier Geschwistern, die nach einem tödlichen Flugzeugabsturz vermisst wurden, im Dschungel von Solano im kolumbianischen Bundesstaat Caqueta. Foto: Uncredited/Colombia’s Armed Force Press Office/AP/dpa

„Menschen können bis zu 30 Tage überleben, ohne sich ausgewogen zu ernähren“, sagte die Ernährungswissenschaftlerin Liliana Dávila dem Fernsehsender RCN. „Wenn die Kinder gut hydriert sind, ist es möglich, eine lange Zeit ohne Nahrung zu überleben. Im Dschungel ist es einfach, Regenwasser aufzufangen.“

Auch der Vater der Geschwister im Alter von 13, 9 und 5 Jahren sowie einem Jahr beteiligte sich an der Suche. Nachdem die Kinder gefunden wurden, begleitete er sie in das Militärhospital in Bogotá. „Ich bin auch aufgenommen worden. Ich bin krank“, sagte Manuel Ranoque. „Ich habe hohes Fieber. Ich habe 40 Tage darum gekämpft, meine Kinder wiederzufinden.“

Auf dem Flug nach Bogotá bat er den General der Spezialeinsatzkräfte, Pedro Sánchez, Pate seiner jüngsten Tochter zu werden. „Es ist mir eine Ehre“, habe er geantwortet, erzählte der Offizier im Fernsehsender Caracol. „Ich bin nach Hause gegangen und habe meiner Frau gesagt: Wir werden eine Tochter haben. Auch wenn sie einen anderen Nachnamen trägt, es ist egal. Es geht darum, was man im Herzen, in der Seele fühlt.“

10.06.2023, Kolumbien, Bogota: Militärangehörige laden einen der vier indigenen Geschwister, die nach einem tödlichen Flugzeugabsturz vermisst wurden, auf dem Militärflughafen aus einem Flugzeug aus. Foto: John Vizcaino/AP/dpa

Auch der kolumbianische Präsident Gustavo Petro besuchte die Kinder im Krankenhaus. Auf Fotos war zu sehen, wie er am Bett der Geschwister stand und sich bei den Pflegekräften bedankte. „Heute haben wir einen magischen Tag erlebt“, sagte er am Freitag nach seiner Rückkehr aus Kuba. Dort hatte er einen Waffenstillstand mit der linken Guerillaorganisation ELN bekanntgegeben, direkt nach der Landung erfuhr Petro dann von der Rettung der Kinder. „Sie waren allein, aber sie haben ein Beispiel des Überlebens gesetzt, das in die Geschichte eingehen wird. So sind diese Kinder heute die Kinder des Friedens, die Kinder Kolumbiens.“

Ein an dem Sucheinsatz beteiligter Hund ist indes verschollen. Der belgische Schäferhund namens Wilson war den Streitkräften zufolge nicht von einer Suche im dichten Regenwald zurückgekehrt. „Wir lassen niemals einen Kameraden auf dem Schlachtfeld zurück“, sagte der Kommandeur der Streitkräfte, General Helder Fernan Giraldo Bonilla. „Wir suchen weiter nach unserem Hund Wilson, der sich in seinem Eifer, die Kinder zu finden, von den Truppen entfernt und verlaufen hat.“

Die Kinder waren Medienberichten zufolge mit ihrer Mutter auf dem Weg zu ihrem Vater gewesen, der wegen ständiger Bedrohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc aus der Region geflohen war. Zwar hat sich nach dem Friedensabkommen 2016 die Sicherheitslage zwischen der Regierung und der Farc verbessert, allerdings werden noch immer Teile des südamerikanischen Landes von illegalen Gruppen kontrolliert. Vor allem Indigene, soziale Aktivisten und Umweltschützer geraten immer wieder in das Visier der kriminellen Banden. (dpa)

7 Antworten auf “Nach 40 Tagen im Dschungel: Kinder werden in einem Militärhospital versorgt – Wieder zu Kräften kommen”

  1. Peer van Daalen

    Eine sehr gute Sache diese Rettung der Huitoto- oder Witotokinder (noch nie gehört) und sehr gut auch, daß die Kinder genau wußten, was sie im Solano-Dschungel essen und trinken konnten und was nicht.

    Vor allem das älteste Mädchen, die 13-jährige Lesly, kannte den Unterschied zwischen essbaren und ungenießbaren Pflanzen sehr gut und sie wußte wohl auch, wie man Sperre baut und damit jagt.

    Alles Gute Euch Mädels und Jungs aus dem Regenwald und Danke an die Rettungstruppe. Eine schöne Sache in Zeiten wie diesen!

    Das brüllt förmlich nach einer guten Verfilmung …

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